4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener

4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018 - Christoph-Maria Liegener


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sie nicht lieber tanzen,

      oder wie ein Mann zugrunde geh'n,

      da fiel Ihn' gar nichts and'res ein,

      als endlich wieder Frau zu sein.

      Kommentar: Tut mir leid, aber dieser Versuch, einen Seitenhieb gegen die Frauen zu landen, wirkt ungalant.

       Eusebius van den Boom

       Ausgeträumt

      wieder

      eine nacht zuende

      mühevoll

      schlage ich die augen auf

      stille

      schreit mir ins ohr

      seit

      unendlich langer zeit

      alles

      was ich fühlte ist fort

      endgültig

      Kommentar: Minimalistischer Zugang zu einem Gefühl.

       Frank Freimuth

       Der schmale Pfad

      Sein Anfang ist nicht weit von meinem Haus,

      ein schmaler Pfad, der durch die Wiese führt,

      vorbei an weit verstreuten Büschen,

      zu einem Abhang hin, wo ihn das Auge dann verliert.

      Unendlich zärtlich führt er durch das Gras,

      nicht schnurgerade, sondern stets gewunden,

      um Mulden und um Hügel, so unbedeutend,

      dass nur durch Spüren aufgefunden.

      Kein Künstler könnte sich erdenken,

      was Füße hier jahrzehntelang erschritten,

      kein Maler könnte Striche ziehen

      mit Fransen wie aus abertausend Tritten.

      Wie oft schon gingen Menschen hier entlang,

      die Nachbarn, Fremde, meine Frau und ich.

      Auch heute werden sich die alten Füße plagen -

      so lässt der lange Tag sich gut ertragen.

      Kommentar: Ein lebendiges Stilleben.

       Britta Avalon Kagels

       Schaf im Wolfspelz

      Du wolltest die Sprache der Wölfe beherrschen

      Hast gelernt wie sie zu gehen

      Wie sie zu jagen und zu ängstigen

      Deine Krallen gefeilt

      An meinen Händen die dich umschlangen

      Deine Zähne abgeschliffen

      An meiner Stirn

      Bis sie dir abbrachen

      Und du hast endlich dein Fell ausgezogen

      Als du dir sicher sein konntest

      Schaf sein zu dürfen

      Kommentar: Interessante Perspektive.

       Xenia Hügel

       Unsere Zeit

      Die Zeit, die Zeit – für dich ist immer Zeit.

      Überhaupt sehr viel Zeit, ganz viel Zeit,

      selten habe ich die Zeit so genossen,

      nie vergeht die Zeit so schnell wie mit dir.

      Zeit, uns noch mehr zu beschenken mit Zeit!

      Diese Zeit ist meine liebste Zeit.

      Immer weniger ist so wichtig wie unsere Zeit.

      Für nichts geht meine Zeit lieber drauf.

      Ich teile meine Zeit mit dir; Unmengen von Zeit

      will ich mit dir verbringen. So viel freie Zeit.

      Die Zeit ist so kostbar, die Zeit ist mein Geschenk.

      Schade, dass wir nicht noch 100 Jahre Zeit haben.

      Ständig diese wunderschönen Augenblicke mit dir.

      Die Zeit, die Zeit mit dir – das ist die Zeit, die ich

      Leben nenne.

      Kommentar: Weitgehender Verzicht auf Struktur in der Form. Dennoch: Zeit zu verbringen, heißt, sie zu strukturieren.

       Cornelia Berndl

       Der Sturz

      Der Stoß kam unerwartet. Das kleine Mädchen stürzte von dem zwei Meter hohen Spielgerüst. Hart schlug sie im Sandkasten auf. Ihre blonden langen Haare pressten sich gemeinsam mit dem Sand in ihren vor Schreck offenen Mund. Lilly schnappte nach Luft. Stand benommen auf und sah nach oben. Breit grinste ihr Thomas entgegen. Der Thomas, der sie regelmäßig auf dem Weg zur Schule in die stacheligen Büsche stieß. Der Thomas, der letzte Woche ihr Rad versteckt hatte und es erst zurückgab, als sie ihre Eltern zur Hilfe holte. Ihre Angst wurde zu Wut. »Du blödes Arschloch!« schrie sie ihm entgegen. Sie sah die Überraschung in seinem Gesicht. Er war es nicht gewohnt, dass sie sich wehrte. Einen kurzen Augenblick genoss sie das ihr unbekannte Gefühl, ihm überlegen zu sein. Ihr Mund öffnete sich, um ihn weiter zu beschimpfen, als ein starker Zug am Kragen ihres blauen T-Shirts ihr die Luft abschnürte. Sie hatte Mühe sich auf den Beinen zu halten. Verzweifelt versuchte sie, ihre Finger zwischen T-Shirt und Hals zu stecken, um mehr Luft zu bekommen. »Lilly! Wie benimmst du dich? Na warte! Das hat ein Nachspiel!« Lilly erkannte die Stimme ihrer Mutter. »Mama …« Ihre Mutter lies sich nicht beschwichtigen. Sie zerrte sie unerbittlich vor den Augen der anderen Kinder nach Hause.

      »Geh in dein Zimmer!« Befahl die Mutter, als sie in der kleinen Dreizimmerwohnung ankamen. »Aber Mama! Thomas hat mich vom Gerüst geschubst! Ich bin so erschrocken!« Die Mutter blickte sie mit kalten Augen an. »Das habe ich gesehen. Das ist kein Grund, solche Schimpfworte in den Mund zu nehmen. Du solltest dich schämen.« Sie schenkte ihrer Tochter einen herablassenden Blick. »Du wartest jetzt in deinem Zimmer, bis dein Vater nach Hause kommt. Dann berichtest du ihm Wort für Wort, was du Schlimmes gesagt hast.« Sie schien fast erfreut zu wirken, als sie ihre Rede beendete. »Dann wirst du schon sehen, was geschieht.«

      Lilly schlich in ihr Zimmer. Der Satz »Du wirst schon sehen, was geschieht!« hallte in ihrem Kopf. Wie lange würde der Hausarrest wohl diesmal dauern? Und würde es bei Hausarrest bleiben? Sie duckte sich vom Fenster weg. Die anderen Kinder spielten immer noch lautstark. Sie verkroch sich in ihrem Bett und wartete.

      Als ihr Vater von der Arbeit kam, führte ihre Mutter sie ins Wohnzimmer. Lilly´s Kopf hämmerte vom vielen Weinen. Ihr Vater saß auf der braunen Ledercouch. Er nahm genüsslich einen Schluck Bier aus seinem grauen Tonkrug. Die Mutter schubste Lilly unsanft in die Mitte des Raumes. »So! Und jetzt erzähle, was du heute Mittag getan hast!« Das kleine Mädchen fixierte den graumelierten Teppich zu ihren Füßen. »Also Thomas …« Die Mutter fiel ihr sofort ins Wort. »Wir wollen wissen, was du Schlimmes gesagt hast.« Lilly zitterte und sagte mit leiser Stimme: »Du blödes Arschloch.« Auf dem Gesicht des Vaters zeigte sich ein breites Grinsen. »Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden.« Der Kopf des Mädchens wurde immer röter. Verzweifelt versuchte sie lauter zu sprechen. »Du blödes Arschloch!« Der Vater nahm noch einen Schluck Bier. Angeekelt musterte er seine Tochter. »Da ist wohl Hausarrest nötig. Vier Wochen. Geh in dein Zimmer. Ich will dich nicht mehr sehen.« Er griff nach der Fernbedienung und würdigte seine Tochter keines Blickes mehr. Lilly schlich sich hinaus. Sie hörte noch, wie ihre Mutter sagte: »Ich weiß nicht, wo sie das her hat. Sie ist durch und durch verdorben.«

      Zwei Stunden waren seit der Standpauke vergangen. Das


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