Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
mit Todesfolge und versuchtem Totschlag. Seit der Entlassung abgetaucht.«
Kate lehnte sich zurück und wirkte unglaublich zufrieden. Ich hätte gern mit ihr getauscht.
»Lassen Sie das Bild an jedes Revier schicken«, sagte unser Chef. »Jeder Cop in jedem Streifenwagen muss es auf seinem Armaturenbrett vor sich sehen können.«
»Schon veranlasst«, erklärte Kate.
»Gut. Weiter.«
»Ich habe noch einmal über den verschlüsselten Hinweis von Mrs. Vanhouven nachgedacht.« Ich erwähnte nicht, bei welcher Gelegenheit ich darüber nachgedacht hatte, denn ich wollte die vergangene Nacht aus meinem Gedächtnis löschen. »Es will mir nicht in den Kopf, dass eine Frau, die klug und geistesgegenwärtig genug ist, uns einen Hinweis auf ihren Entführer und auf ihren möglichen Aufenthaltsort zu geben, nicht auch einen Hinweis auf Amsterdam in ihrer Botschaft versteckt, wenn sie tatsächlich dort wäre.«
»Vielleicht ein bisschen viel verlangt in der Situation, in der sie sich befindet.« Clive blieb skeptisch.
»Vielleicht«, sagte Milo, »vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ging sie davon aus, dass uns ihr Abflug nach Amsterdam bekannt ist und hielt diesen Hinweis für überflüssig. Vielleicht aber...« Er zögerte.
»... ging sie auch davon aus, dass wir wissen, welcher Fluggast am Montag seinen Flug nie angetreten hat«, ergänzte ich. »Nämlich sie.«
Alle sahen mich an.
»Du meinst, sie ist noch hier, in New York?«, fragte Kate.
Ich zuckte mit den Schultern. »Nur eine Theorie.«
»Vor deren Logik wir uns nicht verschließen können.« Mr. McKee lehnte sich nachdenklich zurück, dann sagte er: »An die Arbeit, Gentlemen - sämtliche Antiquitätenläden im Stadtgebiet von New York City müssen überprüft werden.«
»Ich hätte da noch was, Sir«, meldete sich Leslie zu Wort. »Ich hab mit der Werkstatt telefoniert, die den Benz der Vanhouvens repariert hat, der am Morgen der Entführung ja ausgefallen ist. Sie entsinnen sich deswegen hat die Frau das Taxi genommen.«
Der Chef nickte.
»Die Zündkabel waren kaputt. Der Mechaniker ist sich nicht so sicher, dass da ein Marder herumgeknabbert hat.«
»Lassen Sie das Auto bitte beschlagnahmen«, ordnete der Chef an. »Was ist eigentlich mit ihrem Fall, Clive?«
»Ich bin jetzt mit den juristischen Abteilungen einiger Versicherungsgesellschaften im Gespräch. Tatsächlich gibt es seit drei Jahren einen signifikanten Anstieg von Unfällen und anderen unerwarteten Todesfällen in der Upper Class unserer beschaulichen Stadt. Ich habe mir mal die Statistiken kommen lassen.« Er zog einige Blätter aus einer Klarsichthülle und reichte sie dem Chef. »Segelunfälle, Sportunfälle, akute Erkrankungen, Stürze, Autounfälle, Brände - es sieht ganz so aus, als würde unser Geldadel plötzlich unvorsichtiger mit seinem Leben umgehen als früher.«
Genau in diesem Augenblick schien unter meiner Schädeldecke ein rotes Licht anzugehen. Aber gleichzeitig klingelte auch das Telefon auf dem Schreibtisch von Mr. McKee.
Er nahm ab, und während er zuhörte, bildete sich eine tiefe Falte zwischen seinen Augenbrauen. Nach dem Gespräch lehnte er sich in seinen Sessel zurück und drückte die zusammengelegten Fingerspitzen an seine Lippen.
Einige Sekunden, in denen wir ihn erwartungsvoll anschauten, saß er so. Dann schnellte er plötzlich nach vorne.
»Nehmen Sie bitte Kontakt mit der Telefongesellschaft auf. Wir brauchen die Nummer, die Vanhouven am Montagvormittag gewählt hat.«
Wir mussten wohl ziemlich begriffsstutzige Gesichter machen. Der Chef sah uns eindringlich an und senkte seine Stimme.
»Einer der Detektive von der City Police, die bei den Taxi-Unternehmen recherchiert haben, war gerade am Apparat. Am Montagvormittag in der fraglichen Zeit zwischen 9 Uhr 15 und 9 Uhr 30 wurde kein Taxi zur Vanhouven Adresse bestellt. Bei keiner Taxizentrale.«
20
Die Eingangshalle des Hotels sah aus wie eine Galerie. An zahlreichen Stellwänden hingen Bilder junger New Yorker Künstler.
Als Silvester Cord eintrat, spielte gerade eine Jazzband. Ein Kellner in bordeauxroter Livree und mit einem Silbertablett voller Champagnergläser eilte an ihm vorbei.
Cord nahm sich ein Glas Champus und sah sich um.
Vor der improvisierten Bühne zwischen zwei Aufzugtüren stand eine Menge elegantes Volk aus der High Society der Upper East Side. Männer und Frauen in feinem Tuch, die sich an ihren Sektkelchen festhielten und der Band lauschten.
Einige kannte Cord und nickte ihnen grüßend zu, wenn sich seine Blicke mit den ihren trafen. Befriedigt registrierte er zwei oder drei Frauen, die ihn interessiert musterten.
Nicht weit von der Band entfernt standen, etwas exponiert, eine schwarzhaarige Frau und ein kleiner, drahtiger Endfünfziger, den Cord kannte. Er bekleidete irgendeinen Posten in der Stadtregierung. Wenn Cord sich recht erinnerte, hatte er etwas mit dem Gesundheitswesen zu tun.
Die Frau Ende 30, Anfang 40 trug ein ultrateures Seidenkostüm und war mit teurem Schmuck behängt. Allein die Perlenkette um ihren Hals mochte gut und gerne 20.000 wert sein, schätzte Cord.
Die Jazz Musik verklang, Beifall brandete auf, und ein Mann, dessen Turnschuhe und T-Shirt die Wirkung seines kobaltblauen Seidenanzuges erst richtig zur Geltung brachte, trat hinter das Mikrofon. So eine Art Moderator, schätzte Cord.
»Ladies und Gentlemen - Sie hörten die Brooklyn Blue Notes!« Wieder Beifall. Damit stellte er die einzelnen Musiker mit Namen vor. Seine Stimme klang angestrengt und affektiert.
Ein Werbespot für deutsches Bier fiel Cord ein, mit dem zurzeit das amerikanische Fernsehvolk belästigt wurde. Der Mann in dem Spot hatte die gleiche affektierte Stimme.
»Und jetzt zum Höhepunkt des Abends.« Er wies auf den drahtigen Mann neben der weißen Lady. »Mr. Anthony Bowman, Mitglied des Stadtrats, wird zu uns sprechen! Herzlich Willkommen, Mr. Bowman!«
Wieder Beifall.
Der Mann bedankte sich mit pathetischen Gesten und trat ans Mikrofon.
»Zunächst habe ich die Ehre, Ihnen allen die besten Grüße unseres verehrten Bürgermeisters auszurichten. Und dann gleich eine Korrektur: Nicht mein Grußwort ist der Höhepunkt dieses Abends, sondern die Anwesenheit dieser von uns allen hochgeschätzten Dame!«
Er machte eine weit ausladende Handbewegung zu der Frau im Seidenkostüm hin.
»Mrs. Modeste Goldberg!«
Und wieder gab es Beifall.
Cord spähte nach links zur Rezeption, wo neben einem breiten Treppenaufgang das Büfett aufgebaut war.
»Mrs. Goldberg haben wir nicht nur die Einladung zu diesem reizenden Abend zu verdanken«, sprach indessen der Mann am Mikrofon weiter, »sondern auch die Idee, junge New Yorker Künstler in einer Ausstellung zu präsentieren.«
Langsam zog sich Cord in Richtung Büfett zurück, wo schon einige Gäste sich heimlich ein paar der Köstlichkeiten einverleibten.
»Vor allem aber haben wir Mrs. Goldberg die Stiftung Kunst gegen den Krebs zu verdanken, die sie mit dem heutigen Abend ins Leben ruft.«
Schon wieder Beifall. Cord bekam noch mit, dass die Hälfte der Dollars, die durch den Verkauf der Bilder eingenommen würden, für krebskranke Kinder verwendet werden sollten. Schön, dass es noch ein paar sozial gesinnte Menschen gibt in Great Babylon, dachte er und konzentrierte sich auf das Büfett.
Nach der ellenlangen Rede des Stadtpolitikers spielte wieder die Band. Cord nutzte die Gelegenheit, sich an den Moderator heranzupirschen.
»Entschuldigen