Fixin. Rayton Martin Villa
dem südamerikanischen Festland, das nur wenige Kilometer nördlich des Hermite-Archipels begann, gab es daher keinerlei Vegetation. Denn an den Bergen der Anden kondensierte der Wasserdampf, der im Sog der dort herrschenden gewaltigen Thermikwinde sowohl vom Pazifik als auch Atlantik herbeigeführt wurde. Weil der gewaltige Gebirgszug auch heute noch Höhen von viertausendzweihundert Metern erreichte und sich über tausende von Kilometern von Süden nach Norden erstreckte, gingen sowohl an seiner West- als auch Ostseite so große Wassermassen nieder, dass sie den Kontinent nahezu vollständig unter Wasser setzten. Auf den Satellitenaufnahmen war er oft kaum von Pazifik und Atlantik zu unterscheiden.
Es gab weltweit jedoch auch viele Regionen, in denen es trotz oft bedecktem Himmel geringere Niederschläge gab, beispielsweise in Nordamerika, Sibirien und Australien. Die UV-Werte waren dort aber trotzdem so hoch, dass jegliche Ansätze von Vegetation schon alleine dadurch sofort wieder vernichtet wurden.
Das Hermite-Archipel hatte eine Sonderstellung. Es lag sowohl noch außerhalb der katastrophalen südamerikanischen Wetterzonen als auch auf einem Breitengrad mit weniger extremen UV-Werten. Schon bei der ersten Expedition nach Isla Deceit hatte sich zudem gezeigt, dass der Boden durch chemische Substanzen nur so stark verseucht war, dass hier noch einige Pflanzen und Tiere der alten Kontinente überleben konnten.
Jerik und B-1 befanden sich auf dem Weg nach hinten zu K-1. Das Innere des Subs war aus Sicherheitsgründen unbeleuchtet, da es sich um Eigentum des Militärs handelte. Es gab nur eine minimale Notbeleuchtung, die aber so schwach war, dass erst nach einer halben Stunde Gewöhnung der Augen an die herrschende Dunkelheit grobe Umrisse wahrnehmbar waren. Jerik hätte im Moment nicht die Hand vor Augen erkennen können. Da er jedoch für viele Bereiche des Subs freigeschaltet war, tastete seine Eyefoil die Umgebung mit ultrakurzen und für das menschliche Auge unsichtbaren Laserstrahlpulsen ab. Sie wurden auf seine Eyefoil zurückreflektiert, woraufhin die Rechner das Bild der Umgebung erzeugen konnten und mit den erforderlichen Zusatzinformationen versahen. Einige Objekte wurden auch ausgeblendet, da er Zivilist war. Sie waren dann als gesperrte Areale mit gelb-rot gestreiften virtuellen Wänden und Flächen ausgewiesen. Jerik hielt sich streng an das Verbot. Bei Missachtung wäre er von der Besatzung festgesetzt worden und hätte mit harten Strafen rechnen müssen.
Jerik fielen die Geräusche der Stabilisatoren auf, die über den gesamten Rumpf verteilt waren und das Sub stabil hielten. Sie sprangen auch im Park-Modus immer wieder kurzzeitig an, was ähnlich wie das Schlagen eines Hammers klang. Im riesigen Keramik-Rumpf des Subs hallte dies wider wie in einem Bergwerk.
»Ganz schön unheimlich auf real, was?« grinste B1.
»Allerdings!«, stimmte Jerik ihm zu, und flachste: »Wenn Du nicht dabei wärst, würde ich sofort wieder nach Hause fahren!«
B1 lachte mit seiner tiefen Stimme laut auf.
»Da haben wir es wieder! Was wärt ihr nur ohne uns!«
Da hat er sicher Recht, dachte Jerik, sagte aber nichts weiter dazu. Er stellte fest, dass er sich B1 gegenüber immer häufiger so verhielt, wie bei einem richtigen Menschen, obwohl er dies eigentlich ablehnte.
Kurz darauf hatten sie die knapp einhundert Meter lange Strecke zurückgelegt. Beim Betreten der hinteren Ladebucht warf Jerik einen kurzen Blick auf den Kopter. Es war ein kleineres Modell, wie die meisten ganz in weiß, mit quaderförmigem Kabinenteil und spitz nach unten zulaufendem Bug. Das Heck mit der Ladeluke verlief dagegen schräg nach oben.
Abgesehen davon besaßen die Kopter generell keine aerodynamische Form. Sie waren damit sehr kompakte Fluggeräte. Ihre Spitzengeschwindigkeit war mit achthundert Stundenkilometern relativ gering, dafür waren sie extrem wendig und verfügten über eine absolut sichere Technik. Obwohl sie in großer Zahl eingesetzt wurden, hatte es noch nie einen Unfall mit ihnen gegeben.
K-1 hatte eine Länge von elf Metern, an der breitesten Stelle einen Durchmesser von knapp fünf Metern und eine Höhe von vier Metern. Der Boden war etwas breiter, weil hier links und rechts außen sowohl die Steuerdüsen als auch an der Rumpfunterseite die Düsen für den Auftrieb integriert waren. Ganz hinten neben der Heckluke saßen schließlich die vier großen Hauptantriebsdüsen.
Auch der Dachbereich war bei diesem Typ Kopter rundum mit Auftriebsdüsen ausgestattet. Damit konnten sie sowohl in Normallage als auch auf dem Rücken auf der Stelle schweben und alle denkbaren Flugpositionen einnehmen und Manöver fliegen. Das reichte von extrem langsamen Loopings, bei denen sie zu jedem Zeitpunkt an Ort und Stelle stehen bleiben konnten, bis hin zu blitzschnellen Orts- und Richtungswechseln. Solche Flugmanöver wurden bei speziellen Montagearbeiten oder Rettungseinsätzen benötigt. Für die Expedition hierher war dieser Koptertyp daher vom SSI vorgeschrieben worden, dem Safety and Security Intelligence Sicherheitssystem, das alles in Antarktika überwachte.
Wie fast alle Fluggeräte oder Fahrzeuge waren auch die Kopter fensterlos. Ihre Energie für Antrieb und alle Instrumente bezogen sie aus einem eigenen Fusionsreaktor an Bord. Auch die Bots konnten ihre Energiespeicher darüber in Sekundenbruchteilen berührungslos aufladen.
Die Kopter waren wie die Bots ebenfalls direkt mit den Rechnern verbunden. Sie konnten daher wie diese auch völlig autonom Entscheidungen treffen und benötigten zum Fliegen weder menschliche Piloten noch humanoide Bots. Da sie auch ständig untereinander sowie mit allen Bots in Kontakt standen, hatten sie zu jeder Zeit einen vollständigen Überblick über die Expedition und ihren aktuellen Status.
Insbesondere in Gefahrensituationen konnte dieser schnelle Informationsaustausch sehr nützlich sein.
Jerik und B1 betraten K-1 über die heruntergelassene Klappe der Heckluke, gingen durch den hinteren Teil des Kopters, vorbei an den Transportkisten mit den Ausrüstungsgegenständen und weiter zu ihren Plätzen ganz vorne im Cockpit. Die drei anderen Bots, die auch in K-1 mitfliegen würden, saßen schon in der Sitzreihe dahinter. Sie hatten bereits die ganze Nacht und Überfahrt beim Kopter verbracht und ihn technisch gewartet und startklar gemacht.
Manchmal beneidete Jerik diese Maschinen fast, nicht nur, weil sie natürlich keinen Schlaf benötigten, sondern auch um ihre Intelligenz und ihr allumfassendes Wissen. Beides basierte auf den Algorithmen, die heute überall in Antarktika auf den Quasarrechnern liefen. Auch an Bord des Subs gab es drei der leistungsfähigsten Exemplare, weil die Verbindung zu den Rechnern auf dem Festland unter Wasser nicht immer aufrecht erhalten werden konnte.
Auch die Bots verbanden sich dann damit, sodass ihnen auch an Bord jede Information ohne Verzögerung zur Verfügung stand.
Ihr Verhalten war dabei immer ausgesprochen freundlich und ihre Entscheidungen von hoher Ethik geprägt, was Jerik besonders gut gefiel. Außerdem arbeiteten sie mit ihrer Schnelligkeit, Robustheit und Kraft auch bei schwierigen Einsätzen höchst effektiv.
Ein Großteil der Bots an Bord gehörte wie B-1 der Kategorie-2 an, dem zweithöchsten Standard, den es gab. Sie wurden auch für Einsätze verwendet, die vom Militär autorisiert werden mussten, so wie diese Expedition.
Weil sie miteinander agierten, konnten sie auch in komplexen Gefahrensituationen und schwierigen Rettungsaktionen eingesetzt werden. Sie waren daher auf dieser Expedition auch für Jeriks Schutz verantwortlich.
Auch diese drei Bots im Kopter hatten bereits ihre Schutzanzüge und Helme angelegt. Im Gegensatz zu B1 arbeiteten und kommunizierten sie im Standard-Modus.
Jerik überprüfte noch einmal den Status. Alle Kenngrößen erschienen immer noch grün, auch die von K-2, dem anderen Kopter, der vorne im Sub auch startbereit war.
Im Moment gab es noch keine Startfreigabe, denn die Wellen, die gerade gegen die Bordwand schlugen, waren noch zu hoch und Wasser und Gischt wurden aufs Deck hochgewirbelt. Um das Sub mit den Koptern verlassen zu können, musste eine Phase abgewartet werden, in der nichts davon durch die geöffneten Luken gelangen konnte. Das Lidar oben am Turm analysierte dazu ständig die heranrollenden Wellen und Böen und errechnete daraus den passenden Zeitpunkt. Es konnte so die Situation für zehn Sekunden vorhersagen, dem Zeitraum, der auch für den gesamten Startvorgang einschließlich dem Öffnen und Schließen der Luken notwendig war.
Nach zwei Minuten war die Lage entsprechend günstig.