Whiskey-Ballett. Peter Faszbender

Whiskey-Ballett - Peter Faszbender


Скачать книгу
dann bis morgen, Chef.«

      Sarah wendet sich dem Rest der Frikadelle zu und blättert noch einmal intensiv die Akte durch. Sie schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Elendiger Whiskey-Panscher.«

      Kapitel 15

      »Guten Tag, Frau Schmitzlein-Ithana.« Arian Wichter wuchtet einen Umzugskarton auf den Schreibtisch, zupft sich den groß karierten Pullunder gerade und richtet den Kragen seines weißen Hemdes. Er schaut sich um.

      »Oje, ist das hier denn die Abstellkammer der Kripo?«

      »Könnte man fast annehmen, mein lieber Wichter. Der Einrichtungsstil und das Ordnungssystem meiner neuen Mitarbeiterin sind etwas gewöhnungsbedürftig. Dazu dieser abscheuliche Altar, von Neutralität ist hier in der Amtsstube keine Spur.« Sie schaut mit flehendem Gesichtsausdruck nach oben.

      »Das hier ist der Rest der Zollakten, die zu unserem Fall vorliegen. Das meiste davon haben Sie ja selbst ermittelt. Diese beiden Ordner sind neu. Gegenstand ist die in Münzstadt ansässige Spirits UG, mit dem Gerichtsbeschluss haben wir uns gestern die Bankdaten besorgt. Ist ein kleiner Laden für Destilliergeräte, diese Apparaturen, die für den Hausgebrauch erlaubt sind. Dazu Rohstoffe, Bücher, auch einige fertige Destillate, halt ein Spielzeugladen für große Kinder und Kräuterkundige. Er führt auch ein kleines Sortiment an Whiskeys, aber nur edle und hochpreisige Produkte. Nach Durchsicht der Konten vermutet man allerdings, es könnte sich um ein internationales Großunternehmen handeln.«

      Sie zieht den Packen zu sich rüber. »Danke, Herr Wichter, dass Sie mir die Unterlagen alle hergeschafft haben. Spirits UG.« Sie blättert eine der Akten durch. »Kommen wir an die Steuerunterlagen?«

      »Die Daten, die laut Gesetz öffentlich sind, habe ich hier. Einen Beschluss für die Einsicht in die Steuerakten haben wir bisher nicht. Hier ist der Vorgang.«

      »Danke, ich schaue mir die Sachen durch. Das riecht nach illegalen Geschäften, inklusive Steuerhinterziehung, da steht die Finanzverwaltung doch direkt Gewehr bei Fuß, wenn wir denen das mitteilen. Stechen wir mal in das Nest und schauen, was passiert.«

      »Da wünsche ich viel Erfolg.«

      »Nochmals danke für alles, Herr Wichter, insbesondere für die ausführliche und umfangreiche Zusammenstellung der Dokumente. Das ist gekonnte und qualifizierte Zollarbeit. Ich werde Ihre Dienste sicherlich weiter in Anspruch nehmen, in Anspruch nehmen müssen, jedenfalls solange die Sache hier dauert.«

      »Sie sind meine Vorgesetzte, auch wenn Sie im Moment den Dienst hier verrichten, ich sehe da keine Probleme.«

      »Danke, mein lieber Wichter, meine neue Mitarbeiterin hier hat nicht annähernd Ihre Qualitäten. Da ist einiges an Erziehungsarbeit und Geduld zu leisten.«

      »Wenn das jemand schafft, dann Sie!«

      Schmitzlein-Ithana faltet die Hände und richtet den Blick erneut nach oben. »Ich hoffe, der Herr gibt mir die Kraft dafür.« Sie senkt mit gefalteten Händen den Kopf und schließt die Augen.

      Wichter faltet ebenfalls seine Hände und senkt den Kopf, nach einiger Zeit der Ruhe und inneren Einkehr schleicht er wortlos und leise aus dem Büro.

      Kapitel 16

      Der alte grüne Volvo-Kombi hält quietschend vor dem Eingang des Ladenlokals. Sarah springt aus dem Wagen und hinein in den Spirits-Shop.

      »Hallo, Sarah, so ein Zufall, heute ist deine neue Fünfzig-Liter-Brennblase gekommen«, ruft ihr der Inhaber mit russischem Timbre fröhlich zu.

      »Na endlich, Sergej, hat ja lange genug gedauert. Ich dachte schon, das wird nichts mehr.«

      »Du weißt, dass das Ding in Deutschland nicht legal ist? Nicht ohne Anmeldung beim Hauptzollamt.«

      Sarah winkt ab. »Hör mir mit dem Zoll auf. So eng sehe ich das nicht. Oder arbeitest du für den Zoll?«

      »Gott bewahre. Es ist nur ein gut gemeinter Rat. Als ehrlicher Geschäftsmann will ich dich angemessen und umfassend informieren. Zudem habe ich kein Interesse, dass der Zoll deinetwegen hier herumschnüffelt. So etwas ist nie gut für das Geschäft.«

      Sarah hebt die Schultern und lehnt sich gegen die Ladentheke. »Alles halb so wild. Schließlich handelt es sich um die Herstellung eines Lebensmittels. Das ist ein elementares Grundrecht, quasi Menschenrecht.«

      »Wie du meinst, Sarah. Es gibt Stellen in diesem Land, die sehen das etwas anders.«

      »Halt mir keine Vorträge, lade das Ding in meinen Kombi und schmeiß einen Sack Gerste dazu.«

      »Okay, okay.« Sergej wuchtet die Brennblase hoch und schwingt sich auf einem Bein stehend herum.

      »Eh, pass auf.« Sarah springt zu ihm. »Stolpere bloß nicht mit meiner neuen Destille.« Sie stützt mit beiden Händen den Karton.

      »Das ist eine von mir entwickelte Form der Pique-Drehung.« Mit einem kleinen unsicheren Hüpfer setzt er zum Gang aus dem Geschäft an.

      »Netter Ausdruck für tollpatschig. Wozu braucht man das? Fürs Holzfällen in der Taiga?«

      »Dir geht aber auch jeder Sinn für die darstellenden Künste ab.«

      »Wenn so etwas Kunst sein soll, dann hast du recht.«

      »Ignorantin!« Er stakst in Richtung Wagen. »Du könntest schon mal die Heckklappe öffnen. Ach ja, Sarah, es ist ein gebrauchtes Dreißig-Liter-Bourbonfass reingekommen. Von Interesse für dich?«

      »Was soll das gute Stück denn kosten?«

      »Weil du es bist, 370 Euro.«

      »Ah ja. Wie wäre wohl der Kurs, wenn ich es nicht wäre?«

      »Sarah, wenn ich an einem Kunden hier nichts verdiene, dann an dir.« Er schwankt weiter auf das Auto zu.

      »Mir kommen gleich die Tränen. Bei dem Geld, das ich hier regelmäßig lasse, ist ein beachtlicher Rabatt mehr als angemessen.«

      »Du bekommst künftig fünf Prozent auf alles, was du hier kaufst, mehr ist nicht drin«, keucht er.

      »Okay, Hand drauf, Sergej.«

      Er bugsiert die Brennblase in den Kombi und schlägt ein.

      »Schick mir die Rechnung zu, wie gehabt.«

      Nachdem das Fass und der Sack mit der Gerste Platz im Auto gefunden haben, steigt Sarah in den Wagen und setzt den unwillig startenden Diesel langsam in Bewegung. Sie winkt Sergej zum Abschied zu, und der Volvo zieht schwerfällig davon. Der Händler rückt seinen grauen Fedorahut wieder gerade, richtet die azurblaue Wildlederweste und winkt zurück. Bei dem Versuch einer Hundertachtzig-Grad-Wende auf einem Fuß kippt er zur Seite weg.

      Sarah sieht die Szene noch im Rückspiegel und verdreht die Augen. »Darstellende Kunst? Wohl eher Clownschule«, brummelt sie vor sich hin.

      Kapitel 17

      Im Kofferraum seines Kleinwagens verstaut er die kreuz und quer liegenden Einkäufe in eine Klappbox.

      »Guten Tag, Herr Wichter.«

      Aufgeschreckt knallt er mit dem Kopf gegen die Heckklappe und dreht sich um. »Ja, hallo.« Er reibt sich den Kopf.

      »Wie geht es denn Ihren Eltern? Die habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen.«

      »Ja.« Wichter nimmt die Box aus dem Wagen. »Wie das Leben so spielt, man wohnt quasi nebeneinander und sieht sich nicht. Und sonst wo in der Fremde läuft man zufällig Bekannten über den Weg.«

      »Ja, da haben Sie recht. Schade, dass Sie nicht mehr hier wohnen. So ein netter, ruhiger und anständiger junger Mann, dazu Beamter. Wenn ich daran denke, wie schön Sie früher mit unserer Karin gespielt haben …«

      Wichter schaut auf die Uhr. »Ich muss schnell rein und dann auch wieder zum Dienst. Bis bald mal, und angenehmen Nachmittag noch.«

      »Kommen Sie doch mal vorbei, Karin würde sich


Скачать книгу