Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode

Der lange Weg in die Freiheit! Deckname


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Eigentum Moçambique verlassen kann.

      Das Ganze hat wohl etwa fünf Wochen gedauert, immer wieder bekam ich zu hören „amanhã“, d.h. ich sollte morgen wiederkommen, aber da saß ich wieder vor dem großen blankpolierten Schreibtisch, auf dem ganz oben in einer Ecke ein Zettelchen von maximal 5 cm im Quadrat lag, auf dem am Vortag von einem würdigen Schwarzafrikaner mein Problem skizziert worden war!

      Geschehen war damit offenbar nichts, denn der Herr ließ sich am nächsten Tag wieder alles von mir erzählen und wollte wieder zu solch einem Zettel greifen. Ich zeigte aber in diesem Moment auf das bereits auf dem Schreibtisch liegende Zettelchen, er stutzte, schien mich Weißgesicht nun wohl doch erkannt zu haben und begann das Problem einer Lösung zu zuführen. Letztlich, zwei Tage vor dem Abflug, waren dann doch alle Papiere zusammen.

      Eine Woche vor der Abreise leistete ich meinen letzten Nachtdienst in der Botschaft und am letzten Freitag gelang es mir mit Hilfe einer Kollegin und eines Kollegen, zwei in dieser Angelegenheit sehr versierte Mitglieder der Uni-Gruppe, unsere stark lädierten und mit Farbe gekennzeichneten Koffer als Luftfracht erfolgreich durch den Zoll zu bringen. Am Sonntag empfingen wir noch einmal viel Besuch, der das Bedürfnis hatte, sich von uns zu verabschieden.

      Am 11. Februar 1980 war dann ein Viertel nach Vier unsere letzte Nacht in Afrika beendet. Eine halbe bzw. eine Stunde später wurden unsere Tochter bzw. unser Sohn geweckt, anschließend frühstückten wir.

      Um 6 Uhr brachte mich eine in Sachen Ausreise versierte Vertreterin der Gruppe und die Koffer zum Flughafen. Der Zoll durchsuchte jeden Koffer, beanstandete aber nichts. Das Kofferwiegen dauerte sehr lange, warum? Wir sollten es zu Hause beim Auspacken erfahren, es fehlten einige elektrische Geräte! Wir hätten, wie wir später erfuhren, die Koffer wie ein Paket verschnüren sollen, sodass das Öffnen schwieriger gewesen wäre, na ja, wir konnten es verschmerzen.

      Gegen 6: 30 wurden Rosemarie und die Kinder zur Fahrt zum Flughafen abgeholt. Nun sollte es in den Transitraum gehen. Zunächst wollte man wieder „selos“ für die „guia de marcha“ und dann kam es! Wie anfangs berichtet, hatten wir bei der Einreise verabsäumt, dass in den Reisepass unserer Tochter die Einreise durch einen Stempel bestätigt wurde. Der aufmerksame Beamte hinter seinem Schalter konnte somit natürlich diesen Stempel auch nicht finden und ließ unsere Tochter nicht passieren! Was nun, alles Reden und Diskutieren half nichts, sie kam nicht durch die Kontrolle.

      In meiner Not, dachte ich mir, wenn ich mich ganz breit vor das schmale Schalterfenster stelle, dann kann der hinter dem Fenster Sitzende nicht sehen, was vor dem Schalter passiert. Kurz Rosemarie von meinem Plan informiert, dass sie mit beiden Kindern hinter meinem Rücken in den Transitraum flüchtet, was dann auch geklappt hat, dann drängten sich schon die nächsten Reisenden an den Schalter und ich war, im wahrsten Sinne, weg vom Fenster! Ganz wohl war uns nicht, aber das waren wir ja in den letzten Monaten gewöhnt.

      Nach ihrem Reisepass war unsere Tochter somit niemals in Moçambique gewesen. Beim Eintritt in den Transitraum erfolgte die Zollkontrolle ohne Probleme, nur ich musste eine recht ausführliche Leibesvisitation über mich ergehen lassen. Um 9: 35 wurden wir schließlich zum Flugzeug, eine IL62 der Interflug, gebracht. Die Kabine kam uns zunächst sehr kalt vor, denn sie war auf 20 °C heruntergekühlt worden! Wir atmeten erst einmal tief durch, wie die Kabinentüren geschlossen wurden. Aber die Maschine rollte nicht an! Nach geraumer Zeit wurde eine Ladeluke wieder geöffnet, um etwas auszuladen. Endlich um 10: 05 starte die Maschine. Es waren gute Sichtverhältnisse, wir flogen in 11.000 Meter Höhe mit einer Geschwindigkeit von 850 Kilometer pro Stunde. Nach ca. zwei Stunden überflogen wir Lusaka und nahmen Kurs auf Angola. Nach vier Stunden Flugzeit begann der Landeanflug auf Luanda, der Hauptstadt von Angola, wo wir um 14: 15 landeten.

      Beim Ausrollen hatte man das Gefühl, wenn die Maschine jetzt nicht zum Stehen kommt, dann stehen wir nicht auf dem Rollfeld, sondern landen im Ozean. Es ging aber alles gut, denn die Maschine wurde rechtzeitig abgebremst! Der Luanda Airport empfing uns mit 30 °C, schwül und nicht sehr sauber. Nach etwas mehr als eindreiviertel Stunden erfolgte der Start und der Flug führte entlang der westafrikanischen Küste, bis wir um 18: 35 in Lagos landeten. Dieser Flughafen beeindruckte uns sehr, denn in Maputo und Luanda waren wir mit unserem Flugzeug ziemlich allein, aber in Lagos war unsere Maschine eine von sehr vielen. Wie wir zum Terminal rollten, landete schon die nächste Maschine usw. Hier waren es nur 23 °C. Der Transitraum war schon wesentlich besser eingerichtet und gepflegt, als wir es von Lissabon und Luanda kannten.

      Wenn wir das, was wir in den nächsten Jahren erleben sollten, vorausgeahnt hätten, wäre es sicher angebracht gewesen, den Transitraum nicht in Richtung Interflug-Maschine, sondern in die Freiheit zu verlassen, uns wäre viel erspart worden. Auch wäre wohl unser Start in der Bundesrepublik einfacher verlaufen, denn ich war vierzig und nicht, wie bei der Übersiedlung in die Bundesrepublik, fünfzig Jahre alt. Ich habe immer noch das Bild vor Augen, wie wir vom Transitraum durch den Gang zur Abfertigung gehen. Warum haben wir uns nur so entschieden?

      In Lagos wurde die Uhr um eine Stunde zurückgestellt. Um 19: 10 startet die Maschine, flog quer über den schwarzen Kontinent, im wahrsten Sinne des Wortes. Erst wie wir das europäische Festland erreichten, d.h. Italien überflogen, sahen wir unter uns ein Lichtermeer. Nun ging alles doch recht schnell, denn gegen 2 Uhr des 12. Februar 1980 landeten wir in Berlin-Schönefeld. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem wir vor 144 Tagen in die Ungewissheit gestartet waren.

      Ohne Zollkontrolle erhielten wir um 3 Uhr unsere Koffer. Empfangen wurden wir von meiner Mutter und dem Fahrer, der uns wieder nach Hause bringen sollte. Schließlich kamen noch Rosemaries Schwester mit ihrem Vater. Er weinte, wie er uns in unserem abgemagerten Zustand sah. Gegen 4 Uhr starteten wir im schön geheizten Auto und waren gegen 6 Uhr wieder zu Hause. Rosemaries Mutter hatte alles bestens für unsere Ankunft vorbereitet.

      Nach dem ich für dieses Kapitel Rosemaries Briefe, meine Aufzeichnungen und meine Erinnerungen verarbeitet habe, ist mir bewusst geworden, dass das ganze Gerede über die Sorgepflicht „des Arbeiter- und Bauern-Staates“ für seine Bürger während der Aussprachen über unseren Ausreiseantrag ein Hohn war, zu dem was wir in Maputo erlebt hatten.

      Ich glaube heute, unsere Ausreisezeit begann nicht erst im Juni 1984 mit der Antragstellung, sondern im Herbst/Winter 1979/1980 in Moçambique. Es war ein langer Prozess des Loslassens, einfacher hätten wir es gehabt, wie oben bereits beschrieben, wenn wir in Lissabon oder spätestens in Lagos nicht wieder in das Flugzeug gestiegen wären!

      Meine Rückmeldung in Berlin war mit einer Überraschung verbunden, denn mir wurde sofort ein erneuter Auslandsaufenthalt, und zwar auf Madagaskar, angeboten! Dieses Angebot habe ich aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Auf meinen Hinweis, dass der vorzeitige Abbruch meines Einsatzes sicher nicht gut war, erhielt ich zur Antwort: „Es wird gezählt wie viele Kader wir entsandt haben, nicht wann sie zurückkommen!“

      Die Monate in Moçambique haben uns klargemacht, dass man sich politisch und moralisch aufgeben muss, wenn man die DDR im so genannten kapitalistischen Ausland vertritt, das konnten und wollten wir nicht.

      Nur noch folgender Ausspruch des damaligen Sektionsdirektors: „Koll. Dr. Bode, Sie haben sich bei ihrem Einsatz in Moçambique vor den Schützengräben des Klassenkampfes so bewährt, dass ich Sie gerne als Kandidat für die Partei vorschlagen würde!“ Ich habe davon keinen Gebrauch gemacht!

      Meine Behandlungen begannen sehr schnell, wofür meine Schwiegermutter, sie war Krankenschwester, gesorgt hatte und zogen sich über eine lange Zeit hin.

      71 Der Barkas B 1000 war ein Kleintransporter von einer Tonne Ladekapazität und mit einem Zweitaktmotor ausgestattet. Er wurde in den Jahren 1961 – 1990 im VEB Barkas-Werke Karl-Marx-Stadt hergestellt.

      72 Außenhandelsunternehmen der ehemaligen DDR

      73 Airline von Moçambique (seit 1980 LAM)

      74 Bidet

      75 Mit »wir« meint sie unsere Tochter Constance

      76 Schlange

      77 Gemeint sind die Leute der Unigruppe aus der DDR.

      78 Frente de Libertação de Moçambique, deutsch: Moçambiquanische Befreiungsfront.


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