Whiskey-Ballett. Peter Faszbender

Whiskey-Ballett - Peter Faszbender


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Ein paar Jahre Geduld. Zeit, viel Zeit, das ist der Preis, den ich zahlen muss.«

      Als die Flasche geleert ist, wirft Sarah sich auf die Campingliege und dämmert weg in einen unruhigen Schlaf.

      Kapitel 22

      Mit zerzauster roter Mähne und verknitterten Klamotten schleppt sich Sarah am nächsten Tag durch die offene Tür ins Büro.

      »Guten Morgen, Frau Molony«, ruft ihr Schmitzlein-Ithana fröhlich zu.

      »Moinsen, schon hier? Sie haben anscheinend kein Zuhause.« Sarah bleibt neben Schmitzlein-Ithanas Schreibtisch stehen.

      »Ja, Frau Molony, immer frisch ans Werk! Sie schauen aber nicht sonderlich frisch aus.« Sie fixiert Sarah eindringlich.

      »Ermittlungsarbeit der Kripo ist halt kein Zuckerschlecken, da schlägt man sich zuweilen die Nächte um die Ohren.«

      »Der Zoll war ebenfalls nicht untätig, eine Durchsuchung haben wir hochprofessionell und wie erwartet erfolgreich abgewickelt. Und was macht Ihr Herr Brenner so?«

      »Aus dem ist wenig herauszubekommen. Das passt einfach nicht, ein solcher Anschlag auf einen so kleinen Hühnerdieb. Verwechslung, Warnung oder Demonstration, wozu man fähig ist? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Und sicherlich noch einige andere, die wir im Moment noch gar nicht auf dem Schirm haben. Da muss ich etwas fester auf den Busch klopfen, wenn der Arzt mich lässt.«

      »Möchten Sie einen Tee, Frau Molony?«

      »Och.« Sarah atmet tief durch. »Warum eigentlich nicht?« Schmitzlein-Ithana reicht ihr eine Tasse.

      »Danke!«

      »Bitte schön, wohl bekomm’s!« Schmitzlein-Ithana setzt sich wieder an ihren Schreibtisch. »Wenn ich die Unterlagen der Durchsuchung vorliegen habe, sollten wir alles gemeinsam durchsehen und prüfen, ob sich ein Zusammenhang mit dem Fall Brenner finden lässt.«

      »Ja, schauen wir mal. Wer so etwas anstellt, setzt ein Zeichen. Brenner hätte man einfach und dezent beseitigen können, jedenfalls wenn es lediglich darum gegangen wäre, einen lästigen Mitbewerber zu entfernen. Aber das ist keine Aktion, die nur für einen Einzelnen gedacht ist. Sie zielt auf eine ganze Gruppe, vermutlich auf die gesamte ungeliebte Konkurrenz. Also auf viele, die irgendetwas wissen oder zumindest eine Ahnung haben, worum es geht. Einen Verräter, der singt, gibt es in jeder Organisation. Einen zu finden, ist zwar nicht leicht, besonders in diesem Metier, aber das ist jetzt unser Job.«

      »Guten Morgen, die Damen.« Kriminaldirektor Seidel betritt mit schnellen Schritten den Raum.

      »Moin, Chef«, grüßt Sarah zurück.

      »Leider hatte ich die letzten Tage eine Menge Außentermine.« Seidel breitet die Arme zu einer entschuldigenden Geste aus. »Diese Zusammenarbeit ist zudem sehr kurzfristig und auf höherer Ebene beschlossen worden. Ich konnte mich noch nicht im Detail mit dem Fall beschäftigen. Aber nun bin ich ja bei dem neuen Dream-Team, das sich in unserem bescheidenen Hause zusammengefunden hat.« Er wendet sich Frau Schmitzlein-Ithana zu. »Sie sind dann gewiss die Rosi, von der alle sprechen?«

      Schmitzlein-Ithana springt auf. »Das darf doch nicht wahr sein«, schreit sie wütend. »Das ist doch keine Behörde, das ist ein Irrenhaus hier. Krank, völlig krank. Alle hier. Von der Spitze bis nach unten, ganz weit nach unten, bis ins letzte Glied.«

      Während Schmitzlein-Ithana gegen den verdutzt dreinschauenden Seidel wütet, versucht Sarah, sich unauffällig durch die offene Tür auf den Flur zu verdrücken.

      »Molony!«

      »Ja, Chef.«

      »In mein Büro, sofort!«

      »Jawohl, Chef.«

      Sarah stellt die Tasse auf einem der Aktenböcke ab und trabt ab Richtung Seidels Büro.

      Kapitel 23

      »Kriminaloberkommissarin Molony, schön, dass Sie es sich bequem gemacht haben. Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lange warten lassen? Ich wäre untröstlich! Aber ich musste Frau Schmitzlein-Ithana erst noch davon abbringen, sofort zum Polizeipräsidenten zu stürmen.«

      Seidel setzt sich auf seinen Bürostuhl und wendet sich mit auf den Schreibtisch gestützten Armen Sarah zu. »Bei unserer letzten Unterredung hier waren wir uns doch einig, dass eine professionelle Zusammenarbeit mit der Dame vom Zoll stattfinden soll, oder nicht?«

      Sarah zuckt unschuldig mit den Schultern. »Ja, Chef. Bis Sie ins Büro gekommen sind, lief es ausgezeichnet, geradezu super mit der Arbeit. Ein wenig mehr Feingefühl von Ihrer Seite und …«

      »Klappe, Molony. Zu Ihren Späßen bin ich im Moment nicht aufgelegt. Erinnern Sie sich an den Termin beim Polizeipräsidenten aufgrund Ihrer Herbsteskapaden vergangenes Jahr?«

      Sarah nickt.

      »Und an das, was passiert, wenn Sie wegen so etwas nochmals dort erscheinen müssen?«

      Sarah nickt wieder.

      »Haben Sie ein gesteigertes Bedürfnis nach einem erneuten Termin beim Polizeipräsidenten?«

      Sie schüttelt verneinend den Kopf.

      »Sarah, ich will Ihnen jetzt keine Anweisungen oder Ähnliches geben. Gott weiß, was Sie in Ihrem Hirn daraus zurechtbasteln oder, schlimmer noch, infolgedessen anstellen würden. Nur so viel: Je schneller der Fall gelöst ist, umso schneller ist die Dame weg und wieder in ihrem eigenen Büro beim Zoll. Das muss doch eine positive Aussicht und ausreichende Motivation für Sie sein, oder? In diesem Sinne, Abmarsch und ran an die Arbeit!«

      Sarah verlässt wortlos das Büro und schließt leise die Tür hinter sich.

      »Rosi«, prustet Seidel lachend. »Kreativ ist die Sarah ja. Aber Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen und Ernsthaftigkeit gehen ihr leider völlig ab. In den guten alten Zeiten hätte man das den Leuten nachhaltig eingebläut«, sinniert er leise. Er wendet sich seinem Opel-Modell zu und schiebt es einige Male auf dem Schreibtisch hin und her, lehnt sich dann zurück und schließt die Augen.

      Kapitel 24

      Konzentriert durchforscht Schmitzlein-Ithana die beschlagnahmten Dateien der Spirits UG. Sie klickt sich durch die Kundenliste.

      »Sagenhaft, für einen dermaßen kleinen Laden eine beachtliche Anzahl von Kunden«, befindet sie. Die Namen und Daten fliegen nach schnellen Mausklicks an ihren Augen vorbei. Sie stutzt, scrollt die Liste noch einmal zurück.

      »Wen haben wir denn da?«, murmelt sie und grinst in sich hinein. »Sieh an, sieh an.« Sie greift zum Telefon, lässt die Finger routiniert über das Zahlenfeld wandern und tippt eine Nummer ein.

      »Wichter, schön, Sie sind noch im Büro. Überprüfen Sie bitte folgende Person: Molony, Sarah, Wallgasse 42, hier in Münzstadt. Insbesondere in Verbindung mit der Spirits UG, Kontakte zu den Betreibern, Mitarbeitern, alles, woran Sie kommen können. Sie ist eine Beamtin der hiesigen Kriminalpolizei, ermitteln Sie bitte äußerst diskret. Wer weiß, was da alles noch zutage kommt … Nur keine schlafenden Hunde wecken. Danke, Wichter, was würde ich bloß ohne Sie tun.«

      Schmitzlein-Ithana kehrt gleich wieder zu den Daten auf dem Monitor zurück.

      »So, was haben wir denn alles gekauft? MacArran Destillo 50 für fast eintausend Euro. Das macht nicht den Eindruck von Spielzeug.« Sie kopiert die

      Warenbezeichnung für die Internetsuchmaschine. Auf dem Bildschirm taucht ein Gefäß für die Destillation auf. »Aha, die 50 steht für das Volumen in Litern, reichlich groß, liebe Sarah.« Sie ergreift ihre Teetasse und schlürft mit einem breiten Lächeln den heißen Blättersud des afrikanischen Wunderbaums.

      »Irrenhaus oder Banditennest. Ich werde herausfinden, wo ich hier hineingeraten bin.« Schmitzlein-Ithana druckt die Kunden- und Bestelldaten von Sarah sowie das Datenblatt des Destilliergeräts aus, heftet beides in einen neuen Aktenordner und beschriftet ihn mit »Molony, Sarah«. Sie verstaut den Aktenordner schmunzelnd in ihrem Schreibtisch und schließt die Lade ab.

      Auf


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