Superhummeln - Bedrohte Stars am Bestäuberhimmel. Antje Arnold

Superhummeln - Bedrohte Stars am Bestäuberhimmel - Antje Arnold


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Biodiversität“ drauf. Nicht lecker. Das besondere und entscheidende hierbei: Die Torte besitzt drei verschiedene ringförmige Zonen. Die Mitte als innerste Zone ist grün gefärbt und bedeutet: „alles safe“. Solange sich der Homo Sapiens innerhalb dieses grünen Ringes auf einem der Tortenstückchen herumtummelt, befindet er sich innerhalb der planetaren Grenzen und damit in Sicherheit. Diesem folgt ein gelber Ring – da wird es kritisch. Es hakt und kriselt an der ein oder anderen Stelle bereits. Im äußeren roten Ring jedoch ist die Stimmung düster. Hier läuft bereits „Spiel mir das Lied vom Tod“ als Dauerschleife. Nicht als Kugel aus dem Colt, sondern als schleichendes Gift mit dafür qualvollerem Endergebnis. Das Erdsystem ist an dieser Stelle aus dem Ruder gelaufen und das bedeutet allerhöchste Gefahr, auch für die Weiterexistenz unseres Homo Sapiens.

      Einige wenige dieser Tortenstücke sind bescheiden und begnügen sich tatsächlich mit nur einem kleinen Radius um den grünen Tortenmittelpunkt, dem grünen Bereich. Sie sind kurz, schlank und kommen geradezu diätisch daher, wie der „stratosphärische Ozonabbau“ (darunter versteht man die Zerstörung der in zehn Kilometer Höhe liegenden und vor Hautkrebs schützenden Ozonschicht). In diesem Fall hat es die Weltgemeinschaft doch tatsächlich noch einmal geschafft das Steuerrad rechtzeitig herumzureißen. Denn diese Kategorie sah auch schon mal deutlich schlechter aus. Etliche von Ihnen mögen sich noch an die Zeiten stark erhöhter Hauskrebsgefahr durch ein Sonnenbad erinnern. Mit dem Protokoll von Montreal aber wurden dann 1987 die ozonschichtzerstörenden FCKWs verboten. Und siehe da: nach einigen Jahren erholte sich die Ozonschicht wieder. Geht doch!

      Gelb: Hier heißt es Achtung, bremsbereit sein! Wie beim Klimawandel. Da beginnen schon die Gletscher und Polkappen zu schmelzen, die Permafrostböden aufzutauen, Hitze, Kälte, sintflutartige Regenfälle und Dürren sich abzuwechseln und in Franken der Rotweinanbau lukrativ und kulinarisch zu werden. Auch weitere Tortenstücke blähen sich zunehmend auf. Sie werden dicker und größer und wachsen weit in den gelben Bereich hinein. Ein Beispiel dafür ist die „Landnutzungsänderung“ – das bedeutet so viel wie Soja statt Regenwald, Industriegebiet statt Bienenwiese oder Betonflussbett statt fröhlich sprudelndem Gebirgsbach. Oder nehmen wir das Tortenstück „Ozeanversauerung“ – hier löst sich das viele Kohlendioxid aus der Luft im immer wärmer werdenden Meereswasser und bildet Kohlensäure, die Korallen einfach wegätzt wie der Essigreiniger den fiesen Kalkrand im Waschbecken.

      Rot: Das Tortenstück „Verlust der Biodiversität“ jedoch ist das Fetteste unter ihnen mit bereits manifestiertem, metabolischem Syndrom. Es sprengt alle Hosengürtel. Dabei überragt es haushoch alle anderen Tortenstücke wie den Klimawandel, die Wassernutzung oder die Landnutzungsänderung. Planetare Grenzen Adieu!

      In der Rockström‘schen Darstellung wird sofort klar, dass wir tatsächlich das allergrößte Problem auf diesem Planeten mit dem Verlust der Biodiversität haben. Nicht mit dem Klimawandel, wie wir das zurzeit häufig noch glauben. Klimawandel ist schlimm genug, aber bei weitem nicht alles, was wir gerade verursachen. Näher betrachtet wird dabei recht schnell klar, weshalb der Verlust der Biodiversität an erster Stelle steht.

      Biodiversität - ähnlich wie die Gesundheit - gehört zu den sogenannten „Endpoint-Kategorien“. Unterschiedlichste Faktoren fließen hier zusammen und sammeln sich darin wie das Wasser mehrerer Regenrinnen in nur einer Regentonne. Die läuft auch ruck zuck über. In die Regentonne, auf der Gesundheit draufsteht, fließen solch Faktoren wie ungesunde Ernährung, wenig Bewegung, Stress, Schlafmangel, Lärm, Luftverschmutzung, Rauchen, zu viel UV-Strahlung oder schlechte Laune. In die Biodiversitätstonne fließen alle menschgemachten Einflüsse auf das Erdsystem und üben Druck aus wie Stickstoffüberfluss, Ozeanversauerung, chemische Verschmutzung, Landnutzungsänderung und eben Klimaerwärmung. Biodiversität fungiert stets als die Regentonne aller anthropogenen, ökologischen Einflüsse.

      Nehmen wir als konkretes Beispiel das Ökosystem „Fluss“. Hier kann man glasklar erkennen, wie so etwas läuft. Statt wie ehemals munter und sauerstoffreich dahinsprudeln, über Steine hüpfen und sich in die Kurven legen, wabert er jetzt unter Atemnot trüb und schnurgerade begradigt im Steinbett dahin. Wenn es hochkommt, ab und zu mal eine Staustufe. Das ist alles an Abwechslung und Luftholen. Angrenzende Landwirtschaft spült Dünger, Pestizide und Humus in den Fluss. Das Wasser wird trüb und braun. Aber auch die Industriebetriebe und Kläranlagen liefern Abwässer versetzt mit Schad- und Nährstoffen. Algen können jetzt besonders gut wachsen. Das Kernkraftwerk entnimmt Unmengen Wasser für seine Kühltürme und das Gaskraftwerk erhöht die Temperatur des Flusses mit dem Einleiten seines Kühlwassers. Der Klimawandel führt dazu, dass das Wasser noch wärmer wird. Für viele Organismen wird es jetzt besonders im Sommer eklig warm. Zu allem Überfluss kommen noch Invasoren hinzu. So nennen Biologen Pflanzen und Tiere mit oft unfreiwilligem Migrationshintergrund. Sie bringen das Gleichgewicht des Ökosystems im Fluss zusätzlich zum Taumeln. All diese Faktoren bezeichnet man als sogenannte „Mid-Point-Kategorien“, die in der „End-Point-Kategorie“ Biodiversität, hier der des Flusses, zusammenlaufen und diesen toxischen Cocktail bilden.

      Klimawandel verändert das Klima – schlimm genug, aber Verlust der Biodiversität verändert alles. Deswegen wächst das Tortenstück mit dem Namensschildchen „Verlust der Biodiversität“ zum mächtigsten und unverdaulichsten heran. Quasi zur Kalorienbombe für die eigentlich streng unter Diät Stehenden. Und Herr Atlas stöhnt bereits mächtig unter seiner Last.

      Seit der Industrialisierung greift unser Homo Sapiens erstmalig so massiv und spürbar ins Erdsystem ein, weshalb man an dieser Stelle auch gerne vom „Anthropozän“ als letztes der bisherigen „Zäns“ unserer Erdneuzeit spricht. Angefangen vor 66 Millionen Jahre beim Paleozän bis zum Holozän, und eben das vor ungefähr 250 Jahren begonnene Anthropozän.

      Bereits ein Klimawandel ist komplex, sehr komplex. Zigtausende Wissenschaftler messen, modellieren, berechnen und versuchen die Daten zusammen zu führen und zu interpretieren. Immerhin weiß man hier schon exakt wie die wichtigsten kritischen Klimagase heißen. Denn das sind gerade mal ganze vier Stück: Kohlendioxid, Methan, Lachgas und die Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Im Falle der Biodiversität wissen wir jedoch noch nicht einmal was sich auf diesem Planeten so alles herumtreibt. Sind es zwei Millionen, zehn Millionen oder doch hundert Millionen Arten, die die Erde „Heimat“ nennen? Diese gerade mal vier klimawirksamen Gase auf dem Tortenstück zum Klimawandel entsprechen den x Millionen Arten auf dem Tortenstück zum Verlust der Biodiversität.

      Zweiter Punkt: Man weiß ziemlich exakt wie stark die Klimagase wirken. Deshalb kann man sie alle simpel in Kohlendioxidäquivalente umrechnen. Das ist praktisch. Also ein Methanmolekül wirkt dann so stark wie etwa 23 Moleküle Kohlendioxid. Damit könnte man einfach ausrechnen, dass einmal Kuhpupsen meinetwegen drei Kilometer Porschefahren entspricht. Aber solch schlichte Kuhpupsrechnungen im Dreisatzmodus à la: ein Blaukehlchen entspricht fünf Orchideen funktionieren in der Biodiversität leider nicht.

      Hummeln lassen sich nicht in Schmetterlinge, Vögel nicht in Blumen umrechnen und nicht mal Blaukehlchen in Rotkehlchen. Biodiversität funktioniert mehrdimensional, systemisch, nicht linear und lässt sich somit bisher kaum bewerten.

      Dritter Punkt: Kohlendioxid ist wirklich ein ziemlich schlichter Geselle: Egal wo es auf der Welt entsteht, wirkt es gleich. Ein Molekül Kohlendioxid aus Honolulu wirkt genauso stark auf das Klima wie eins aus Buxtehude. Deswegen kommen hier simple Grundrechenarten wie Addition und Subtraktion in Frage. Auch diese funktionieren in der Biodiversität leider nicht. Gilt eine Art in einer Region als fast ausgestorben, kann sie durchaus woanders noch massenweise auftreten.

      Aber selbst beim Klimawandel wird es, trotz des schlichten Charakters seiner klimawirksamen Gase, letztendlich dann doch noch kompliziert. Sobald man eine Stufe höher steigt und sich mit ihren vielfältigen Wechselwirkungen, Rückkopplungs- und Verstärkungseffekten anderer


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