Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen

Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5 - Antje Ippensen


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Grelle Furcht und Ekel überwältigten sie fast.

      Was hoffte der Mann zu finden? Geld, Schmuck, Essen? Und was würde geschehen, wenn er ... Sie dachte diesen Gedanken lieber nicht zu Ende.

      In demselben Moment, da der Finsterling in der Tat ein enttäuschtes Grunzen ausstieß, bestimmt deshalb, weil Riyalas Gewand so leer war wie sein Magen, rief eine angenehm klingende Stimme vom Ende der Gasse: „He! Bei den Göttern, was ist da los? – Nimm sofort deine Hände von dem Mädchen, du Mistkerl!“

      Es war eine Stimme, die Riyala kannte – noch vor wenigen Minuten hatte sie ihr gebannt gelauscht.

      Das Geräusch schnell näherkommender Füße in Holzpantinen. Der unbekannte Mann, dessen Gesicht Riyala nie sehen sollte, stieß sein Opfer in eine Kotpfütze und gab dann Fersengeld.

      Nigel verfolgte ihn nicht, sondern kümmerte sich sogleich um das heftig schluchzende Mädchen. Jetzt, wo die unmittelbare Gefahr vorüber war, setzte bei Riyala verspätet der Schock ein; ihr war übel und eiskalt, und sie ergriff dankbar Nigels warme Hände, die sie aus dem pestilenzartig stinkenden Dreck zogen.

      „ Seid Ihr in Ordnung?“, fragte der Bauernsohn besorgt. „Hat Euch dieser miese Abschaum etwa verletzt?“

      Sie weinte nur noch mehr wegen der aufrichtigen Freundlichkeit in seinen Worten, und es kam ihr so vor, als würde sie nie mehr damit aufhören können. Es half gar nichts, dass die Stimme ihres Stolzes sie wütend ermahnte, sich gefälligst zusammenzureißen. Der Schreck und die durchlebte Angst waren einfach zu kräftig gewesen – sie, die wohlbehütete Tochter der Matriarchin und des Heros von Co-Lha hatte so etwas noch nie zuvor erleben müssen.

      „ Schscht, schscht, ist ja schon gut“, murmelte Nigel und zog sie tröstend an sich. „Er ist weg ... verdammte menschliche Ratte. Ich weiß, wozu Hunger einen treiben kann, aber sich an einer wehrlosen jungen Frau zu vergreifen ...“

      Zwischen mehreren heftigen Schluchzern gelang es Riyala endlich, etwas wie einen Dank hervorzustoßen und ihrem Retter zu versichern, dass wirklich alles in Ordnung sei, ihr fehle nichts.

      Sie lösten sich voneinander. Im langsam verblassenden Licht des sinkenden Mondes sahen sie einander zum ersten Mal an. Aus dieser Nähe betrachtet, wirkte der junge Mann noch viel anziehender auf Riyala. Sie ihrerseits schien ihm offenbar auch zu gefallen ... verstohlen beobachtete sie seine bewundernden Blicke und schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ihre hübschen Grübchen sichtbar wurden.

      „ Ihr seid nicht von hier, oder?“, sagte Nigel nun und lächelte ebenfalls strahlend.

      Sie schüttelte den Kopf.

      „ Ja, das dachte ich mir – in letzter Zeit wird Arjenez von armen Flüchtlingen aus dem Süden förmlich überschwemmt. Früher kannte ich jede Menschenseele im Dorf, und die Gaukler kamen höchstens ein- oder zweimal im Jahr zu uns. Ihr seid doch ein Gauklerkind?“

      Riyala nickte hastig. Erst jetzt fiel ihr auf, wie gewählt und geschliffen seine Sprache war; er musste außerhalb von Arjenez erzogen worden sein. Seiner Redeweise fehlten der bäuerliche, undeutliche Tonfall und auch die groben Worte, die das Landvolk gewöhnlich benutzte.

      „ Oh, aber ich vergesse ganz, mich vorzustellen!“, rief ihr Beschützer aus. „Mein Name ist Nigel Dha-Na, zu Euren Diensten. Und wie heißt Ihr?“

      Riyala öffnete den Mund und begann: „Za...“, sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig und ergänzte dann schnell: „...lana.“

      Beim Mond und bei den Sternen – sie musste besser aufpassen! Sie durfte sich auf gar keinen Fall als Tochter des Regentenpaares von Co-Lha zu erkennen geben, und selbstverständlich kannte man im Umkreis von mehreren hundert Meilen den Namen Riyala.

      Glücklicherweise hatte Nigel ihr Zögern und Stammeln gar nicht registriert oder beachtete es nicht; er fuhr fort zu sprechen mit seiner schönen Stimme, die wie Musik in ihren Ohren tönte.

      „ Nun, Zalana – es freut mich, dass ich Euch behilflich sein konnte ... wenn Ihr erlaubt, dann lasst mich Euch zu meiner Hütte bringen. Dort könnt Ihr Euer Gewand ein wenig reinigen – Wasser haben wir zwar dafür nicht übrig, aber meine Mutter besitzt einen Vorrat an Fleckensalz und Sandseife.“ Ein flüchtiger Schatten zog über Nigels markantes Gesicht, und Riyala erinnerte sich wieder an das, was er in der Tempelruine über seine Familie gesagt hatte.

      „ Ich nehme Eure Einladung gerne an, Nigel“, murmelte sie und stellte fest, dass er die Augen nicht von ihr wenden konnte. Blut stieg ihm in die Wangen, als ihm das bewusst wurde. Dann nahm er ihren Arm und schlug einen flotten Schritt an, die Gasse hinunter.

      Riyala wusste, wie sie auf Männer wirkte, sogar oder gerade wenn sie geweint hatte. Oft genug hatte sie dies ja zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt ... Und Nigel benahm sich in der Tat ähnlich wie Kazolo, der junge Turmwächter. Aber etwas war anders diesmal – denn sie spürte, wie ihr eigenes Herz in einem angenehm raschen Wirbel pochte, und das war ihr zuvor noch nie passiert. Gewiss hatte sie zuvor schon ab und zu den einen oder anderen Burschen gut aussehend gefunden, doch noch nie hatte sie eine solche Anziehung gefühlt wie jetzt bei Nigel ...

      Am östlichen Horizont erschien der erste fahle Schimmer der Morgendämmerung, doch Riyala hatte nur Augen – und Ohren – für ihren Begleiter und achtete auf nichts sonst.

      So war sie ein wenig verdutzt, als Nigel plötzlich verstummte und stehenblieb.

      „ Ich glaubte etwas zu hören ...“, flüsterte er, und es klang alarmiert.

      Sie waren inzwischen beinahe am Rande des Dorfes angelangt. Zwischen den schäbigen Hütten nisteten noch immer die nur langsam schwindenden Schatten der Nacht. Doch Nigels Augen schienen die Düsternis zu durchdringen – er stieß zwischen den Zähnen hervor: „Nein! Nicht noch mehr von diesem Abschaum!“

      Diesmal waren es zwei abgerissene, dürre Männer, die zudem auch noch Holzknüppel in den Händen hielten. Mit drohenden Gebärden traten sie aus ihrem Winkel zwischen einer verlassenen Hütte und einem leeren Heuschober hervor. Ob einer von ihnen Riyalas erster Angreifer gewesen war, konnte sie nicht erkennen, und es war ihr auch gleichgültig. Abermals spürte sie die Würgeschlinge der Furcht, die ihr die Kehle zuschnürte, und ihr wurde übel.

      Nigel handelte blitzschnell. Er sprang auf die beiden los, ohne zu zögern oder ihnen Zeit für eine Attacke zu geben. Sein Bein schnellte in einer unglaublich gewandten Bewegung hoch und trat dem einen, größeren gegen den Arm, so dass der mit einem Aufschrei den Knüppel fallenließ – fast gleichzeitig, in einer gewandten halben Drehung schmetterte Nigel seine Faust gegen die Brust des zweiten Mannes. Dieser taumelte.

      Der junge Bauernsohn war ein hervorragender Kämpfer! Riyala stand atemlos da und beobachtete das Geschehen, eine Hand an der Kehle.

      Ihr neuer Freund konnte es wahrhaftig mit zwei Kerlen aufnehmen ... nur ein einziges Mal geriet er in ernsthafte Gefahr, als der kleinere Mann ihm von hinten eins über den Schädel ziehen wollte.

      „ Vorsicht, Nigel, hinter Euch!“, gellte da Riyalas Schreckensschrei; im nächsten Moment, es war eine impulsive Handlung, hatte sie schon nach einer Handvoll Schlamm gegriffen und sie nach dem Angreifer geworfen. Sie traf ihn gut – mitten ins Gesicht.

      Nigel, der den größeren mittlerweile zu Boden geworfen hatte und mit ihm rang, rollte sich auf Riyalas Warnruf hin elegant zur Seite, sprang hoch und wich dem nur noch schwächlich geführten Knüppelhieb aus. Mit seiner freien Hand wischte sich der Kerl wütend den Schlamm aus den Augen.

      „ Verdammtes Flittchen!“, heulte er in Riyalas Richtung – nur eine Zehntelsekunde darauf erwischte ihn Nigels Faust an der Kinnspitze, so dass er ebenfalls zusammenbrach.

      Schwer atmend, aber mit lachenden, blitzenden Augen kehrte der siegreiche junge Mann zu dem Mädchen zurück.

      „ Gut gemacht!“, lobte er Riyala, und jetzt schien er sie vollends als Gauklerin, also als eine aus dem einfachen Volke, zu akzeptieren. Seine Anerkennung tat ihr wohl, wie ihr auch der Wurf gut getan hatte.

      Nigel hatte eine kleine Beule über


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