Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
ja, ich habe einen Termin mit ihr wegen eines Beratungsgesprächs.«
Das gekünstelte Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Mannes. »Mein Name ist Gordoner. Ich vertrete unsere Geschäftsführerin.« Seine Stimme hatte jede Affektiertheit verloren. »Bitte gedulden Sie sich ein wenig, ich werde Ihnen das Gespräch vermitteln.«
Cord zog sich wieder an das Büfett zurück, behielt den Mann aber im Auge. Er beobachtete, wie er dieser Stiftungsgründerin, der Frau im Seidenkostüm, etwas ins Ohr flüsterte. Kurz darauf, die Band verneigte sich gerade vor dem applaudierenden Publikum, kam er auf Cord zu.
»Bitte folgen Sie mir, Mister...?«
»Silvester Cord.«
»Hier entlang, Mr. Cord.« Der Kerl im blauen Anzug lotste ihn zum Treppenaufgang, und sie stiegen die Stufen hoch.
Cord überlegte, ob er sich nicht auch ein Paar Turnschuhe für seine Abendgarderobe zulegen sollte.
In der ersten Etage nahmen sie den Aufzug. »Ich wollte unten nicht vor aller Augen mit Ihnen in den Aufzug steigen«, erklärte der Turnschuh Mann dem verwunderten Cord. »Diskretion wird bei uns groß geschrieben.«
Sie fuhren in den sechsten Stock. Cord folgte dem Mann in eine Hotelsuite. Die Räume lösten bei Cord beklemmende Erinnerungen an seinen Bankrott aus - Möbel, Wandschmuck, das ganze Inventar war mehr als nur japanisch angehaucht. An den Wänden Tuschemalereien mit Landschaftsmotiven und Porträts schlitzäugiger Menschen, Porzellanfiguren in Regalen und Vitrinen, Brokatstickereien mit Kirschblütenmotiven auf dem Tisch und über dem Bett, Samuraischwerter an der Wand hinter der zerbrechlich wirkenden Sitzgruppe und Zwergbäume an jeder nur erdenklichen Stelle. Irgendwo plätscherte ein Springbrunnen.
Gordoner musste seine Verblüffung bemerkt haben. »Unsere Chefin hat ein Faible für Japan«, erklärte er.
Das hatte ich auch mal, lag Cord auf der Zunge, er sprach es aber nicht aus.
»Wir müssen uns einen Augenblick gedulden«, sagte Gordoner und bot Cord Platz an, dann einen Whisky und begann einen Small Talk.
Cord fühlte sich ausgehorcht. Aber so was ließ sich wohl in seiner Lage nicht vermeiden.
Sie warteten länger als eine halbe Stunde. Endlich ging die Tür auf, und die Frau im Seidenkostüm kam herein.
Sie reichte Cord, der aufgestanden war, die Hand. »Modeste Goldberg. Mrs. Erikson hat mich auf Ihren Besuch vorbereitet, Mr. Cord.«
Cord war verwirrt. Hatte er nicht eben etwas von Stiftung und Künstlern gegen den Krebs gehört?
Die Frau musterte ihn aus grünen, hellwachen Augen. »Stimmt etwas nicht, Mr. Cord?« Offenbar konnte sie Gedanken lesen.
»Doch, doch«, beeilte sich Cord zu sagen. »Es ist nur... wie soll ich sagen... ein wenig ungewöhnlich - ich habe eben die Rede gehört, und...«
»Meine Interessen sind weit gefächert«, sagte sie, »und meine Geschäfte auch.« Sie lächelte unablässig. »Aber kommen wir zur Sache. Womit kann ich Ihnen dienen?«
Cord druckste ein wenig herum. Sie half ihm auf die Sprünge. »Mrs. Erikson hat angedeutet, dass Sie in finanziellen Schwierigkeiten stecken und daran denken, entsprechende Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.«
»Ja, so ist es.« Er räusperte sich und erzählte von seinem Bankrott. Und von seinem Vater. »Sein Geld ist meine einzige Rettung. Vielleicht hat er es längst an seine Freundin vermacht. Vermutlich werde ich das die nächsten 20 Jahre nicht erfahren, denn mein Vater erfreut sich bester Gesundheit.«
»Und das würden Sie gerne ändern.«
Er wich ihrem bohrenden Blick aus und nickte stumm.
»Sprechen Sie es offen aus, Mr. Cord. Aus diesen Räumen hat noch nie ein Wort den Weg nach draußen gefunden.« Herausfordernd fixierte sie ihn. »Sagen Sie mir klipp und klar, was wir für Sie tun sollen.«
Unruhig rutschte er auf seinem Sessel hin und her. »Ich... also... ich will, dass Sie meinen Vater... dass Sie ihn aus dem Weg räumen. Samt seiner Freundin. Und es muss wie ein Unfall aussehen. So wie bei Bob Erikson.«
Sie schwieg einige Augenblicke, nickte dann langsam und sagte: »Gut. Das war ein klarer Auftrag. Wir nehmen zehn Prozent des Auftragswerts, also des hinterlassenen Vermögens Ihres Vaters, einschließlich Versicherungssummen und so weiter. Zuzüglich unserer Auslagen.«
Cord überschlug die Summe im Kopf. Das Honorar für diesen Mord würde gut und gern zwei Millionen betragen.
»Sie brauchen sich im Übrigen keine Sorgen zu machen, wir haben Mittel und Wege, uns selbst über die Summe zu informieren, um die es geht.« Sie stand auf und strich ihren Rock glatt. »Sie werden jetzt Mr. Gordoner alles über ihren Vater und seine Lebensgefährtin erzählen. Alles, was Sie wissen. Er wird ihr Kontaktmann sein.«
Sie reichte ihm die Hand. »Auf Wiedersehen, Mr. Cord, hat mich sehr gefreut.«
Cord fehlten die Worte. Er fühlte sich vollkommen überrumpelt.
»Ach ja, Mr. Cord, nicht dass Sie sich über meine offene Art wundern. Ich habe natürlich Erkundigungen über Sie eingezogen. Und...«, sie ging zu einem Wandschrank und öffnete eine Tür. Eine Videokamera kam zum Vorschein, »ich habe selbstverständlich unser Gespräch dokumentiert. Unser Vertrag gewissermaßen. Wir sind jetzt Geschäftspartner und sitzen in einem Boot, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
Cord verstand sogar sehr gut...
21
»Noch einen Whisky, Chef.«
Der Wirt zog die Augenbrauen hoch und zögerte zunächst. »Hast du Sorgen, Kumpel?« Dann nahm er doch das leere Glas weg, das vor Barry auf der Theke gestanden hatte, und griff sich ein frisches aus dem Regal hinter ihm.
»Schon möglich.« Barrys Zunge gehorchte ihm noch einigermaßen. Er konnte mindestens das Doppelte von dem vertragen, was er bisher intus hatte.
»Das ist dein siebter, weißt du?«, sagte der Wirt.
Barry brummte irgendetwas Unverständliches.
Die Bar war gerammelt voll. Fast ausschließlich Männer. Die meisten hingen mit den Augen an dem Bildschirm, der auf einem Eckregal knapp über der Eingangstür flimmerte. Football die Chicago Bulls versuchten ihren Tabellenplatz gegen die Sacramento Kings zu verteidigen, stellten sich dabei aber ziemlich dämlich an, so dass sie schon mit zwei Punkten im Rückstand lagen. Barry sah zwar kaum hin, aber so viel hatte er dem Gebrüll um sich herum entnommen.
Barry kramte in seiner Jackentasche herum und zog den Umschlag mit dem Flugticket heraus. Er legte ihn neben sein Whiskyglas und zündete sich eine Zigarette an.
»Willste verreisen?« Der Wirt deutete mit einer Kopfbewegung auf das Ticket.
»Kann sein.«
»Weit weg?«
»Schon möglich.« Barry blies dem Wirt den Zigarettenrauch ins Gesicht.
Der Mann kapierte und gab es auf, seinen wortkargen Gast in ein Gespräch verwickeln zu wollen. Es sah ganz so aus, als würde ihm der Whisky auch ohne Unterhaltung schmecken. Und das war die Hauptsache.
Das Ticket lag vor Barry, und es war mehr als nur ein Flugticket. Es war das Schlupfloch in eine Welt, wo er den ganzen Mist vergessen konnte: Den perversen Kahlkopf, die geile Marilyn, die unheimliche Chefin. Und die Frau mit dem flehenden Blick.
Quatsch!, sagte eine Stimme in Barry. In deinem verdammten Schädel nimmst du den ganzen Scheiß mit. Und die Chefin wird dich wieder krallen, du Arsch. Spätestens nach der Entziehungskur.
Er nahm das Ticket in die Hand und betrachtete es. Weit weg. Los Angeles. Für die Frau im Badezimmer würde es eine noch längere Reise werden. Eine höllisch weite Reise...
Die