Royal Horses (2). Kronentraum. Jana Hoch
gefunden. Besonders den Teil, in dem sich der Mantel verhakte und Livy an mir zog, um mich zu befreien. So wie die Dinge jetzt standen, konnte ich jedoch nur das Kissen fester an mich drücken und mich darauf konzentrieren, nicht zu weinen.
»Bei der Freundin handelt es sich um niemand Geringeren als Olivia Campbell, Tochter des Politikers Lester Campbell«, sagte die Sprecherin gerade und die Kamera zoomte auf Livy. »Ob Tristan seine Prinzessin über diesen gemeinsamen Kontakt kennengelernt hat, ist noch unklar. Aber viele halten dies für äußerst wahrscheinlich.«
Livy schnaubte. »Nein, äußerst unwahrscheinlich. Wenn ich Tristan persönlich kennen würde, hätte ich ihn mir wohl schon längst selber geangelt.«
Sie sah zu mir herüber und grinste schief, ganz offenbar mit der Absicht, mich aufzumuntern. Ich versuchte, es nachzuahmen, aber meine Mundwinkel schafften es nicht, sich auch nur einen Millimeter anzuheben.
Livy wechselte den Sender. Einmal. Zweimal. Doch überall wurden die Aufnahmen der Drohne gezeigt. Wir blieben an einer aufgeregten Reporterin mit Schmetterlingsbrille hängen, die so schnell sprach, dass es schwer war, sie zu verstehen. »… ist es nicht auszuschließen, dass diese Beziehung schon über einen längeren Zeitraum besteht und auch der Grund dafür ist, dass Prinz Tristan sich der Öffentlichkeit entzogen hat. Die Theorien hierzu gehen sogar so weit, dass ein uneheliches Kind der beiden der Grund für das plötzliche Abtauchen des Prinzen sein könnte.«
Livy und ich wechselten einen schockierten Blick. Das konnten die unmöglich ernst meinen! Ich war erst sechzehn!
»Hat Prinz Tristan sich also seiner Rolle verweigert, um für seine Freundin da sein zu können? Bis jetzt handelt es sich lediglich um ein Gerücht. Sollte es jedoch stimmen, würde es den Skandalen um Prinz Tristan im wahrsten Sinne des Wortes die Krone aufsetzen.«
Ich schob mir das Kissen über den Kopf und schloss die Augen. Dennoch drangen die Worte der Sprecherin deutlich an mein Ohr. »Bis jetzt gibt es weder eine Stellungnahme von Greta Hayes …« Na großartig. Sie kannten sogar schon meinen Namen. »… noch vom Palast. Das bedeutet …«
Stille.
Ich hob das Kissen von meinem Gesicht, sah auf den schwarzen Bildschirm und dann zu Livy, die die Fernbedienung wieder auf den Couchtisch legte. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, rutschte näher zu mir heran und drückte meine Hand. »Das kommt alles wieder in Ordnung. Versprochen. Zusammen schaffen wir das … Irgendwie.«
Es gelang mir zu nicken, auch wenn ich nicht wusste, wie mein Leben jemals wieder in Ordnung kommen sollte. Ich hatte eher das Gefühl, dass es von Minute zu Minute schlimmer wurde. Sogar Jordan war seine Unruhe anzumerken gewesen, als ich vorhin mit ihm telefoniert hatte. Er hatte angeboten, sofort von der Arbeit zu kommen und mich abzuholen, Mum und Dad anzurufen, ja sogar mit mir wegzufahren. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn schon einmal so überfordert erlebt zu haben. Seine Stimme hatte sich regelrecht überschlagen und er hatte immer und immer wieder versichert, dass ich mir keine Sorgen machen müsste, weil er schon alles für mich regeln würde. Ich liebte ihn umso mehr dafür, auch wenn ich ganz genau wusste, dass er es nur so oft wiederholte, um selbst nicht die Fassung zu verlieren. Nicht vor mir zumindest.
Nach einem fast einstündigen Telefonat hatten wir uns geeinigt, dass es vorerst das Beste war, wenn ich bei Livy blieb. Mr Campbell hatte eingewilligt und Jordan versprochen, dass er alle Termine für den Nachmittag absagen und von zu Hause arbeiten würde.
»Kann ich irgendetwas für dich tun? Vielleicht Pizza bestellen? Oder Cookie-Eiscreme?«, fragte Livy zaghaft und sah mich dabei so hoffnungsvoll an, dass ich es nicht über mich brachte, den Kopf zu schütteln.
»Pizza klingt gut«, murmelte ich und dieses Mal schaffte ich es sogar zu lächeln. Sie wirkte erleichtert und sprang auf. »Wird sofort in Auftrag gegeben. Ich frage nur kurz Dad, ob er auch etwas möchte.« Damit flitzte sie auf ihren rosafarbenen Katzensocken über den Marmorboden und die Bogentreppe hinauf zu Mr Campbells Arbeitszimmer. Ich durfte Livys Vater zwar Lester nennen, aber es fiel mir noch schwer. Er war immer freundlich und riss sogar Witze, wenn ich bei Livy zum Abendessen blieb. Trotzdem hatte er etwas Erhabenes an sich, das er nie ablegte. Vielleicht lag es daran, dass er stets einen Anzug trug, selbst wenn er einen Tag freihatte oder sich abends die Fußballberichte im Fernsehen ansah. Livy hatte mir einmal verraten, dass es das höchste der Gefühle war, dass er in den eigenen vier Wänden seine Krawatte ablegte.
Was er wohl insgeheim darüber dachte, dass seine einzige Tochter und ich auf so abgrundtief peinliche Weise im Fernsehen gelandet waren? Bis jetzt hatte er sich nichts anmerken lassen und lediglich davon gesprochen, dass er ein paar Dinge in die Wege leiten und seine Anwälte kontaktieren würde. Auch zu der Sache mit Ethan und dem Autounfall hatte er in meiner Gegenwart nie ein Wort verloren. Er behandelte mich genauso freundlich wie früher. Trotzdem schämte ich mich dafür und konnte ihm manchmal kaum in die Augen sehen.
Mit einem Seufzen ließ ich mich weiter in die Kissen sinken und streckte die Beine aus, jedoch ohne die Füße auf die schneeweißen Polster zu legen. Auch wenn ich keine Schuhe trug – das hatte ich mich noch nie getraut.
Neben mir vibrierte mein Handy. Mum und Dad, schoss es mir in den Kopf. Shit! Ich hatte immer noch keine Idee, wie ich ihnen die ganze Sache erklären sollte, ohne dass sie glaubten, ich wäre endgültig verrückt geworden. Was, wenn sie forderten, dass ich zurück nach Deutschland kam?
Das war alles bloß ein großes Missverständnis, würde wohl kaum noch ziehen. Andererseits konnte ich sie auch nicht ignorieren. Das würde bloß dazu führen, dass sie sich noch mehr Sorgen machten, Jordan mit Anrufen überhäuften und sich in den nächsten Flieger setzten. Ohne hinzusehen, tastete ich nach meinem Handy und wollte den Anruf bereits annehmen, als ich den Namen auf dem Display las. Vor Schreck rutschte es mir aus der Hand und landete auf dem Teppich.
»Willst du nicht rangehen?«
Entgeistert fuhr ich herum. Ich hatte Livy gar nicht kommen gehört. Sie umrundete das Sofa, hob das Handy auf und hielt es mir fragend entgegen. Ich schüttelte den Kopf. Livy warf einen Blick auf das Display und zog vielsagend die Augenbrauen hoch. »Vielleicht solltest du …«
In diesem Moment wurde der Bildschirm dunkel und zeigte einen verpassten Anruf. Schnell griff ich nach dem Handy und ließ meinen Finger über die Anzeige wischen, damit er verschwand. Dann verbannte ich das Telefon ans andere Ende des Tisches und wartete, dass mein Herzschlag sich normalisierte. Livy hatte recht: Früher oder später würde ich mit Edward reden müssen. Aber jetzt gerade war ich noch nicht bereit dazu.
Wir verbrachten den restlichen Abend in Livys Zimmer – einem Designertraum in Weiß, mit rosafarbenen Akzenten – aßen Pizza und sahen Fernsehen. In der Sendung ging es um einen Ermittler, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, rätselhafte Fälle aufzuklären, die an Vampirangriffe erinnerten. Das Ganze erschien mir ziemlich verstörend, aber gerade waren mir blutrünstige Vampire allemal lieber als jene, die sich aus einem viel zu schmalen Kellerfenster zwängten. Allein wenn ich daran dachte, zog sich alles in meinem Bauch zusammen.
Es wurde bereits dunkel, als es klingelte und ich Jordan in die Arme lief. Er sah blass aus und wenn man die tiefen Sorgenfalten um seine Augen genauer betrachtete, konnte man denken, dass er seit heute Morgen um einige Jahre gealtert war. Ohne ein Wort zu sagen, drückte er mich an sich und streichelte mir über den Kopf.
»Alles okay, Krümel. Wir biegen das wieder hin«, flüsterte er und klang dabei wieder so ruhig und selbstsicher, wie ich ihn kannte. Wie mein großer Bruder. Mein sicherer Fels. Mein Ritter, der mich vor allen Gefahren des Lebens verteidigte. Damals, als ich wirklich noch ein Krümel gewesen war, genauso wie heute.
Ob er einen Plan hatte?
Ich kam nicht dazu, ihn zu fragen, denn Jordan löste sich von mir, begrüßte Livy und wechselte ein paar Worte mit Mr Campbell. Nein, natürlich Lester. Sie zogen sich in die offene Küche zurück, die mindestens so groß war wie unsere gesamte Wohnung. Während ich meine Jacke anzog und mir die Schuhe zuband, glaubte ich zu hören, dass Lester Jordan riet, mich vorerst aus der Schule zu nehmen, und ihm die Namen einiger spezieller Anwälte gab. Nur würden mein Bruder und ich uns diese wohl