Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode

Der lange Weg in die Freiheit! Deckname


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wurden keine Maßnahmen zur Absicherung der Wohnung getroffen. Keiner hatte den Mut zu sagen, dass wir nicht mit den Kindern hätten kommen sollen. Wer ist für unser Problem verantwortlich? Als Mutter habe ich himmelangst. Wir möchten gerne helfen. Wir sind mit den schwärzesten Vorstellungen hergekommen, diese sind aber noch übertroffen. Wenn uns da nicht geholfen wird, sehen wir uns veranlasst die soeben genannten Punkte aufzuschreiben, bestätigen zu lassen und sofort nach Hause zu fahren.“

      Die anwesenden Damen oder wohl besser die Genossinnen der Unigruppe waren schockiert und sahen Rosemarie voller Betroffenheit an, was nun? Wie kann man so etwas sagen!

      Rosemarie und ich hatten vorher abgesprochen, dass sie sich so äußert. Einige Tage später fand in der Wohnung des Leiters der Unigruppe eine Aussprache über die Wohnungssituation statt. In Kurzform gebracht ergab sich Folgendes, „Entweder Sie wohnen weiter mit einer anderen Familie zusammen oder Sie können nach Hause fahren!“ Antwort: „Dann fahren wir nach Hause!“ Damit waren wir für unseren weiteren Aufenthalt in Moçambique „abgestempelt“!

      Erwähnenswert erscheint mir noch, dass unser Sohn, seit dem 7. Oktober allein auf seinen Beinen stehen und mit ihnen laufen kann. Sicher hat er den „Tag der Republik“ nicht als Anlass für eine Selbstverpflichtung „Eintritt in die Gruppe der sich im aufrechten Gang fortbewegenden Spezies“ genommen!

      So manche Beule handelte er sich in der nächsten Zeit an seinem kleinen Kopf ein, was aber wohl auch seiner Sprachfähigkeit enormen Auftrieb gegeben haben muss, denn immer neue Worte sprach er nach oder sprudelten aus ihm heraus. Seine Augenzähne waren nun auch schon alle gekommen.

      Etwa 14 Tage nach unserer Ankunft kam auch das per Luftfracht verschickte Gepäck an.

       »Es sah aber aus, als hätten sie es 100 m vor der Landung abgeworfen u. zwar in ein Farblager! Völlig verbeult, wenn es die Rückreise noch mal aushält, haben wir Glück. Naß ist es z.T. auch geworden u. etliche Sachen stockig, aber das kann uns auch nicht mehr erschüttern!«

      war Rosemaries brieflicher Kommentar zu unserem Gepäck. Meine Fachbücher waren nur deshalb nicht durchnässt, weil ich sie eingewickelt hatte und die Feuchtigkeit noch nicht durchgedrungen war.

      Am 13. Oktober, es war ein Sonnabend, erreichte uns gegen Mittag ein Anruf, wir Männer hätten uns um 15 Uhr in der DDR-Botschaft bzw. im Kino-Xenon, Versammlungshaus in der Nähe der Botschaft, einzufinden! Dies bedeutete einen Fußmarsch von ca. vier Kilometer, und das bei ca. 35 °C bis 40 °C. Wir benötigten 45 Minuten. Grund der Zusammenkunft war, dass vier Bürger der DDR im Landesinneren ihr Leben verloren hatten. Die Ursache wurde uns nicht genannt. Später sickerte durch, dass es wohl durch Hantieren an einem unbekannten Kampfmittel zu einer Explosion gekommen war! Der Schock saß sehr tief.

      Als Trostpflaster und wohl auch als Reaktion auf Rosemaries Aufbegehren in der Frauenversammlung, wurde uns verkündet, dass in Zukunft die Möglichkeit des Einkaufs im Interfranca-Laden gewährt werden würde. Danach ging es vier Kilometer, mit einer sehr bedrückenden und einer optimistisch stimmenden Nachricht, zu Fuß, zurück zur Rua D.

      Eines Tages ging an Rosemarie, sie stand vor unserem Haus in der Rua D, ein Afrikaner vorbei und grüßte mit „guten Tag“. Sie war so verblüfft, dass sie erst antwortete, wie er schon weitergegangen war. Sie kamen aber doch noch miteinander ins Gespräch. Martins hatte in Leipzig, als Delegierter der FRELIMO78, studiert und lebte nun mit seiner Familie in unserer Nachbarschaft in der Rua C. Er und seine Frau waren Angehörige der Befreiungsarmee. Schließlich brachte er uns, ganz ohne Aufforderung, einen Sack mit 45 Kilogramm Reis, weil er wusste, dass wir sehr wenig zu essen hatten. Wir boten den anderen Mitgliedern der Gruppe an, den Vorrat zu teilen, was uns aber einen weiteren Negativpunkt einbrachte, denn wir hatten den Moçambiquanern zu helfen und nicht sie uns!

      Es war also nicht erwünscht, dass wir uns von moçambiquanischen Bürgern helfen ließen! Unser Angebot zu teilen, war also gleich an die Leitung weitergegeben und für uns negativ bewertet worden!

      Zu Martins und seiner Familie hatten wir von da an einen guten Kontakt. Martins Frau Miséria war vor einiger Zeit von einer Tochter entbunden worden. Unser Sohn wuchs aus immer mehr seiner Kleinkindsachen heraus, die dann freudig von Miséria angenommen wurden. Eines Tages erhielten wir eine Einladung und fanden uns in der gesamten aus Moçambique zusammengeströmten Familie von seiner und ihrer Familie wieder. Da Martins und Miséria aus zwei verschiedenen afrikanischen Stämmen abstammten, konnten sie sich nur über Portugiesisch untereinander verständigen.

      Miséria hatte ihren Vornamen dem Umstand zu verdanken, dass es zur Zeit ihrer Geburt ihren Eltern sehr schlecht ging, was sie mit dem Vornamen ihrer Tochter zum Ausdruck bringen wollten. Unser Sohn, damals mit ganz hellen Haaren, sowie die wenige Wochen alte Tochter von Miséria und Martins waren natürlich der Mittelpunkt der anwesenden Damenwelt.

      Schon nach kurzer Zeit unseres Aufenthalts in Maputo musste ich feststellen, dass ich, wohl auf Grund des sich sehr häufig wechselnden Wetters, heißer Wind von Norden, dann ganz plötzlich kalter Wind von Süden, gesundheitliche Probleme habe. Zunächst war mir schwindelig, schlecht und ich hatte Kopfschmerzen, auch konnte ich nur unter Schmerzen meinen Kopf gerade halten, d.h. den Hals überhaupt nicht bewegen.

      Wir hatten in der Unigruppe einen Arzt, er arbeitete am Hospital Central Miguel Bombarda in der „maternidade e clínica para mulheres“, d.h. in der Frauenklinik, den ich konsultierte. Von ihm wurde ich zu einem Ohrenarzt geschickt. Nach dem die ungarische Ohrenärztin alle ihre Möglichkeiten an Untersuchungen abgeschlossen hatte, empfahl sie mir, mich ihrer bekannten Neurologin vorzustellen.

      Auch hier wurde ich wieder auf das Gründlichste untersucht, mit dem Ergebnis „Espondilose cervical“ – zervikale Spondylose. Die Neurologin verordnete mir Massagen und Packungen, also ging es weiter zur Physiotherapie.

      Nach dem ich versucht hatte, der mich untersuchenden Dame mein Problem in Portugiesisch zu erläutern, fragte sie mich: „Sind Sie Deutscher?“ Auf meine bejahende Antwort sagte sie weiter: „Sie können ruhig Deutsch sprechen, ich bin Schwedin, verstehe aber auch Deutsch.“ Im weiteren Gespräch erklärte sie mir: „Ich schicke Sie zu einer Kollegin, mit der können Sie sich bestens in ihrer Muttersprache unterhalten, sie ist Deutsche.“

      Die Physiotherapeutin war aus Oberbayern. Verheiratet mit einem afrikanischen Tierarzt, der sich im Auftrag der UNO in Moçambique um die Zucht und Haltung von Rindern kümmerte. Hier war ich in sehr guter Behandlung. Von ihr erfuhr ich auch sehr viel, z.B. was in der großen Stadt Maputo passierte, da auch der Polizeichef ihr Patient war!

      Die Massagen linderten zwar meine Schmerzen vorübergehend, beseitigten sie aber nicht. Nach Abschluss der ersten zehn Massagen musste ich mich der behandelnden Neurologin, eine Ungarin, wieder vorstellen. Sie meinte, dass ich hier ständig behandelt werden müsste, empfahl mir eine Arbeitstherapie und im günstigsten Fall eine Behandlung in der DDR.

      Letztlich entschied der Arzt der Botschaft, wenn in Moçambique eine ständige Behandlung nicht möglich ist, um die Ursachen meiner Schmerzen zu beseitigen, dann würde er die Heimreise veranlassen. So kam es schließlich auch, d.h. zunächst wurde mir empfohlen in die DDR zur Kur zu fahren, meine Familie in Moçambique zu lassen und anschließend meinen Einsatz in Moçambique fortzusetzen, wozu ich mich aber nicht entschließen konnte.

      Ende Dezember leitete, nach dem von der Neurologin in ihrem Gutachten geschrieben wurde, dass eine entsprechende Therapie hier nicht durchgeführt werden kann und sie die Ausreise empfiehlt, was auch durch das Gutachten des Botschaftsarztes bestätigt wurde, die Firma LIMEX unsere Rückkehr in die DDR ein.

      Rosemarie und die Kinder hatten sich wesentlich besser an die klimatischen Verhältnisse gewöhnt. Bis auf einen Tag Mitte November, wo es ihr plötzlich ganz schlechtging, sie litt unter Schwindelanfällen und hatte Durchfall. Sie war zu nichts mehr in der Lage, sodass ich mich um unseren Sohn kümmern musste. Wir befürchteten schon das Schlimmste, nämlich, dass die außerordentlich hohen Belastungen der letzten Zeit nun ihren Tribut bei ihr forderten. Aber, wir hatten Glück, sie erholte sich bald und übernahm, pflichtbewusst wie sie nun einmal ist, schnell wieder ihre Aufgaben, dass ich gerade derjenige war, dem dies nicht gelang, empfand ich als äußerst deprimierend.


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