Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode
der Genehmigung zur Ausreise aus der DDR zwecks Übersiedlung in die BRD, mit dem Ziel der Familienzusammenführung mit dem Bruder meiner Frau.
Dieses Gesuch wurde in einer Aussprache in der Abt. Innere Angelegenheiten am 26.7.1984 abgelehnt.
Seit diesem Zeitpunkt haben wir dieses Gesuch mehrfach schriftlich und auch mündlich wiederholt.
Seit Juni 1984 haben wir einige Maßregelungen über uns ergehen lassen müssen, wie z.B. Entzug meiner Lehrberechtigung und die Androhung der Kündigung zum 31.8.1985, was dann in eine Umbesetzung mit der Reduzierung meines Gehaltes um 40% abgeändert wurde, Umbesetzung meiner Frau innerhalb von Magdeburg mit der Übertragung einer anderen Arbeitsaufgabe, was sie zur Kündigung nach einer über 20-jährigen Tätigkeit im Gesundheitswesen veranlaßt hat, Verhinderung einer gebuchten Urlaubsreise nach Rumänien, Entzug der Personalausweise.
Nun die Verweigerung der Einreise unserer Tochter in das Sperrgebiet und damit Entzug der Möglichkeit für sie, einen Beruf zu erlernen, der ihren Fähigkeiten und Wünschen entspricht.
Wir glauben nicht, daß es im Sinn der von Ihnen vertretenen Politik ist, daß man uns und unseren Kindern, wir haben noch einen 7-jährigen Sohn, einerseits die Übersiedlung in die BRD versagt, aber anderseits jede Gelegenheit nutzt, unser Leben in einer Weise zu beeinflussen, die wenig Hoffnung für unsere Zukunft erwarten läßt, so daß wir eine letzte Möglichkeit in diesem Schreiben an Sie, Herr Staatsratsvorsitzender, sehen.
Sehr geehrter Herr Staatsratsvorsitzender, wir bitten Sie hiermit um Ihre Hilfe und Unterstützung, daß unserem Antrag auf Übersiedlung stattgegeben wird.
Für Ihre Bemühungen bedanken wir uns im voraus.«
Hier eine Bemerkung zu solchen Briefen: [13.]86
»Trotz aller Bemühungen des MfS erhöhte sich kontinuierlich die Zahl der Ausreiseantragsteller und deren Bereitschaft, ihre Anliegen offensiv zu vertreten. Laut Jahresanalysen der ZKG (Zentrale Koordinierungsgruppe. Bekämpfung von Flucht und Übersiedlung) stieg die Zahl der Antragsteller, die im Zusammenhang mit ihrem Ausreisebegehren Schreiben an "führende Persönlichkeiten der DDR" richteten, von rund 28.000 im Jahre 1985 auf 30.000 im Jahre 1986.«
Nachdem ich diesen Brief am folgenden Tag zur Post gebracht hatte, war mir erst einmal wohler. Die mit Spannung erwartete Antwort erreichte uns am 6. Dezember. Nachfolgend die Kernaussage:
»Über den von Ihnen geschilderten Sachverhalt haben wir entsprechend seiner sachlichen Zuständigkeit den Rat der Stadt Magdeburg, Abteilung Berufsausbildung und Berufsberatung, verständigt.
Von dort wird geprüft und Ihnen weiterer Bescheid erteilt. …«
Bis zum Jahresende bekamen wir keinen Bescheid vom Rat der Stadt Magdeburg, Abt. Berufsausbildung und Berufsberatung!
Eine Woche vor Weihnachten brachten wir uns bei der Abt. Innere Angelegenheiten des Rates der Stadt Magdeburg wieder einmal in Erinnerung, indem wir unser 13. Gesuch auf Übersiedlung an sie schickten.
Am 574. Tag unserer Antragstellung, es war Silvester, fuhren Rosemarie und ich mit unserer Freundin Anna im Zug zu unseren gemeinsamen Freunden nach Berlin. Die Fahrt war schon sehr lustig. Abends waren wir im schönen Brechttheater am Schiffbauerdamm. Die Veranstaltung stand im Zeichen von Bertold Brecht und Kurt Weill, mit Gesang von Gisela May. Es war sehr schön. Leider hatte ich mir, wohl durch eine falsche Bewegung beim Hinsetzen, einen Nerv eingeklemmt, was mich im weiteren Verlauf des Abends doch recht behinderte.
79 Seite 42 (46)
80 Rahmenkollektivvertrag
81 Pharmazeutischen Zentrums
82 sozialistischer Leiter
83 Duden - Deutschen Universalwörterbuch – Mannheim, Wien, Zürich: Dudenverlag, 2., völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage 1989
84 VEB Braunkohlenwerk
85 VEB Magdeburger Armaturenwerke „Karl Marx“
86 Seite 40
6. Die unsichtbare Front 1985
Am 5. Januar 1985 wurde durch einen operativen Mitarbeiter der Abt. XX/8 des MfS/BV Magdeburg die Akte zur „Operative Personen Kontrolle“87 mit der Reg.-Nr. VII 22/85 "WALPURGIS" eingerichtet und durch den Leiter der Abteilung XX, Oberstleutnant Reif, bestätigt. [1]88
In dem
»Bericht zur Einleitung der OPK "Walpurgis"«
ist alles, was bis zu diesem Zeitpunkt über uns in „Erfahrung“ gebracht wurde – Tatsachen und Unwahrheiten – zusammengefasst.
Nach den Angaben zu unserer Person folgt:
»unter OPK zu stellen mit dem Ziel:
– der Klärung der politischen Einstellung zur sozialistischen Gesellschaft
– der Erarbeitung von Hinweisen auf Vorbereitungshandlungen zum ungesetzlichen Verlassen der DDR und deren Verhinderung
– der Verhinderung des Abflusses geheimzuhaltender Informationen aus der Forschung an der Technischen Hochschule Magdeburg
– der operativen Kontrolle über Verhalten, Auftreten, Kontaktbeziehungen und Aktivitäten zur Verwirklichung der Vorstellungen zur Übersiedlung nach der BRD
– der endgültigen Abstandnahme von Übersiedlungsanträgen und Übersiedlungsabsichten.
2. Begründung der Notwendigkeit der Einleitung einer OPK:
Am 06. 06. 1984 stellte der B. beim Rat der Stadt Magdeburg, Abteilung Inneres einen Antrag zur Übersiedlung in die BRD für sich und seine Familie.
Er berief sich dabei auf die Schlußdokumente des Madrider Treffens der Teilnehmerstaaten der KSZE. …
Der Antrag wurde entgegengenommen und unter der Nummer 1622 registriert. Eine Auskunft erfolgte nicht. Weitere Anträge erfolgten bisher nicht.89 …
Der B. ist Dipl.-Ing. und Dr.-Ing. für Regelungstechnik und arbeitet an der Technischen Hochschule seit 1970 als wissenschaftlicher Assistent. Seit 1978 als wissenschaftlicher Oberassistent. Er ist in der Sektion Technische Kybernetik und Elektrotechnik im WB Regelungstechnik und Prozeßsteuerungen, WBL90 Prof. -----, tätig und wird hier als guter Fachmann auf dem Gebiet der Regelungstechnik eingeschätzt.
Der B. wurde 1979 für einen dreijährigen Einsatz91 als Auslandskader mit Familie in Mocambique bestätigt. Der Einsatz begann am 24. 9. 1979 als Hochschullehrer an der Universität Maputo. Am 8. Februar 1980 wurde der B. aufgrund überheblicher, egoistischer und kleinbürgerlicher Verhaltensweisen in die DDR zurückgeschickt und als Auslands- und Reisekader zurückgezogen.92
Er hat den mocambiquanischen Partner in Schwierigkeiten durch seine maßlosen Forderungen gebracht und hat dadurch auch das Kollektiv der anderen DDR-Bürger herabgewürdigt und in Mißkredit gebracht.
Durch die Vorbereitung auf diesen Einsatz (Sprachausbildung) sowie den Aufenthalt seiner Familie in der VR M entstand der DDR ein hoher finanzieller und ideologischer Schaden. Tendenzen zur Überheblichkeit traten bereits 1960 zutage und in mehreren Einschätzungen wurde auf die angeführten negativen Charaktereigenschaften des B. verwiesen.93
Der B. … wurde … in einen neuen Aufgabenkomplex, die Schnellpyrolyseforschung einbezogen. Seit 1983 arbeitet er an diesem bedeutsamsten Forschungsthema an der THM. Hier leistete er eine gute Arbeit und stand zur Zeit seiner Antragstellung unmittelbar vor einer VVS-Verpflichtung aufgrund seiner umfangreichen Kenntnisse zum Staatsplanthema. …
Fachleute der Technischen Hochschule Magdeburg halten bei den