Entenbootweltbürger und andere Erzählungen aus Südkorea. Park Min-gyu

Entenbootweltbürger und andere Erzählungen aus Südkorea - Park Min-gyu


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doch!

      Schau, muss man denn mit großartigem Stolz durchs Leben gehen? Alle wursteln sich durch und machen Kompromisse. Soweit ich sehe, bist du schnell von Begriff und sehr begabt. Vielversprechend, jung und gesund. Es braucht bloß jemanden, der dir ein wenig den Rücken stärkt, dann hast du nichts mehr zu fürchten. Also,

      trink doch!“ Ohne Unterlass schenkte mir der Prokurist nach und nötigte mich zum Trinken, und selber soff er auch wie ein Loch. Ich nahm wahr, wie er mit der Zeit zu keuchen anfing, als sei sein Atem mit Hefe versetzt. Unruhig und voll Unrast schien er, quasi gärendes Bier. Und mir war, als hörte ich sogar das Pochen seines bestimmt auch schon durch und durch alkoholgetränkten Herzmuskels.

      Wir verließen das Café erst nach Mitternacht. Der Prokurist winkte ein Taxi herbei, nannte dem Fahrer ein Ziel, das ich nicht kannte, und fasste dann im Wagen ständig nach meiner Hand oder tätschelte mir den Oberschenkel. In einer mir unbekannten Straße in einer mir unbekannten Gegend der Stadt setzte uns der Fahrer ab. Es gab dort ein großes Gebäude, dessen Untergeschoß ein Dampfbad beherbergte. Vor dem Eingang verkündete ein großes Schild: „24 Stunden durchgehend geöffnet!“ Das Bad war wie leergefegt. Das war wohl eins von diesen Nonstop-Badehäusern, die von den Gästen hauptsächlich als billiges Nachtquartier genutzt wurden – der große Aufenthaltsraum neben der Garderobe war bestimmt voll mit Schlafenden. Oder waren Publikum und Zweck dieses Dampfbads doch von noch viel speziellerer Art? Ein Weilchen grübelte ich so dahin, dann gab ich das Nachdenken einfach auf.

      „Lass es über dich ergehen, es dauert nicht lang!“

      Während ich mich duschte, presste sich der Prokurist an mich und schlang seine Arme um meinen Körper. Merkwürdigerweise empfand ich keinen völlig unüberwindlichen Ekel, und so beschloss ich, es eben wunschgemäß über mich ergehen zu lassen, zumal es ja nicht lange dauern würde. Der Prokurist tastete an meinen Körper herum, mal hier, mal dort, und schließlich drückte er mich auf einen der herumstehenden Badeschemel. Mit glitschigen, flutschenden Händen wandte er alle erdenklichen Mittel an, um meinen Penis zum Stehen zu bringen. Ich war mir absolut sicher, dass es bei mir unter diesen Umständen niemals zu einer Erektion kommen würde. Kurioserweise stand mein Schwanz aber irgendwann doch stramm. Mir schleierhaft, warum. Und schleierhaft war mir auch, warum nun obendrein vor meinem geistigen Auge plötzlich ein Bühnenvorhang aufging ‒ gleich für Level 23. Wieso war die Welt nicht einfach so eingerichtet, dass man, ausgehend von Level 1, sicher und gemächlich Stufe für Stufe vorankam?

      „Eine Pracht!“, schmachtete der Prokurist. Er begutachtete meinen aufgerichteten Schwanz und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann streckte er kurz seinen Hals, um sich noch einmal zu vergewissern, dass hinter der Trennwand niemand war, und kniete sich schließlich zwischen meine Beine. „Halt still!“ Ein plötzlicher Wechsel in einen Befehlston. Er nahm meinen Schwanz in den Mund und begann dran zu saugen. Mit der rechten Hand begann er, langsam an seinem eigenen Penis zu werken.

      Es geht ja schnell vorbei, sagte ich mir, ich werde es nicht bereuen. Blickte ich auf mein Leben zurück, hatte ich mein ganzes bisheriges Leben lang nie etwas mit aller Entschiedenheit gewollt. Und um mich herum gab es jede Menge Konkurrenz, eine Anstellung zu finden war unendlich schwer, die Welt war ein einziges Schlamassel. Es ist ja schnell vorbei. Es ist ja schnell vorbei. Es ist ja schnell vorbei. Nur ein klein wenig noch, dann habe ich die letzte Lücke glücklich übersprungen und lande, ganz punktgenau, wohlbehalten auf dem sicheren Platz.

      Einen kurzen Augenblick lang war mir, als hätte ich gesehen, wie der Schwanz des Prokuristen eine weiße Flüssigkeit verspritzte, als hätte ich außerdem gesehen, wie er sein Sperma wegspülte, als hätte ich auch gespürt, wie er mit einem letzten Seufzer seine Hand auf meine Schulter legte, als hätte ich weiters gehört, wie er mir ein sehr vielsagendes „Bravo!“ zuraunte, und als hätte ich ihm noch nachgeschaut, wie er, allem Anschein nach sehr erschöpft, zur Tür hinausging.

      Ich hockte mich in der riesigen leeren Badehalle dann einfach auf den Boden. Nahm eine Schöpfkelle und fing an, mich mit heißem Wasser zu übergießen, so heiß es meine Haut zu ertragen vermochte. Eingehüllt vom dampfenden Wasser, fühlte ich mich plötzlich ganz einsam und verlassen, und die Tränen schossen mir in die Augen.

      Und da kam dann plötzlich der Umschwung.

      Hinter mir, das spürte ich einfach, war jemand. Als ich mich umdrehte, stand dort im nebeligen dichten Dampf ein mir völlig unbekannter, großer und imposanter Waschbär, der in seinen Pfoten ein Schrubbtuch bereithielt. Mit dem hellbraunen Waschbärenfell kontrastierte dieses patente hellgrüne Tuch ganz ausgezeichnet. Der Waschbär hatte offenkundig, verborgen unter einem Schleier aus Wasserdampfschwaden, das ganze Geschehen verfolgt. Mit alles verstehender Miene nickte er mir zu. Ich nickte zurück. Bedächtig schob er mir einen Schemel zu und sprach:

      „Nimm Platz!“

      Im Dampfbad war es an diesem frühen Morgen ganz still, und in dieser Stille erschien mir der Waschbär als ein guter Freund, dem ich getrost meinen Rücken anvertrauen konnte. Dass mir zuletzt jemand den Rücken geschrubbt hatte, war wahrhaftig schon einige Jahre her, und dieser Waschbär war ganz offenkundig unerhört geschickt und erfahren in der Kunst des Schrubbens. Es mag sonderbar klingen, aber als mir so der Rücken geschrubbt wurde, begann sich ganz langsam und allmählich auch meine Laune zu bessern. Und als der Waschbär seine letzten Schrubbschwünge machte, war ich schon wieder relativ frohen Sinnes. Kaum wollte ich mich von meinem Schemel erheben, senkten sich allerdings zwei schwere Pfoten auf meine Schultern und drückten mich wieder nieder.

      „Wir sind noch nicht fertig.“

      Was sollte das denn heißen? Aber schnell verstand ich den Grund. Jetzt kam nämlich das Einseifen dran. Herrlich erfrischend seifte der Waschbär mit all seiner Routine meinen sauber gerubbelten Rücken vollständig ein. Dass es so was gab! Es war wie ein traumhaft fantastisches Spiel, dass mir so leicht ums Herz wurde, als säße ich in einem Flugzeug und flöge durch den blauen Himmel von Ohio. Von meinen Gefühlen übermannt, war ich schon drauf und dran, alle Schleusen zu öffnen und loszuheulen. Irgendwann drehte ich mich schließlich, vor Rührung bebend, nach ihm um; doch was ich dann mit knapper Not herausbrachte, war nichts weiter als:

      „Danke, du bist echt ein Waschbär!“

      ***

      Bloß eine Giraffe

      Mein Rechenschlüssel

      Ein Marsmännchen müsste man sein! In jenem Jahr war’s im Sommer dermaßen schwül, dass ich solche Spinnereien ausschwitzte. An meiner Handelsoberschule hatten wir Sommerferien, elendslang. Ohne ein paar Spinnereien hätte ich die Zeit gar nicht über die Runden gebracht. Nicht bloß, dass der Sommer so nicht enden wollend war, riss es mich auch noch zwischen zwei Jobs hin und her. Nachmittags jobbte ich in einer Tankstelle, abends in einem Minisupermarkt. Dass ich hier wie dort auch ein paar Kolleginnen hatte, machte die Angelegenheit für mich auch nicht lustiger, die Tussis waren leider in jeder Hinsicht vernachlässigenswert. Um einen Vergleich zu wagen: Ein Sonnenstrahl schrammt den Merkur und die Venus, rast an ein paar vernachlässigbaren Asteroiden vorbei und landet schließlich auf der Erde. Ob der dann wohl ähnlich übel gelaunt ist wie damals ich? Der gute Mars, der wär’s gewesen. Ein schönes Plätzchen, wohltemperiert, doch leider weit verfehlt!

      Wenn man zwischen mehreren Jobs rotiert, passiert einem natürlich auch so manches. So war das auch bei mir der Fall in jenem Sommer. An der Tankstelle bekam ich pro Stunde tausendfünfhundert Won, im Minisuper tausend. Ein Bettel, darum war ich auch permanent angefressen. Das heißt, eigentlich war’s ganz am Anfang nicht schlimm gewesen, aber mit der Zeit staute sich der Frust auf. Der Ladenbesitzer meinte: „Weißte, so lernste das Leben kennen.“ Meine unausgesprochene Erwiderung war: „Wär’s schlecht für meinen Lernerfolg, wenn ich von dir zwei Tausender die Stunde bekäme? Aber mal angenommen, es wär so: warum stopfst du dann deiner eigenen Brut so viel Taschengeld in den Hintern?“ Und so ungeschickt konnte ich mich doch nicht einmal mit Absicht anstellen, dass meine stündliche Leistung nicht, allemal noch, zumindest


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