Ein Lied in der Nacht. Ingrid Zellner

Ein Lied in der Nacht - Ingrid Zellner


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trösten.«

      »Lasst das bloß nicht eure Frauen hören.« Sameera gab jedem der beiden einen Kuss auf die Wange. »Ab mit euch – wir sehen uns nachher.«

      Und damit schob sie die beiden sanft zur Tür hinaus.

      ***

      Vikram nahm ein warmes Samosa von der Platte, die Sita ihm hinhielt, und biss genussvoll hinein.

      »Phantastisch«, sagte er, »und ich wundere mich, wie du die auch noch hingekriegt hast, bei dem großartigen Abendessen und dazu den ganzen Geburtstagsvorbereitungen. In euren Küchen sieht es aus, als wolltet ihr morgen halb Shivapur verköstigen.«

      »Die Nachbarn kommen bestimmt vorbei«, meinte Pooja lachend. »Soham ist sehr beliebt; er gibt Nachhilfe in Mathe und hat vermutlich neunzig Prozent aller Computer im näheren Umkreis entweder eingerichtet oder zumindest schon mal repariert. Allerdings müssen die Mütter spätestens ab morgen ihren Traum begraben, ihn mit einer ihrer Töchter zu verkuppeln. Ich fürchte, der Zug ist abgefahren.«

      Sie saßen im Garten des Vishwaas – Vishals Haus, in dessen oberer Etage Raja mit Sita und Rani lebte. Der Himmel war dunkel und sternenklar. Die Temperaturen hatten sich auf angenehme dreiundzwanzig Grad abgekühlt, bunte Lampions hingen in den Bäumen und auf dem Tisch flackerten Kerzen und Windlichter. Sita und Pooja hatten pikantes Fingerfood serviert; dazu gab es Lassi, eisgekühlten Weißwein und Wasser.

      »Ich bin schrecklich gespannt auf Ylva«, sagte Sameera; ihre dunklen Augen funkelten. »Kann sie eigentlich Hindi?«

      »Sie spricht in jedem Fall fließend Englisch«, antwortete Raja. »Aber sie büffelt seit Monaten auch Hindi. Soham sagt, sie hat einen Onlinekurs gefunden, und er hilft ihr über Skype. Die beiden meinen es offensichtlich richtig ernst miteinander.«

      Vikram lehnte sich zurück. »Sag mal, bhai… war vorhin nicht die Rede von einem Whiskey? Nach diesem Abendessen könnte ich einen vertragen. Als Absacker, sozusagen.«

      »Nur zur Verdauung, selbstverständlich«, bemerkte Sameera milde. »Dient alles der Gesundheit.« Sie wandte den Kopf, als Vishal aus dem Haus trat; er trug ein Tablett mit einer Flasche und Gläsern vor sich her. »Schaut mal, wer da kommt – wie aufs Stichwort!«

      Alle sahen erwartungsvoll zu, wie Vishal das Tablett abstellte und mit der Feierlichkeit eines Zeremonienmeisters Bushmills auf die Gläser verteilte. Als Sita eines davon nahm, hob Sameera überrascht eine Augenbraue, und Raja grinste breit.

      »Jawohl, du siehst richtig – meine chandni ist ins Lager der Lebenswasserfreunde übergelaufen. Ich hab sie in einem schwachen Moment mal einen Schluck bei mir probieren lassen, und seitdem steigt der Bushmills-Verbrauch in diesem Haus rapide in die Höhe. Das hab ich nun davon – aua!« Er rieb sich die Stelle, wo seine Frau ihn spielerisch gegen die Schulter geboxt hatte. Sameera lachte laut, hob ihr Glas und zwinkerte Sita vergnügt zu.

      Raja wurde wieder ernst. Er stand auf, sein eigenes Glas in der Hand, und räusperte sich feierlich.

      »Sameera und Vikram – ich bin froh, dass ihr hier seid. In den letzten Jahren habe ich erleben dürfen, wie meine Familie immer größer geworden ist – und eure spielt eine gewichtige Rolle dabei. Dank dem Dar-as-Salam habe ich mehr als ein Dutzend zusätzlicher Kinder, ich habe dich, meri sakhi«, er hob das Glas in Sameeras Richtung, »und dich, mera bada bhai. Und wenn ich Soham zuhöre und mir die Bilder anschaue, die er seit Monaten überall herumzeigt, dann habe ich aller Voraussicht nach ab morgen noch eine wunderschöne zusätzliche Tochter. Ich bin wahrhaftig reich gesegnet.«

      Er lächelte.

      »Also möchte ich mit euch das Glas auf diesen Besuch erheben. Ich wünsche uns allen wunderbare Tage. Sláinte!«

      »Sláinte!« Vikram nickte ihm zu und nahm einen Schluck. Er sah Vishal, Sita und Sameera ebenfalls trinken und spürte, wie die liebevolle Atmosphäre der Sharma-Familie ihn erfasste und einhüllte.

      »Diese wunderbaren Tage wünsche ich uns auch«, sagte er. »Wir haben uns sehr auf diesen Besuch gefreut. Danke, mere bhai, dass wir bei euch sein dürfen.«

      ***

      Am nächsten Tag summte das gesamte Sharmivar wie ein Bienenstock. Die Vorbereitungen für Sohams Geburtstagsfeier und für die Ankunft von Ylva Sandström liefen auf Hochtouren. Sita war schon früh aufgestanden und hinübergegangen, um ihren Schwiegertöchtern beim Schmücken des Hauses zu helfen; Raja folgte ihr nach einem geruhsamen Frühstück, gemeinsam mit Rani und den Sandeeps.

      Surya war zu diesem Zeitpunkt bereits mit Soham in Richtung Flughafen aufgebrochen; Ylva war in den frühen Morgenstunden in Delhi angekommen und von dort nach Pune weitergeflogen, wo sie am späten Vormittag eintreffen würde. Tara kicherte amüsiert vor sich hin, als sie Sameera in der Küche erzählte, wie Soham an diesem Morgen ziemlich verlegen zu ihr heruntergekommen war und sie um ein wenig Zucker gebeten hatte, weil er vor lauter Aufregung und Vorfreude erst seinen Chai versalzen und dann auch noch seine geöffnete Zuckerbüchse vom Tisch gefegt hatte.

      »Der Arme!« Sameera lachte. »Wahrscheinlich wird er sich erst wieder beruhigen, wenn er sein Geburtstagsgeschenk sicher in den Armen hält.«

      »Wenn überhaupt«, grinste Tara. »Ich hab den Mann noch nie so aufgedreht erlebt.«

      »Wird Ylva in eurem Gästezimmer wohnen?«, fragte Sameera.

      »Nein«, antwortete Tara. »Soham will sie bei sich in seinem Appartement haben; er überlässt ihr sein Bett und schläft während ihres Besuchs auf der Wohnzimmercouch. Behauptet er jedenfalls.« Sie zwinkerte Sameera zu und streckte den Arm nach ihrer kleinen Tochter aus, die auf einen Stuhl geklettert war: »Nein, Siju, Finger weg von der Mandelschüssel – wenn du mir alles wegnaschst, kann ich uns keinen Kheer kochen!«

      »Kheer kochen!«, wiederholte die Zweijährige erfreut, und Tara nahm sie lächelnd auf den Arm.

      »Ja, mein Schätzchen, das machen wir. Und Sameera, du kannst gern schon mal rübergehen zu den anderen und es dir gemütlich machen. Wobei… wenn du bei der Gelegenheit ein Auge auf unseren Nachwuchs haben könntest, dann wäre ich dir sehr verbunden; Sita ist drüben bei Kajri und macht Samosas, und bei Raja hege ich ständig den schweren Verdacht, dass er mit seinen Enkeln eher irgendwelchen Unfug veranstaltet, statt sie verantwortungsvoll zu überwachen.«

      Sameera gluckste. »Willst du damit sagen, euer würdiges Familienoberhaupt ist ein Kindskopf?«

      »Erzähle ich dir damit am Ende etwas Neues?«, gab Tara schmunzelnd zurück und füllte einen großen Topf mit Milch.

      »Nein«, lachte Sameera. »Aber zum Glück ist er ein verantwortungsvoller Kindskopf. Ich hatte bislang jedenfalls noch nie Angst davor, ihn mit unseren Kindern allein zu lassen.«

      »Soll ich dir was verraten?« Tara grinste spitzbübisch, während sie Reis und Zucker aus dem Schrank holte. »Ich auch nicht. Genau wie bei Vikram – ich schmelze jedes Mal dahin, wenn ich ihn mit eurem Sohn sehe. Er mag eine raue Schale haben, aber darunter ist er so liebevoll und fürsorglich… und unsere Kinder hängen an ihm ebenso wie an ihrem Raja daada.«

      »Er ist ja auch ein zweiter daada für sie, seit dein Mann ihn als seinen dritten Vater adoptiert hat«, erinnerte Sameera sie und erhob sich. »Okay, dann schau ich mal nach, was unsere beiden daadas…«

      Weiter kam sie nicht, denn im gleichen Moment kam ein Kugelblitz zur Küchentür hereingeschossen. Rajil.

      »Mama! Mama! Sie sind da!«

      »Schon?« Tara warf einen Blick auf die Uhr. »Hay Baghwan, wir haben total die Zeit vergessen! Gut, dann muss der Kheer jetzt eben warten – das hier geht vor!«

      ***

      Es waren Raja und Sita, die ihren Gast aus Schweden vor der Haustür in Empfang nahmen. Der Rest der Familie hielt sich zurück, weil Raja fürchtete, der Ansturm der gesamten Sippe auf einmal könnte Sohams Freundin verschrecken. Und so spähten


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