Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen

Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5 - Antje Ippensen


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gesamten Körper rann.

      „ Ist nur eine Kleinigkeit“, erwiderte er und legte ihr kameradschaftlich einen Arm um die Schultern. Seine Miene verdüsterte sich etwas, während er die beiden Bewusstlosen betrachtete.

      „ Noch vor gar nicht langer Zeit wäre so etwas undenkbar gewesen“, murmelte er bitter. „Niemand brauchte zu fürchten, innerhalb seines eigenen Dorfes überfallen zu werden! – Aber man kann diesen armen Teufeln im Grunde keinen Vorwurf machen. Sie sind halb wahnsinnig vor Hunger und werden daher zu wilden Tieren ...“

      „ Hat denn niemand sonst den Kampflärm gehört?“, wunderte sich Riyala. „Ich frage mich, weshalb uns keiner zu Hilfe gekommen ist.“

      „ Sie sind ebenfalls zu geschwächt“, erklärte Nigel knapp, „sonst hätten sie es zweifellos getan. – Sieht es denn in der Gegend, die Ihr als letztes durchfahren habt, besser aus, Zalana?“

      Er sah sie bei seinen Worten aufmerksam an, und Riyala merkte, dass sie schon wieder beinahe einen Fehler gemacht hatte.

      „ Oh, nein“, beteuerte sie hastig. „Jedenfalls nicht viel. Nur an derart gesetzlose Zustände bin ich nicht gewöhnt. – Sagt, was geschieht jetzt mit diesen Kerlen? Gibt es im Dorf eine Art Gefängnis?“

      „ Wo denkt Ihr hin? Früher war das nicht nötig, und jetzt wäre niemand fähig, sich um ein solches Problem zu kümmern.“ Nigels Miene und auch seine Stimme wurden immer finsterer und bitterer, und Riyala wollte ihn gern auf andere Gedanken bringen. Denn wenn er auch ihr gegenüber mit seinem Aufrührergerede anfing ... dabei fiel ihr ein, dass es ihr auch lieber war, er erfuhr nicht, dass sie das Treffen im Tempel belauscht hatte. Aber ihr schwindelte ein wenig vor so vielen Geheimnissen.

      Flink schob sie ihr Unbehagen beiseite, lächelte den tapferen Kämpfer an ihrer Seite an und meinte, rasch das Thema wechselnd: „Jetzt wäre es wirklich schön, wenn ich mich etwas frisch machen könnte! Seht nur, meine Hände kleben vor Dreck.“

      „ Und solch hübsche Hände wie die Euren möchten natürlich sauber sein“, neckte er sie, und auch ihr letztes aufregendes Erlebnis löste sich in ihrem Gelächter auf.

      Die Hütte, die Nigels Familie gehörte, war recht groß und gut instand gehalten, ganz anders als die meisten Gebäude im Dorf. Wohl war das feste Flechtwerk der Wände an einigen Stellen etwas brüchig geworden, doch in der Regel hatte jemand – vermutlich der Sohn des Hauses – sie fachmännisch geflickt. Außerdem gab es hier mehr als einen Raum, so dass sie weder Nigels Mutter noch seine Schwestern störten, als sie eintraten. Er erzählte Riyala kurz von seiner Familie und ging dann zum Torffeuerplatz, über dem ein blankgescheuerter Kessel hing. Überhaupt war die Hütte sauber und aufgeräumt, gar kein Schweinestall, wie Riyala insgeheim befürchtet hatte. Wie oft hatte sie in Co-Lha gehört, dass die gesamte Landbevölkerung schmutzig sei und es überall stinke wie in einer Sickergrube ...? Hundert- oder tausendmal. Es war eins der vielen Vorurteile zwischen Stadt und Land, ein deutliches Zeichen der tiefen Kluft, die sich aufgetan hatte. Wenngleich meine Mutter behauptet, dies sei vor der Notzeit anders gewesen ... sinnierte Riyala.

      Mit ungeschickten bürstenden Strichen benutzte sie das steinharte Stück Seife, das Nigel ihr sogleich gereicht hatte, und versuchte ihr buntes Gauklerinnengewand zu säubern, so gut es eben ging. Seltsam, wie vertraut ihr das Kleidungsstück schon war. Doch die getrockneten Flecken ließen sich nicht ganz aus dem Stoff entfernen. Nur ihre Hände waren bald wieder vom Dreck befreit. Wenn sie Nigel das nächste Mal sah, würde sie sich aber auf jeden Fall ein anderes Gewand anziehen ...

      Riyalas Gedanken stockten. Ihn wiedersehen? Wie soll mir das gelingen? Ich muss doch ... ich werde nie ... oh Sterne und Mond, oh ihr Götter und Göttinnen, es wird ja draußen schon hell!

       Sie musste augenblicklich zurück. In den Tunnel und dann heim nach Co-Lha – so sehr ihr auch davor graute. Spätestens ein, zwei Stunden nach Sonnenaufgang würden ihre Eltern Suchtrupps losschicken, und die Wächter der Burg würden sie in dieser Verkleidung auf jeden Fall erkennen. Sollte sie sich verstecken wie ein gejagtes Tier? Und dann?

      Sie bemühte sich, ihren Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten, während diese Ängste und Befürchtungen wie trockene, aufgewirbelte Blätter durch ihr Hirn stoben.

      Nigel hatte einen Tee aufgesetzt und bot ihr davon an.

      „ Er ist recht dünn, da wir Teekorn sparen, wo es nur geht“, sagte er entschuldigend. „Zumeist verwenden wir es mehrmals ... so wie Ihr es sicher auch tut. Lagert Eure Truppe in der Nähe des Dorfes, Zalana?“

      Riyala bedankte sich zunächst höflich für den Tee und konzentrierte sich ganz darauf, die ersten glühheißen Schlucke zu trinken, um Zeit zu gewinnen. Sie musste sich eine plausible Geschichte ausdenken. Sicher fragte sich ihr neuer Freund schon die ganze Zeit, was sie denn allein in der Nacht in diesem Dorf zu suchen gehabt hatte. Womöglich hielt er sie auch für eine Gaunerin ...

      „ Ja, unsere Karren sind nicht allzu weit von hier“, antwortete sie dann. „Wisst Ihr, unser bester Hund ist letzte Nacht entlaufen, und ich machte mich auf, ihn zu suchen. Ich hänge sehr an ihm. Meine Eltern wissen nichts davon, dass allein fortgegangen bin – sie hätten es mir auch bestimmt nicht erlaubt.“ Dieser letzte Teil wenigstens, dachte sie, entspricht voll und ganz der Wahrheit.

       Nigel lächelte verständnisvoll. Damit er nicht auf die Idee kam, sie weiter auszufragen, stellte sie ihm ihrerseits rasch eine Frage: „Und sagt, wie kommt es, dass Ihr so tief in der Nacht draußen unterwegs wart? Es war für mich ein großes Glück – so konntet Ihr mein Retter in der Not sein, wofür ich sehr dankbar bin. Aber hättet Ihr nicht lieber hierbleiben und auf Eure Mutter und Eure Schwestern aufpassen sollen? Wenn es doch so unsicher in Arjenez geworden ist?“

       Nigel zögerte einen Moment; dann erwiderte er fest: „Nun, das Haus ist, im Gegensatz zu vielen anderen, recht solide und gut gesichert. Nicht gerade leicht für halb verhungerte, kraftlose Banditen, hier einzubrechen ... Außerdem habe ich nur einen kleinen nächtlichen Gang gemacht, was ich häufig zu tun pflege.“

       Aha, dachte Riyala mit einer seltsamen Mischung aus Enttäuschung und Triumphgefühl. So sehr vertraust du mir also nicht; auch du bewahrst deine kleinen Geheimnisse!

       Sie sah ihn wohl sehr eindringlich an, denn er fügte fast verlegen hinzu: „Zudem weiß jeder, dass dies meine Hütte ist. Mein Ruf verbreitet sich schnell; wie Ihr gesehen habt, bin ich recht gut im Kampf.“

       Ja, das hatte Riyala in der Tat gesehen – das Spiel seiner Muskeln und seine geschmeidigen Bewegungen waren überaus beeindruckend gewesen. Wieder überlief sie ein rätselhaftes, schauerartiges Gefühl.

      „ Ich muss jetzt gehen“, sagte sie hastig und recht abrupt. „Habt nochmals Dank für alles und auch für den Tee.“

       Er reagierte nicht sofort. Erst als sie aufstand, erhob er sich gleichfalls und kam auf sie zu.

      „ Wisst Ihr, was mich vorhin am meisten in Wut versetzt hat?“, murmelte er halblaut. „Als Euch der eine Bastard ‚Flittchen‘ nannte ... dass er Euch beleidigte, konnte ich nicht ertragen. Wann sehen wir uns wieder, Zalana? Morgen Abend?“

       Es klang drängend, leidenschaftlich.

       Überrumpelt stammelte Riyala: „Ich ... ich weiß nicht, ob ...“

      „ Sagt ja! Sagt, dass Ihr es versucht. Ich möchte Euch wiedersehen!“

       Röte überflutete ihr Gesicht. „Und ich Euch ...“, flüsterte sie.

      „ Morgen abend bei Sonnenuntergang. Unter der Perlenbrücke am Co, einverstanden?“

       Sie nickte, und er atmete tief durch. Dann umarmte er sie, zunächst scheu, dann selbstbewusster, und ihre Gesichter näherten sich immer mehr ... Ihr Kuss war beinahe keusch, und doch spürte Riyala deutlich Nigels Leidenschaft. Es war ein wunderbares Gefühl.

      „ Ihr seid so schön wie ein Traum, Zalana“, sagte Nigel leise.

       Diese Worte klangen ihr noch im Ohr,


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