Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode
werden, bitte ich um Aufhebung meines Arbeitsrechtsverhältnisses zum 30.6.1985.
Bitte teilen Sie mir Ihre Entscheidung mit.«
In einem Gespräch, welches Rosemarie am 3. Juni mit der Genossin Stellvertreter führte, lehnte diese die mit Schreiben vom 29. Mai ausgesprochene Bitte ab. Sie empfahl Rosemarie die Kündigung, als einzige Möglichkeit, einen Ausweg aus der bestehenden Situation zu finden. Daraufhin erneuerte Rosemarie ihre Bitte, sie als mitarbeitende Apothekerin in ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich zu belassen. Auch darauf erhielt sie eine abschlägige Antwort, sodass sie, physisch am Ende und verzweifelt, zum 30. Juni, gezwungenermaßen, die Kündigung einreichte:
»Auf Grund meines Schreibens vom 29.5.1985 wurde mit mir ein Gespräch geführt, bei dem mir die Stellvertreterin des Direktors ----- mitteilte, daß sowohl meiner Bitte um ein ruhendes Arbeitsrechtsverhältnis für die Zeit von 6 Monaten, als auch meiner Bitte um Aufhebung meines Arbeitsrechtsverhältnisses nicht stattgegeben werden kann.
Als Ausweg aus der bestehenden Situation wurde nur die Kündigung als einzige Möglichkeit genannt.
Auf meine erneute Bitte, mich als mitarbeitende Apothekerin in meinem bisherigen Tätigkeitsbereich zu belassen, bekam ich eine abschlägige Antwort.
Da die Probleme, die zu meinem Schreiben vom 29.5.1985 führten, somit für mich weiterbestehen, sehe ich keine andere Möglichkeit als die Lösung meines Arbeitsrechtsverhältnisses durch Kündigung zum 30.6.1985.«
Die Kernaussage des Antwortschreibens des Pharmazeutischen Zentrums Magdeburg/Wolmirstedt vom 7. Juni lautete:
»…In unserem persönlichen Gespräch am 3.06.1985 erhielten Sie von mir die Mitteilung, daß seitens des Betriebes einem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt werden kann. Daraufhin wurde Ihrerseits spontan die Frage der Kündigung gestellt, die ich entsprechend AGB beantwortete.
Den Satz aus Ihrem Kündigungsschreiben "Als Ausweg aus der bestehenden Situation wurde mir die Kündigung als einzige Möglichkeit genannt", muß ich daher entschieden zurückweisen.«
Sicher hat sich die Genossin Stellvertreter vorgestellt, wenn wir die Frau Bode richtig in die Enge treiben, dann wird sie ihren Ausreiseantrag zurückziehen und dann kann man ja sehen, wie es weitergeht, aber einzugestehen, dass alle von Seiten des Betriebes gegen Rosemarie betriebenen Maßnahmen nur dem einen Ziel dienten, sie zu tiefst zu demütigen und zu diskreditieren, dazu hatte sie nicht den Mut! Auch war so ein Verhalten nicht Gegenstand des AGB.
Rosemarie unterschrieb das ihr am 11. Juni zugegangene Kündigungsschreiben. Drei Tage später wurde ihr die nachfolgend angeführte Beurteilung ausgehändigt:
»Frau Rosemarie Bode, … war seit dem 15.12.1981 als Fachgebietsleiter in der Abteilung Arzneimittelherstellung des Pharmazeutischen Zentrums Magdeburg/Wolmirstedt tätig.
Sie hat das Arbeitsrechtsverhältnis zum 30.6.1985 gekündigt.
Frau Bode zeigte in der Funktion des Fachgebietsleiters stets eine positive Einstellung zur Arbeit. Sie hat es gut verstanden, die Mitarbeiter fachlich anzuleiten und zu hohen Arbeitsleistungen zu motivieren.
Auf der Basis ihrer jahrelangen Berufserfahrung verfügt Frau Bode über ein breites Spektrum pharmazeutischer Kenntnisse. Sie zeigte sich neuen Entwicklungen gegenüber stets aufgeschlossen und strebte danach, ihr Wissen selbständig zu erweitern und zu vertiefen.
Ihre Arbeitsweise war zielstrebig, sie verfolgte hartnäckig berufliche Aufgaben und Zielstellungen.
Als Leiter war sie ihrem Kollektiv gegenüber kollegial, aber auch offen, wenn es um Lob oder Kritik ging.
Den Mitarbeitern stand sie fachlich aber auch privat jederzeit hilfsbereit zur Seite.
Sie hat in ihrem Kollektiv aktiv den kollegialen Zusammenhalt gefördert.«
An Hand des Kürzels ist zu erkennen, dass der Verfasser ihr unmittelbarer Vorgesetzter war. Eine derart positive Beurteilung für eine Ausreisewillige in dieser Situation zu schreiben, erforderte schon sehr viel Zivilcourage!
Am 24. Juni schrieb Rosemarie erneut an das Pharmazeutischen Zentrum Magdeburg / Wolmirstedt. Sie nahm darin zu dem Inhalt des Schreibens vom 7. Juni wie folgt Stellung:
»Wertes Frl. -----!
Zu Ihrem Schreiben vom 7.6.85, welches ich am 14.6.85 erhielt, möchte ich folgendermaßen Stellung nehmen:
Auf Ihre Mitteilung, daß weder einem ruhenden Arbeitsverhältnis für 6 Monate, noch einem Aufhebungsvertrag vom Betrieb zugestimmt werden kann, war meine spontane Reaktion die Frage nach der Kündigung. Sie verwiesen mich auf die Möglichkeit, die ich nach dem AGB besitze.
Ich weiß nicht, welche andere Möglichkeit Sie für mich im AGB gesehen haben, zu mindest nannten Sie mir keine.
Für das schon im Schreiben vom 29.5.85 aufgezeigte, rein menschliche Problem, konnten Sie mir auch im letzten Gespräch keinen Ausweg zeigen.
Fakt ist, daß ich gerne noch weiter in meinem bisherigen Tätigkeitsgebiet, auch als „mitarbeitende Apothekerin“ gearbeitet hätte.
Der Grund, weshalb das nicht möglich war, ist mir bis heute nicht genannt worden.
Eine Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt war nicht in meinem Interesse und ich muß es nochmals betonen, daß Sie mir keinen anderen Ausweg genannt haben.«
Eine Antwort auf dieses Schreiben erhielt Rosemarie nicht. Die Leitung des Pharmazeutischen Zentrums war sicherlich froh, das Problem mit der ausreisewilligen leitenden Apothekerin so gelöst zu haben!
Am 20. Juni schickten wir das 7. Gesuch auf Übersiedlung an die Abt. Innere Angelegenheiten des Rates der Stadt Magdeburg.
Es gab kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Ereignis, sei es ein Brief, eine Aussprache, eine Tätigkeit usw. uns im Zusammenhang mit unserem Wunsch, von Deutschland nach Deutschland zu ziehen, konfrontierte bzw. wir aktiv waren, um zu dokumentieren: „Niemand muss glauben, dass wir jemals den Ausreiseantrag zurückziehen!“ So war es auch mit dem 3. Juli, denn an diesem Tag entfernte ich alle Akten aus meinem Einzelzimmer E14 im E-Gebäude und zog offiziell in das Zimmer F12 des F-Gebäudes. Hier saß ich zusammen mit der Leiterin der Ausgabe. Da ich noch nicht offizielle aufgefordert wurde, das Zimmer E14 zu übergeben, nutzte ich es von Zeit zu Zeit als Rückzugsort, denn im Zimmer F12 war es mir teilweise zu turbulent!
Manchmal gab es auch Erfreuliches, so erhielt ich am 4. Juli die Mitteilung, dass mein Gehalt um 30 Mark, auf 1.030 Mark erhöht wurde.
Um uns immer wieder in Erinnerung zu bringen, schickten wir am 11. Juli unser 8. Gesuch auf Übersiedlung an die Abt. Innere Angelegenheiten des Rates der Stadt Magdeburg.
Da wir bei der Ausreise keinerlei Besitz in der DDR zurücklassen durften, mussten wir uns darüber Gedanken machen, was aus unserm Wochenendgrundstück in Wahlitz wird. Dieses Grundstück hatten wir 1976 für 99 Jahre von der LPG in Wahlitz gepachtet. In einem Gespräch am 22. Juli, welches ich mit dem LPG-Vorsitzende über einen Verkauf unseres Wochenendgrundstücks führte, legte ich ihm einen von uns vorbereiteten Kaufvertrag vor. Er unterschrieb und genehmigte damit den Kaufvertrag und sagte: „Erst wollen Sie unbedingt ein Stück Land haben und dann verkaufen Sie es wieder!“ Aber so weit war es ja noch nicht. Noch waren wir froh, das Wochenendgrundstück zu haben, denn zu dieser Zeit wohnten wir dort.
Wie schwer Rosemarie der Verlust ihrer Tätigkeit als Apothekerin gefallen sein muss, lässt sich in ungefähr aus ihren Aufzeichnungen entnehmen, die sie vermutlich im Juli anfertigte:
»Seit dem 15.12.1981 arbeitete ich, (R. B., geb. W.), als Fachgebietsleiter in der Abteilung Arzneimittelherstellung des Pharmaz. Zentr.81 Magd. / Wolmirstedt. Am 6.6.1984 stellte ich mit