Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
Aber diese Leute haben es in der Regel nicht nötig, ihr Geld durch Menschenraub zu vermehren.«
»Schauen Sie sich bitte dennoch dort um.« Mr. McKee stand auf und begann mit auf dem Rücken verschränkten Armen im Büro auf und ab zu laufen. Das tat er meistens dann, wenn er angestrengt nachdachte.
»Selbstverständlich, Sir.« Ich fuhr fort. »Das Hausmädchen und der Chauffeur sind ehrlich erschüttert über die Entführung ihrer Brötchengeberin. Unsere Vernehmungsspezialisten beschäftigen sich trotzdem mit ihnen.«
»Geschäftspartner des Mannes?«
»Alles seriöse Leute. Jedenfalls die Firmen in Europa. Häufig weitläufige Verwandte. Die Vorfahren von Vanhouven und seiner Frau stammen aus Holland. Ihre Familie kam erst während des Krieges in die Staaten. Über seine Partner in Uruguay und Chile wissen wir noch nichts.«
»Versuchen Sie bitte bei den Banken und den Finanzbehörden etwas über die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens herauszufinden.« Mr. McKee blieb am Fenster stehen und sah nachdenklich in den Spätsommerhimmel. »Was halten Sie von der Höhe der Lösegeldforderung, Gentlemen?« Er fragte das, ohne sich umzudrehen.
»Wir hatten schon höhere«, sagte Milo. »Besonders wenn die Entführungsopfer aus Industriellenkreisen oder aus dem Geldadel stammten.«
»Das ist wahr«, stimmte ich zu. »Wir scheinen es mit recht bescheidenen Tätern zu tun zu haben.«
»Nicht unbedingt eine typische Tugend unserer Kundschaft«, grinste Medina.
Der Chef drehte sich um und musterte ihn aufmerksam. Er sagte aber nichts, sondern ging zur Wand mit dem Stadtplan. »Dann lassen Sie uns mal nach denken, ob uns die Lösegeldübergabe eine Chance bietet.«
Wir diskutierten lange über den Einsatzplan. Mr. McKee maß alle Vorschläge an dem, was für ihn Priorität hatte: Leben und Gesundheit von Theresa Vanhouven durften auf gar keinen Fall gefährdet werden. Übermäßige Polizeipräsenz schied also aus. Und wir mussten uns besonders raffiniert tarnen.
Kate schlug vor, einen Helikopter unweit der Brooklyn Bridge auf einem Frachter zu stationieren und mit einer Plane abzudecken. Mr. McKee lächelte ihr anerkennend zu und traf eine entsprechende Anordnung.
»Was macht eigentlich der Fall Kent?«, wandte sich der Chef am Ende der Konferenz an Clive und Medina.
»Klapperschlangen treten in Long Island eigentlich nicht in Herden auf«, begann Clive. »Um es genau zu sagen: Es hat sich in den letzten hundert Jahren kein einziger Zwischenfall mit so einer Schlange ereignet. Sie muss also irgendwo ausgebrochen sein, oder jemand hat sie dem Mann ins Haus gesetzt.«
»Und dafür sprechen Fußspuren im Garten«, ergänzte Medina. »Wir haben gegen Abend ein Treffen mit den Detektiven und den Juristen der Versicherungsgesellschaft. Angeblich haben sie Hinweise darauf, dass Unglücksfälle im Geldadel der Stadt in den vergangenen drei Jahren überdurchschnittlich häufig aufgetreten sind.«
13
Theresa fuhr aus einem unruhigen Schlaf hoch. Laute Stimmen draußen vor der Badezimmertür hatten sie geweckt. Die beiden Männer stritten sich.
Theresa zog sich an der Heizung hoch und rieb sich die Augen. Sie hatte von ihrer Tochter geträumt. In einem Ruderboot hatten sie gesessen, und die Kleine hatte das Boot gerade vom Ufer abgestoßen, als die lauten Stimmen in Theresas Bewusstsein gedrungen waren.
Sie hatte die feindliche Atmosphäre zwischen Barry und dem Kahlkopf schon gespürt, als vor ein paar Stunden plötzlich das Licht anging und der Mann mit den kalten grauen Augen im Türrahmen stand. Es musste noch Nacht gewesen sein, denn auch im Zimmer hinter dem Mann brannte Licht.
Ein Kratzer zog sich über seine linke Wange, und Theresa nahm an, dass sie ihm die Wunde bei ihrem Kampf im Auto beigebracht hatte. Diese Vermutung hatte sie mit Befriedigung erfüllt.
Der Mann - er war groß und breitschultrig, und seine Glatze glänzte auf seinem quadratischen Schädel - hatte sie böse gemustert. Ihr war nicht entgangen, dass sein Blick länger als nötig auf dem Mantel ruhte. Und auf dem Strick, mit dem Barry sie gefesselt hatte, um sie von den scheußlichen Handschellen zu befreien.
Dann hatte er sie nach dem Namen ihrer Lieblingspuppe gefragt. Theresa war sofort klar gewesen, worum es ging: William wollte ein Lebenszeichen.
Und die Idee, der Prinzessin eine Vergangenheit in einem irischen Antiquitätenladen zu geben, war ihr vom Himmel in den Kopf gefallen, so dachte sie hinterher.
Lieber Gott, lass die Polizei den Antiquitätenladen finden, den ich vor der Hofeinfahrt gesehen habe. Oder mach, dass sich jemand meldet, der Barry kennt.
Sie hatte keinen Zweifel daran, dass William ihre verschlüsselte Botschaft erhalten hatte. Und ganz bestimmt hatte er die Polizei eingeschaltet.
»Du bist hier nicht in deinem verdammten Pflegeheim, du Idiot!«, hörte sie den Kahlkopf brüllen. »Die wickelt dich doch um den Finger, verflucht noch mal!«, hörte Theresa seinen Bass dröhnen. »Gib’s zu! Die Alte tut dir Leid!«
Der andere sprach leiser, und Theresa konnte nicht verstehen, was er sagte.
Dann wieder die laute Stimme des Älteren. »Wahrscheinlich willst du sie ficken, du Hurensohn!«
Theresa zuckte zusammen.
Sie hörte das Geräusch eines umstürzenden Stuhls, eine Flasche fiel auf den Boden. Theresa hielt den Atem an.
Dann wieder die Bassstimme diesmal leiser und beschwichtigend. Kurz darauf schlug eine Tür, und dann war es still.
»Barry?« Theresa witterte ihre Chance mit dem Instinkt eines von allen Seiten eingekreisten Wildes. »Barry? Hören Sie mich?«
Der Rothaarige schien ihr im Grunde seines Herzens ein guter Kerl zu sein. Sie spürte, dass er unter seiner harten Schale einen zerbrechlichen Kern verbarg. Seine Augen verrieten ihr das. Und Theresa kannte die Menschen.
»Barry, kommen Sie doch bitte mal, ja?«
Es blieb still hinter der Tür. Theresa zog daraus den Schluss, dass sich Barry die Kritik des Älteren zu Herzen genommen hatte, und gab es auf, nach ihm zu rufen.
Plötzlich flammte doch noch die Glühbirne auf. Die Tür öffnete sich, und Barry stand davor.
Eine Zigarette hing in seinem Mundwinkel. In seiner Rechten hielt er ein Wasserglas mit einer bräunlichen Flüssigkeit. Whisky, vermutete Theresa.
»Barry, ich...«
Seine Augen waren unnatürlich geweitet. Als müsste er ständig etwas anstarren, was ihn quälte.
»Barry, haben Sie eine Zigarette für mich?«
Er wandte sich um, ging ins Zimmer zurück - Theresa registrierte das Tageslicht - und kam mit einer filterlosen Zigarette zurück. Wortlos reichte er sie ihr und gab ihr Feuer.
Sie zog ein paar Mal an der Zigarette, die ihr viel zu stark war, und betrachtete den jungen Mann.
Er war blass, und aus den geröteten Augen schloss sie, dass er viel getrunken hatte in den letzten Stunden. »Wie alt sind Sie, Barry?«
»27.« Er stand breitbeinig vor ihr, immer noch die Zigarette zwischen den Lippen und in der Rechten das halb volle Glas.
Theresa wunderte sich, weil er so bereitwillig antwortete. »Ich hatte eine Tochter, die wäre jetzt fast genauso alt wie Sie.«
Theresa betrachtete den Aschenkegel an der Spitze ihrer Zigarette, zögerte einen Moment und schnippte ihn dann einfach auf den Boden.
»Sie starb kurz vor ihrem sechsten Geburtstag. Heute Nacht habe ich von ihr geträumt.«
Das Zucken in seinem Gesicht entging ihr nicht.
»Sie war mir ganz nah.«
Barry drehte