Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
Delgados Wohnung untergebracht waren. An die Kleidung wagten wir uns nicht heran. Das wollten wir den Kollegen der SRD überlassen. Schließlich bestand ja die Hoffnung, eventuell noch Spuren des Mordes an Brad Mendoza zu finden. Faserspuren, unsichtbare Blutspritzer oder auch nur ein bisschen Erde, das unter den Schuhen oder an einer Hose haften geblieben war und vielleicht genau dem Material entsprach, das auch am Tatort zu finden war.
Die Schuhgröße stimmte allerdings schon mal nicht mit den am Tatort sichergestellten Abdrücken überrein.
„Dann sagt er vielleicht die Wahrheit und er war nur der Fahrer, während sein Komplize ausgestiegen ist und Brad Mendoza erschlug“, vermutete Milo.
Schließlich trafen die Kollegen der SRD ein. Außerdem die Special Agents Fred LaRocca und Josy O'Leary, die Gary Bento mit zum Bundesgebäude an der Federal Plaza bringen sollten, wo er die Nacht in einer unserer Gewahrsamszellen verbringen würde.
Milo und ich fuhren daraufhin zum Latin Pop, über dem Rick Chaves sein Zimmer hatte.
Wir stellten den Sportwagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab.
Aus dem Latin Pop drang Musik.
Es hinderte uns niemand daran, die Tür zu passieren.
Im Inneren wurden Reinigungsarbeiten durchgeführt und der Boden auf Hochglanz gebracht. Aber auf der Bühne war etwas los. Eine Latino-Band spielte dort. Der Klang von Congas und Bongos mische sich mit dem schmalzigen Gesang eines dunkelhaarigen Mannes, dessen tonale Sicherheit allerdings deutlich zu wünschen übrig ließ.
Ein kleiner drahtiger Mann in kariertem Jackett und mit grau melierten Schläfen hob die Arme und kreuzte sie. „Schluss! Aus! Das hat keinen Sinn so!“
„Hey, Mister Estevez! Sie haben doch noch gar nicht alles gehört, was wir so drauf haben!“, meinte der Sänger.
„Ich habe genug gehört!“, erwiderte Estevez angewidert. „Sie können meinetwegen als Ricky Martin für Arme auf Geburtsfeiern auftreten, aber nicht in meinem Club!“
„Aber..“
„Adios, das war’s! Bauen Sie Ihre Anlage ab und verschwinden Sie, damit wir die Bühne für den Abend herrichten können!“ An den dunkelhäutigen Mann gewand, der neben ihm stand gerichtet, knurrte er anschließend: „Wen hast du mir denn da empfohlen, Tony? Da kann doch nicht dein Ernst sein!“
„Ich habe sie in Paco’s Bar gehört! Und da waren sie gut!“
„Ach, komm hör auf, Tony! Die haben dir einen Hunderter gegeben – und ich muss deshalb meine Zeit damit verschwenden, mir diesen Mist anzuhören!“ Estevez blickte in unsere Richtung und stutzte. „Was machen denn diese beiden Schießbudenfiguren denn hier?
„Keine Ahnung, Boss!“, antwortete Tony.
„Wer hat die hereingelassen? Bringt jetzt schon jeder Amateurmusiker, der ansonsten kaum das Publikum in der Subway begeistern kann, seine Manager mit?“
Wir hielten unsere Ausweise hoch.
„FBI. Ich bin Special Agent Jesse Trevellian und dies ist mein Kollege Milo Tucker.“
„Und ich bin Wayne Estevez, der Besitzer dieses Clubs! Hier ist alles sauber! Sie verschwenden also Ihre Zeit!“
Unseren Erkenntnissen nach gehörte das Latin Pop zu einer Reihe von Clubs, die von Murray Zarranogas Organisation als Umschlagplätze für Heroin und zur Geldwäsche benutzt wurden. Estevez war letztlich nur ein Strohmann für Zarranoga und andere Geldgeber, die in Wahrheit bestimmten, was im Latin Pop ablief. Allerdings war er geschickt genug, um nicht in die Schusslinie der Justiz zu geraten.
„Wir suchen Rick Chaves“, eröffnete ich.
„Was hat denn der gute Rick wieder angestellt?“
„Wir haben nur ein paar Fragen an ihn und angeblich arbeitet er ja hier.“
Estevez machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sie sehen doch, dass er heute nicht hier ist. Seine Arbeitszeit beginnt auch erst heute Abend um acht.“
„Wo ist sein Zimmer?“
„Ich sagte doch, er ist nicht da. Er hat sich meinen BMW geliehen und macht damit eine kleine Spritztour. Ich schätze, er ist mit seiner neuen Flamme unterwegs, aber das ist ja wohl nichts Ungesetzliches.“
„Wir würden uns gerne selbst davon überzeugen, dass Mister Chaves nicht zu Hause ist“, erwiderte Milo. „Natürlich könnten wir auch mal darüber nachdenken, ob Ihr Laden tatsächlich so sauber ist, wie Sie behaupten, und den Kollegen der DEA mal einen kleinen Tipp geben, dass sich hier eine Überprüfung lohnen könnte.“
Estevez hob die Hände.
„Wer will denn Streit anfangen?“ Er wandte sich an den Dunkelhäutigen. „Zeig Ihnen das Zimmer, Tony!“
„Okay!“
Der Dunkelhäutige ging in Richtung eines Nebenausgangs. Milo folgte ihm. Ich blieb noch einen Moment stehen und fragte: „Hat es sich eigentlich schon bis zu Ihnen herumgesprochen, was mit Murray Zarranoga geschehen ist?“
„Eine Tragödie“, sagte Estevez und wirkte dabei so tief bewegt wie ein Ziegelstein.
„Es gibt Gerüchte, dass jemand einen Hitman namens Road Killer auf ihn angesetzt hatte!“
„Es gibt Gerüchte über alles Mögliche, Agent Trevellian. Aber das Meiste davon geht bei mir zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus.“
Mein Handy klingelte. Es war Mr McKee. Er gab an, dass unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell auf dem Weg zum Latin Pop waren – mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl für Rick Chaves’ Zimmer.
Genau dorthin folgte ich jetzt Milo und Tony.
16
„Sie sehen doch, er ist nicht hier!“, stellte Tony fest. Mit verschränkten Armen stand er an der Tür.
Ich ging in das Zimmer hinein und sah mich um.
Das Zimmer hatte etwa zwanzig Quadratmeter und enthielt außer einem Bett, einem Kleiderschank und einem Tisch noch eine Spielkonsole. Außerdem gab es eine Pinnwand.
Eine auf einen Zettel gekritzelte Telefonnummer stand fort. Darunter die Buchstaben DOC.
„Könnte die Nummer seines Arztes sein!“, glaubte Milo.
„Dürfen Sie das hier überhaupt?“, fragte Tony.
„Der Durchsuchungsbefehl wird nachgereicht“, erklärte ich. „Kennen Sie Rick Chaves? Sie arbeiten schließlich beide hier.“
„Flüchtig. Befreundet sind wir nicht.“
„Haben Sie irgendeine Ahnung, wo er jetzt stecken könnte?“
„Nein.“
„Mister Estevez sprach von einer neuen Flamme, die er ausführen wolle.“
„Er nennt sie Carmencita.“
„Wissen Sie auch den Nachnahmen?“
„Ich glaube Cruz.“
„Carmen Cruz ist nicht gerade ein besonders exotischer Name“, warf Milo ein. „Da gibt es doch wahrscheinlich mindestens hundert Personen im Big Apple, die so heißen.“
„Sie wohnt aber in Long Island City, Queens. Das hat er erwähnt, als die Queensboro Bridge gesperrt war und er einen Umweg über dem Amtrak-Tunnel machen musste.“
Ich tippte die Nummer des Doc in mein Handy ein. Augenblicke später hatte meldete sich eine weibliche Stimme.
„Guten Tag. Sie sind verbunden mit der Praxis von Dr. James Donovan. Leider ist die Praxis heute nicht besetzt. Bitte rufen Sie zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal an oder konsultieren Sie