Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode

Der lange Weg in die Freiheit! Deckname


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ist, so daß wir75 ausschöpfen müssen, also wunderbar! Constance ist recht angespannt durch Schule, Hausaufgaben, Schwimmen, Portugiesisch-Lernen, so daß nicht viel Zeit bleibt. Lust zum Schreiben hat sie auch nicht viel. Sonst ist sie ein fixer Kerl und kommt gut zurecht.«

      Am 24. September, es war ein Montag, wurden wir neuen Lehrkräfte vom stellvertretenden Rektor der Uni, bei Anwesenheit der Dekane der Fakultäten, denen wir zugeteilt werden sollten, begrüßt. Ich wurde erwartungsgemäß der „Faculdade de Engenharia“ (Ingenieurwissenschaft) zugeteilt, aber zu meiner großen Überraschung kam ich nicht in den Bereich Elektrotechnik oder Maschinenbau, um dort Automatisierungstechnik zu lehren, sondern zusammen mit einem Kollegen aus der Uni-Gruppe, in den Bereich Chemie! Hier sollte ich zunächst das Manuskript zur Lehrveranstaltung „Economia e Análisa de Sistemas“ und später zum Lehrgebiet „Control Automática“ erarbeiten. Das erste Lehrgebiet entsprach der „Systemverfahrenstechnik“, wo ich weder genügende Kenntnisse, besonders im Teilgebiet „Economia“, noch Lehrmaterialien besaß! Das zweite Lehrgebiet, welches ich zu betreuen hatte, entsprach meiner Ausbildung, auch gab es dafür ein sehr leistungsfähiges, mit praxisnahen Versuchen ausgestattetes Labor.

      Da es in der Bibliothek englischsprachige Literatur zum ersten Lehrgebiet gab, übersetzte ich diese zunächst in die deutsche Sprache und erstellte daraus dann ein Manuskript in Portugiesisch. Zu meinem Erstaunen fand man die portugiesische Übersetzung für eine Verwendung in der Lehre akzeptabel!

      In dem Bereich, zu dem ich nun gehörte, gab es u.a. einen portugiesischen, einen italienischen und einen holländischen Kollegen. Mit dem Kollegen aus Amsterdam saß ich in einem Zimmer. Er war Fachmann auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik, sodass ich viel von seinen praktischen Erfahrungen profitieren konnte, er dagegen von meinen Erfahrungen in der Lehre, wir ergänzten uns gut, wie er mir auch zu verstehen gab.

      Ich gehörte zur Uni-Gruppe der von der DDR entsandten Wissenschaftler und war, wie die anderen Mitglieder der Gruppe, Angestellter der Universität und somit galt die moçambiquanische Arbeitszeit. Die dort zu leistenden Stunden und Arbeitstage waren wesentlich umfangreicher als die der Mitarbeiter von DDR-Institutionen, für diese galten nämlich die Tropenarbeitszeit und die DDR-Feiertage. Weiterhin stand für sie gewöhnlich schon bei ihrer Ankunft eine von der DDR eingerichtete Wohnung und häufig auch ein Dienstwagen bereit.

      Dessenungeachtet hatten wir von Zeit zu Zeit Dienstbereitschaft in der Botschaft von 3: 45 nachmittags bis 7 Uhr morgens des folgenden Tages. Wenn man darüber nachdachte, fühlte man sich schon als Menschen dritter Klasse. Rosemarie schreibt dazu an ihre Eltern:

       »Dies trifft uns gerade so hart, weil wir nun ja schon so einiges zu Hause vorzuweisen haben und nicht in dieses Land gefahren sind, um erst was zu werden und hier werden wir wie der letzte Dreck behandelt, haben auch keine Tropenarbeitszeit. … Alle fühlen sich ganz furchtbar wichtig!!«

      Die beiden Mädchen wurden mit einem Bus zur Botschaftsschule abgeholt und so auch wiedergebracht.

       »In die Schule gehen etwa 30 DDR-Kinder, erst war sie mit der 2. Klasse zusammen, jetzt ist sie in der 4. Klasse allein mit 9 Kindern. Schöne Schule, intensives Lernen und sie machen allerhand mit den Kindern. Montags nimmt sie am Portugiesisch-Unterricht teil, donnerstags am Schwimmen. z.T. werden sie dort mit dem Bus hingefahren, teilweise müssen wir sie abholen, d. ist sehr umständlich bei den weiten Wegen. Na ja, vielleicht klappt es bald mal mit einem Auto für ein paar Familien von uns und wird noch Einiges ein wenig leichter. Ich bin da optimistisch, aber evtl. auch die einzige in der Familie!!! Das Erlebnis unseres Lebens wird Afrika sicher sein!!! Aber Du hast schon recht, es gibt auch Dinge, über die man sich freuen kann. Es gibt auch sehr schöne Straßen u. wunderschöne Häuser mit Schwimmbecken u. herrlichen Gärten und immer wieder blühen neue Bäume, Akazien in lila und orange, das ist wirklich eine Pracht, Palmen jeder Art und Größe und die Käfer werden auch immer größer!!! Es tauchen schon immer mal Prachtexemplare von Kakerlaken auf – Helmut hat Angst, daß sie beißen! Meine Nachbarin ist Gott sei Dank mutiger als ich.«

      Der Arbeitstag verlief in fest vorgegebenen Zeitabschnitten, die uns von dem Fahrplan eines universitätseigenen Busses vorgegeben waren, d.h. 6: 15 Abfahrt zu der ca. zwanzig Kilometer entfernten Faculdade de Engenharia der Universidade Eduardo Mondlane. Zur Mittagszeit startete der Bus 12: 15 zur Rückfahrt, 13: 45 hatten wir uns wieder am Stellplatz einzufinden, um zur Uni gebracht zu werden. Die Heimfahrt traten wir dann schließlich um 17: 30 an, sodass wir gegen 18 Uhr zu Hause waren.

      Ich empfand diese in immer gleichen Etappen ablaufende Arbeitszeit als ausgesprochen belastend. Der Bus fuhr selten die gleiche Route zweimal hintereinander, denn es musste mit Anschlägen gerechnet werden.

      Einmal, es war ein Sonnabend, fuhren wir von der Uni kommend eine Route, die wir bis dahin noch nie gefahren waren, entlang der Uferstraßen. Plötzlich knallte es mehrere Mal, der Bus wurde schlagartig vom Fahrer gestoppt. Es stellten sich heraus, dass drei Reifen defekt waren und dass auf weiter freier Strecke! Den Tag dauerte es sehr lange, bis wir endlich zu Hause waren. Die Ängste, die unsere Frauen in dieser Zeit ausgestanden haben, kann man sich wohl denken. Handys gab es ja damals noch nicht! Später erfuhr ich von meiner Physiotherapeutin, dass einige Tage zuvor vier moçambiquanische Kinder durch eine Bombe umgekommen waren, der Krieg war eben noch überall präsent.

      Es gab wohl kaum Geschäfte, die ständig mit den Waren des täglichen Bedarfs beliefert wurden. Von weitem erkannte man die gerade belieferten Geschäfte an den Schlangen, die sich vor ihnen gebildet hatten, teilweise mit bis zu zweihundert Personen, als „bicha76“ bezeichnet. Genau genommen, gab es immer zwei Schlangen. In der einen standen die Frauen, mit ihren Kleinkindern auf dem Rücken oder vor der Brust, dichtgedrängt. In der anderen, ebenfalls dichtgedrängt, die Männer. Häufig ließen die Afrikanerinnen unsere Frauen mit ihren kleinen Kindern vor!

      Es passierte auch schon mal, dass der Bus zur festgesetzten Zeit nicht erschien! Die Fahrt nach Hause mit den öffentlich verkehrenden Bussen, war ein Erlebnis für sich. Diese Busse waren gewöhnlich voll bis zum Gehtnichtmehr, d.h. die Menschen waren dichtgedrängt und dass bei den dort herrschenden Temperaturen von 30 °C und mehr. Auch war uns diese Transportmöglichkeit eigentlich untersagt!

      Die Siedlung, in der unser Haus lag, war sehr schön, teilweise wunderbare Häuser und Grundstücke, vielfach mit hohen Zäunen umgeben und von großen Hunden bewacht.

      Für unsere Frauen gestaltete sich der Einkauf sehr schwierig, da die meisten Geschäfte in der etwa zwei bis drei Kilometer entfernten Innenstadt lagen, d.h. sie mussten mit ihren Kinderwagen die Fahrstraßen benutzen, da nur die wenigsten Straßen Fußwege besaßen. Von diesen wenigen Fußwegen war wiederum nur ein geringer Teil so geeignet, dass sie mit Kinderwagen befahrbaren werden konnten. Die Straßen waren noch aus der portugiesischen Zeit und da bewegte man sich vorwiegend mit dem Auto durch die Stadt.

      Rosemarie beschreibt die Einkaufssituation wie folgt:

      »… keine Butter, keine Margarine, kein Öl, kein Reis, bis jetzt keine Kartoffeln gesehen. Es gibt Blumenkohl (1 x), Mohrrüben, Tomaten, Zwiebeln, … Helmut hat mir 10 große Tüten Nudeln besorgt. Es kann einem Angst werden. Die Leute von der Uni77, die Frauen, kümmern sich sehr um uns, sie bringen Brot, Eier u. auch Milch, am Anfang Fleisch. Also man muß erfinderisch sein. Dafür essen wir Apfelsinen und Ananas, aber wie gesagt, das reicht auch nicht auf Dauer. … Ich komme beim Einkaufen schon zurecht, auch mit dem Geld, auf dem Markt schiebt man sich durch schwarze Leiber. Es gibt hübsche Menschen, junge Frauen u. süße Kinder, hinten oder vorn auf der Mutter.«

      Über die Bevölkerung schreibt Rosemarie an ihre Eltern:

       »Die Menschen hier sind so arm und doch strahlen sie eine Ruhe aus, es gibt keine Hektik und Nervosität, die Kinder sind immer bei der Mutter, schlafen und trinken bei ihr, wie sie es gerade brauchen, ich habe noch keines schreien oder nörgeln gehört. Wenn wir europäischen Mütter uns nur 1/3 davon abnehmen würden, wäre es schon gut.«

      Da die Versorgung mit Lebensmitteln immer schlechter wurde und wir um unsere Kinder Angst hatten, sprach Rosemarie dies in einer Frauenversammlung an: „Wir haben ein fünfzehn Monate altes Kind, neben unserer zehnjährigen


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