Fixin. Rayton Martin Villa

Fixin - Rayton Martin Villa


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Sub zählte die Sekunden herunter. Jerik beobachtete den Countdown auf dem Hauptmonitor des Kopters. Der Laser oben auf dem Turm zerstrahlte vier Sekunden lang das auf Deck stehende Wasser im Bereich der Luke, dann öffnete sich diese blitzschnell.

      Fast wie von einem Katapult beschleunigt schoss K-1 zunächst senkrecht nach oben auf einhundert Meter Höhe. Jerik wurde mit brachialer Gewalt in seinen Sitz gedrückt, dann ließ die enorme Kraft nach und er stieg mit moderater, konstanter Geschwindigkeit weiter. Jerik sah das Sub unter sich langsam kleiner werden. Als sie die Zielhöhe von fünfhundert Meter erreicht hatten, hielt er den Kopter auf dieser Position, um auf K-2 zu warten, der noch auf sein Go wartete.

      Dies konnte auch noch etwas dauern, denn das Deck des Subs wurde gerade wieder von einigen Wellen überspült und die in seine Eyefoil eingeblendete Lidar-Grafik zeigte einen roten Wind- und Wellenbereich von Osten auf das Sub zukommen.

      Jerik blickte sich solange um. Isla Deceit war von hier in seiner gesamten Ausdehnung zu sehen. Die sichelförmige Insel erstreckte sich unter ihnen in einem nach Osten geöffneten Halbkreis von etwa zehn Kilometern Länge. In diesem wiederum gab es weitere, kleinere Buchten, im Gegensatz zur Westseite, die nur eine durchgängig steile Flanke aufwies.

      In der mittleren und schmalsten Bucht lag jetzt das Sub auf Parkposition. Es wirkte von hier oben mit seinem frisch gereinigten, riesigen weißen Rumpf dabei fast wie ein zur Insel gehörender, vorgelagerter Teil.

      Einige Kilometer weiter im Westen waren auch die Nachbarinseln zu sehen. Auch sie waren von Bambuswäldern überzogen und leuchteten, wie jetzt auch Isla Deceit, schneeweiß im Licht der inzwischen schon deutlich höher stehenden Sonne. Auch jenseits ihrer nördlichen Ausläufer waren weitere Inseln des Archipels zu erkennen und ganz am Horizont waren im Dunst sogar die Ausläufer des südamerikanischen Festlands zu erkennen.

      Auf dem großen Kontrollschirm direkt vor sich sah Jerik, dass jetzt auch der Countdown für K-2 startete. Der Wind hatte gerade nachgelassen und betrug noch Stärke vier und für die nächsten zehn Sekunden rollten auch keine höheren Wellen heran. Jerik schaute hinunter. An Deck des Subs öffnete sich blitzschnell die vordere Luke und der zweite Kopter schoss so schnell in die Höhe, dass Jerik ihn sofort aus den Augen verlor.

      K-2 bewegte sich viel schneller als K-1, weil er nur vier Bots an Bord hatte. Er hatte daher maximal beschleunigt und schwebte daher fast augenblicklich auf derselben Höhe wie K-1, etwa einhundertfünfzig Meter weiter westlich. In Jeriks Eyefoil erschien die von K-2 genommene Flugbahn jetzt als hellgrüne Linie. An deren oberem Ende schwebte der weiße Kopter, der jedoch wegen des schneeweißen Bambuswalds im Hintergrund kaum zu erkennen war.

      Um ihn künftig in der Umgebung dieser grellweißen Insel auch im Realmodus besser sehen zu können, markierte Jerik ihn in der Eyefoil durch einen Klick und aktivierte den Normalmodus dafür. Daraufhin hob sich K-2 deutlich dunkler und schwarz umrandet vor dem Hintergrund ab.

      »Nettes Fleckchen!« bemerkte B1.

      Jerik schaute ihn mit einem fragenden Blick von der Seite an.

      »Hey, ich weiß, dass Du das nicht wirklich meinst.«

      B1 lachte.

      »Okay, ich gebe es zu. Kein Platz zum Urlaub machen. Echt gefährlich hier! Nicht nur wegen der Hitze und dem Gift. Schau Dir mal den Müll an, den sie hier haben liegen lassen«

      Jerik wusste, dass es auf den Inseln jede Menge Wracks aus den Jahren der Massenflucht gab. Millionen Menschen waren hier vor über einhundert Jahren über die Südspitze Südamerikas unter katastrophalen Bedingungen nach Antarktika geflohen. Ihm schossen kurz die Geschichten durch den Kopf, die jeder in Antarktika kannte. Hier war eine der Haupt-Fluchtrouten nach Finstere verlaufen, der am leichtesten zu erreichende Teil Antarktikas. Auch einige von Jeriks Vorfahren waren über diese Route geflohen.

      »Lass sie noch mal sehen!« forderte er B1 auf.

      »Aye, Captain!«

      B1 folgte sofort Jeriks Befehl und ließ in seiner Eyefoil die Trümmer erscheinen, die von den Detektoren bei der zweiten Expedition erfasst worden waren. Damit sie auf der felsigen Inseloberfläche gut zu erkennen waren, blendete B1 alles darüber aus. Der Wald und die Bodenschicht erschienen in Jeriks Eyefoil jetzt nur noch transparent.

      »Wahnsinn, oder?«, staunte er, als er sah, dass die gesamte Insel mit tausenden Helikopterwracks verschiedenster Bauart und Größe übersät war. Sie waren alle stark zerstört und verrostet. Dazwischen lagen Berge unzähliger primitiver Waffen wie Macheten, Speere, Äxte sowie verschiedene einfache Werkzeuge.

      «Hier müssen echt Millionen vorbeigekommen sein.«

      Er meinte die riesigen Flüchtlingsströme, die hier einen letzten Stopp eingelegt haben mussten, bevor sie mit Schiffen oder Koptern nach Antarktika übergesetzt hatten.

      »Ein echter Schrottplatz.« stellte B1 fest.

      »Und eine Giftmülldeponie!« Jerik checkte die soeben von ISA eingeblendete Liste der dort vorkommenden chemischen Substanzen.

      ISA war die Datenbank des Fixin-Projekts. Die Abkürzung stand für Information System of Antarctica. ISA enthielt sämtliche Informationen, welche die Menschheit bis heute zusammengetragen hatte, einschließlich der alten Daten, die über die Klimakatastrophe und den großen Krieg hinweg gerettet werden konnten. Alle Nature-Scientists waren über die Eyefoils mit ISA verbunden, ebenso alle im Projekt verwendeten Kopter und Bots von Kategorie-3 aufwärts.

      ISA meldete soeben hochgiftige Brom- und Chlorverbindungen, Dioxine, Schwermetalle sowie viele neue unbekannte Stoffe, die sich erst hier aus den anderen gebildet hatten. Davon wurden nur die chemischen Formeln und Strukturen angezeigt. Viele lagen in extrem hoher Konzentration vor und die SSI-Toxizitätsklassifizierung dieser Bodenschicht lag beim Maximalwert 10. Da die gesamte Insel von Wald bewachsen und von dessen abgestorbenen Überresten bedeckt war, aus denen sich neuer Boden gebildet hatte, lagen heute glücklicherweise große Teile dieser Schrott- und Giftschicht viele Meter tief im Untergrund.

      »Gut, dass das meiste heute nicht mehr offen rumliegt! Vor ein paar Jahrzehnten hätten wir hier noch ein großes Problem gehabt«, stellte B1 fest.

      Jerik nickte. »Ja, keine Chance!«

      In der Anfangsphase, als sich gerade die ersten Bambuspflanzen angesiedelt hatten, wäre eine Expedition hierher für Menschen kaum möglich gewesen und nicht erlaubt worden. Auch heute noch ragten an einigen Stellen scharfkantige Gegenstände aus dem Waldboden, insbesondere entlang der Felsen im Küstenbereich. Auch ein Kontakt mit den Giftstoffen war somit nicht völlig auszuschließen.

      Überall sonst auf der Insel bestand er aus einer fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Meter dicken Torfschicht, die aus von Pilzen und Bakterien zersetzten Bambusrohren bestand. Ihre enorme Mächtigkeit erklärte sich aus dem extrem schnell ablaufenden Zyklus von Verrottung nach dem Absterben und neuem Wachstum.

      Jerik schaltete wieder die normale Ansicht ein.

      »Was sagt das SSI?« fragte er B1. Es musste jetzt die Freigabe für die Landung auf der Insel erteilen. Voraussetzung dafür war, dass die Wetterbedingungen mindestens für die nächste Stunde ausreichend gut blieben.

      »Wir haben Go für die Insel!« meldete B1 in nüchternem Ton und blickte dabei weiter starr gerade aus.

      Jerik blickte ihn prüfend von der Seite an, obwohl ihm eigentlich klar war, dass er sich immer auf die Aussagen von B1 verlassen konnte.

      Die vor ihnen liegende Landschaft kannte er schon von den Streams der ersten und zweiten Expedition, die er von Finistere ja live mitverfolgt hatte. Allerdings fühlte sich die Situation heute doch ungewohnt und viel realer und spannender an. Die lange Fahrt mit dem Sub hatte ihm die Abgeschiedenheit Isla Deceits bewusst gemacht und dass er sich nicht nur in einem Umgebungssimulator befand. Insbesondere jetzt, wenige Minuten bevor er den Kopter verlassen und die Insel betreten würde, verschärfte sich die seltsame, ganz ungewohnte Anspannung noch einmal. Sein allererster Kontakt mit der alten Welt stand direkt bevor. Er wusste, dass es neben dem scharfkantigen Schrott und den extremen Giften möglicherweise auch noch andere Gefahren


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