Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich

Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich


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kamen, konnte ihr Tod eine größere Bedeutung haben. Die ungarischen Adeligen hatten ihren König alles andere als freundlich empfangen. War dies der Grund für den Mord an den Mägden? Oder steckte am Ende etwas ganz anderes dahinter? Anton versuchte, Vroni in der Menge ausfindig zu machen, konnte sie aber nicht sehen. Hatte sie etwas mit dem Verschwinden der beiden Frauen zu tun? Für sie selbst hatte sich damit die Möglichkeit ergeben, eine Anstellung am Kaiserhof zu finden. Würde sie aber tatsächlich so weit gehen, um dieses Ziel zu erreichen?

      Anton wollte nicht glauben, dass Vroni zu einer derartigen Tat fähig war. Zum ersten Mal wünschte er sich, mit dem Weib zu sprechen. Die Gelegenheit, sie zu den beiden Mägden zu befragen, würde sich aber sicher noch ergeben. Anton fragte sich auch, warum man die Frauen so abgelegt hatte, dass die Soldaten von König Ferdinand sie überhaupt hatten finden können. Das sprach dafür, dass jemand aus dem ungarischen Reich ein Zeichen setzen wollte. Vroni hätte die Toten sicher besser versteckt, wenn sie in den Mord verwickelt war.

      Der ungarische Adel musste allerdings auch wissen, dass zwei tote Mägde König Ferdinand nicht sonderlich beeindrucken würden. Sicher hätten sie ein anderes Ziel ausgewählt, um dem König ihren Unmut zu zeigen. Es war natürlich auch möglich, dass die beiden Küchenmägde einer normalen Räuberbande zum Opfer gefallen waren.

      Während Anton all diesen Überlegungen nachhing, kehrten die Soldaten mit dem Koch zu der Gruppe zurück.

      »Gehörten die Frauen zu deinen Mägden?«, fragte der König, der ziemlich ungehalten war, weil die Unterbrechung ihrer Reise so lange dauerte.

      »Ja, Eure Majestät. Beiden wurde mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten. Ich kann nicht verstehen, wie so etwas geschehen konnte! Das waren anständige Mädchen, die keinerlei Ärger gemacht haben.«

      Dem Koch war anzusehen, wie sehr er mit der Fassung rang. Kardinal Klesl, der nach dem Vorfall bei der Parade sehr schweigsam geworden war, und Erzbischof Maximilian taten so, als ginge sie die ganze Sache nichts an und auch der König schien nicht gewillt zu sein, noch länger vor der Stadt zu verweilen. Er gab den Befehl zum Aufbruch und ritt hinter einer Gruppe von sechs Soldaten an der Spitze des Zuges.

      Der restliche Tag verlief so, wie es Anton erwartet hatte. Der königliche Tross setzte seine Reise ohne weitere Zwischenfälle fort. Ferdinand und Maximilian blickten schweigend nach vorne und schienen es eilig zu haben, das ungarische Reich zu verlassen. Auch Klesl sprach Anton nicht an, so dass der in Ruhe seinen Gedanken nachhängen konnte, die sich darum drehten, ob Vroni etwas mit dem Mord an den beiden Mägden zu tun haben konnte. Auch die Frage, wie es sein konnte, dass der Kardinal beinah von einer Kugel getroffen worden war, wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen.

      Während Anton zerstreut dabei half, die Zelte aufzubauen, sah er immer wieder zum Koch und seinen Mägden. Vroni sah er aber erst, als er sich am Abend sein Essen abholte. In ihrem Blick lag ein Versprechen für die Nacht, welches Anton aber auf keinen Fall einfordern würde. So gerne er das Weib zur Rede gestellt hätte, er durfte nicht in Verdacht geraten, dass er mit der Magd anbändelte.

      Es würde seiner Karriere nicht guttun, wenn er gleich an ihrem Beginn beim König in Verruf geriet.

      Anton verbrachte den restlichen Abend in dem geräumigen Zelt von König Ferdinand, wo er die Ereignisse ihrer bisherigen Reise protokollierte. Als er kurz nach Einbruch der Dunkelheit für diesen Tag aus dem Dienst entlassen wurde, ging er zu einem Wäldchen, um sich zu erleichtern. Vroni stand ganz plötzlich hinter ihm.

      »Musst du dich so an mich heranschleichen?«, fragte Anton ärgerlich.

      »Du hast selbst gesagt, dass keiner merken soll, wenn wir uns treffen.«

      »Deshalb sollten wir auch warten, bis wir in Wien sind.«

      »Gerade ist aber niemand hier!« Vronis Stimme war nicht mehr als ein Hauchen und sie kam so nahe an Anton heran, dass der ihre Brust an seinem Oberkörper spüren konnte. Dann küsste sie ihn auf den Hals.

      »Hör sofort auf damit. Was wenn uns jemand sieht? Wir dürften gar nicht zusammen sprechen.«

      »Was ist so schlimm? Wir reden doch nur.«

      »Es ist mitten in der Nacht. Was willst du denn überhaupt?«

      »Ich wollte dich sehen. Freust du dich denn nicht?«

      »Doch, natürlich tue ich das …« Anton wusste, dass er Vroni jetzt nicht so schnell wieder loswerden würde. »Komm, wir gehen ein Stück von hier weg«, sagte er deshalb.

      Die beiden schlichen sich durch den Wald weg vom Lager und gingen so weit, bis sie außer Hörweite waren. Sofort fiel Vroni Anton wieder um den Hals.

      »Hör auf. Deswegen sind wir nicht hier«, zischte er, während er Vroni auf Abstand drängte.

      »Weswegen dann?«

      »Wir müssen reden. Sicher hast du mitbekommen, dass man die beiden Küchenmägde gefunden hat.«

      »Ja. Sie wurden ermordet.«

      »Weißt du etwas darüber?«

      »Wie meinst du das? Denkst du etwa, dass ich etwas damit zu tun habe.« Vroni sah Anton entrüstet an.

      »Nein, natürlich nicht«, antwortete der schnell. »Es könnte ja sein, dass du etwas gehört hast.« Anton hatte das Gefühl, dass die schöne Ungarin ihm etwas verschwieg. Auch wenn sie so tat, als könnte sie kein Wässerchen trüben, ahnte er, dass sie ihm noch einige böse Überraschungen bescheren würde.

      »Das habe ich nicht.« Vroni zog ihr Kleid über die Schultern nach unten, so dass Anton auf ihren nackten Busen schauen konnte.

      »Du musst mir zuhören«, sagte er und zwang sich dem Weib ins Gesicht zu sehen. »Wir dürfen uns so lange nicht mehr treffen, bis wir in Wien sind. Wenn wir erwischt werden, verlieren wir beide unsere Anstellung. Du landest dann als Hure in den Gossen der Stadt. Das willst du doch sicher nicht riskieren.« Innerlich atmete er tief durch. Er hatte der Ungarin gute Gründe genannt, die sie nicht so einfach beiseite wischen konnte.

      »Natürlich nicht.« Vroni schien zu begreifen, dass Anton in dieser Nacht nicht auf ihre eindeutigen Angebote eingehen würde, und richtete ihr Kleid. »Werden wir zusammen sein, wenn wir in Wien sind?«

      »Wir werden uns dort oft sehen können.«

      »Also wirst du mich heiraten?«

      Nein, das werde ich nicht. »Wir kennen uns noch viel zu wenig.«

      »Du hast es mir versprochen.«

      »Ich habe dir gesagt, dass ich zunächst meine Arbeit machen muss. Ein Weib kann ich mir nehmen, wenn ich zum ersten Schreiber des Kaisers bestimmt worden bin. Vielleicht dauert das aber noch Jahre.«

      »Und wenn das nicht geschieht?«, jammerte Vroni.

      »Das wird es. Verlasse dich darauf.«

      »Gut. Ich werde auf dich warten. In Wien entkommst du mir nicht. Sicher wirst du nicht wollen, dass ich dem König erzähle, dass du dich an den beiden Küchenmägden vergangen hast und das Gleiche auch bei mir versuchtest.«

      »Bist du von Sinnen?«, fuhr Anton die junge Frau an und packte sie mit beiden Händen an den Schultern. »Kein Wort davon ist wahr!«

      »Wird der König dir das aber glauben?« Ein hinterhältiges Lächeln umspielte ihre Lippen.

      Du gottlose Hexe. Das werde ich dir irgendwann heimzahlen. Der Tag wird kommen, an dem du es bereuen wirst, mir gedroht zu haben! Anton konnte es nicht fassen, dass Vroni tatsächlich zu derartigen Mitteln greifen wollte, um ihn zu zwingen, sie zur Frau zu nehmen. Wenn es ihr um Reichtum ging, gab es in Wien viele Männer, die ihr mehr zu bieten hatten als Anton. Auch dann, wenn er tatsächlich der erste kaiserliche Schreiber war. Widerwillig musste er sich aber auch eingestehen, dass er im Moment auf das falsche Spiel des Weibes eingehen musste.

      »Lass uns zurück zum Lager gehen«, sagte Anton schließlich besänftigend. »In den nächsten Tagen müssen wir vorsichtig sein. Wenn wir in Wien sind, werde ich dir ein paar


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