IMMUN. Sebastian Weis
Zellreparatur. Mehr dazu finden Sie im zweiten Teil des Buches.
Im nächsten Abschnitt tauchen wir ein in die Welt der Immunzellen. Dieser Abschnitt ist wertvoll für Sie, wenn Sie sich tiefergehend dafür interessieren, wie und worauf diverse Empfehlungen der Ayurveda-Medizin wirken. Wenn Sie „nur“ die praktische Anwendung interessiert, können Sie die nächsten Seiten getrost überfliegen oder auslassen.
Killer, Strategen, Formwandler und Wächter
Alle Zellen des Immunsystems werden im Knochenmark aus einem gemeinsamen Typ von Ausgangszellen gebildet: den Stammzellen.
Stammzellen
Stammzellen duplizieren sich ständig, wobei das Original immer im Knochenmark verbleibt. Die Kopie wird in den Körper abgegeben.
Aus Stammzellen können alle möglichen Körperzellen entstehen. In der Regel werden es rote Blutzellen, Blutplättchen und weiße Blutzellen (Leukozyten). Rote Blutzellen besitzen den Farbstoff Hämoglobin, der für den Sauerstofftransport notwendig ist. Weißen Blutkörperchen fehlt dieser Farbstoff.
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Der Prozess der Zellbildung und -differenzierung findet jeden Tag statt, solange wir leben. So wie sich die roten Blutkörperchen in unserem Blut nach einer Verletzung oder Blutspende wieder auffüllen, so werden auch die Zellen unseres Immunsystems ständig aufgefüllt.
Je weniger frei zirkulierende Stammzellen Sie im Körper haben, desto geringer ist Ihre Regenerationsfähigkeit und desto langwieriger sind Erkrankungen.
Viele chronische Erkrankungen gehen einher mit einer reduzierten Stammzell-Menge, z. B. Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, erektile Dysfunktion, Rheuma, Asthma, Nierenprobleme uvm.
Alle Immunzellen beginnen als unreife Stammzellen im Knochenmark. Je nach Bedarf entwickeln sie sich zu spezifischen Immunzelltypen, wie Makrophagen, T-Zellen, B-Zellen oder Phagozyten.
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In was sich eine Stammzelle verwandelt, wird über Botenstoffe gesteuert. Dendritische Zellen haben wir bereits in der Haut kennengelernt. Jetzt schauen wir uns vier ihrer Kollegen an: Makrophagen, T- und B-Lymphozyten und die Blutplättchen.
Makrophagen
sind überall im Körper verteilt. Je nachdem, wo sie sich befinden, haben sie in der modernen Wissenschaft unterschiedliche Namen bekommen:
• Mikroglia im Gehirn
• Kupfer-Sternzellen in der Leber
• Alveolarmakrophaen in der Lunge
• Osteoklasten im Knochen
• Lipophagen
• Muziphagen usw.
Neben der Immunabwehr übernehmen sie im Gewebe auch regulatorische Funktionen. So unterstützen sie z. B. in den Hoden des Mannes die Synthese von Testosteron. Wenn im Hoden eine Entzündung vorliegt, können sie diese Funktion nicht mehr wahrnehmen. Das kann zu Unfruchtbarkeit führen. Im Ayurveda ist die Immunkraft sehr eng verbunden mit der Fruchtbarkeit bzw. mit den Geweben der Fortpflanzungsorgane. Sie gehören zu den ältesten Teilen der Immunabwehr: schon Pflanzen haben makrophagenartige Zellen.
B-Lymphozyten – das Immungedächtnis
Zwei Arten von Lymphozyten bilden das adaptive Immunsystem - B- Zellen und T-Zellen.
B-Zellen reifen im Knochenmark heran (daher der Name "B-Zelle" B steht für engl. bone marrow = Knochenmark). B-Lymphozyten bilden das Immungedächtnis. Sie sind vor allem für die Produktion von Antikörpern zuständig. Wenn Sie sich nach einer Infektion auf einen Erreger spezialisiert haben, patrouillieren sie in geringer Menge durch den gesamten Körper. Sie sondern Antikörper ab, die sich über das Blut im ganzen Körper verteilen. Sobald der Erreger neu gesichtet wird, vermehren sich die B-Lymphozyten rasend schnell und signalisieren anderen Teilen des Immunsystems, sich ebenfalls zu aktivieren. Gedächtniszellen sind aus zwei Gründen entscheidend. Erstens ermöglichen sie es unserem Immunsystem, schnell zu reagieren. Zweitens sind sie spezifisch für den Erreger, so dass die Immunantwort in dem Moment bereit ist, in dem der Erreger angetroffen wird. Wenn also ein B-Lymphozyt sich auf einen Angreifer spezialisiert hat, reagiert er auch nur noch auf diesen einen Erreger. Im Laufe unseres Lebens entstehen also mit jeder neuen Infektion neue, spezialisierte Lymphozyten, die alle spezifische Antikörper herstellen. Bei der Entwicklung kann es auch schon mal vorkommen, dass Antikörper-Varianten entstehen, die auf körpereigene Oberflächenstrukturen passen. Diese werden sofort eliminiert. Dennoch bleiben über 100 Millionen Varianten übrig, die idealerweise lebenslangen Schutz bieten.xxxvii
T-Lymphozyten – Strategen und Killer
Stammzellen, die zu T-Zellen werden, wandern über unseren Blutkreislauf vom Knochenmark zur Thymusdrüse (daher das T in T-Zelle). Hier reifen sie. Die Thymusdrüse befindet sich knapp oberhalb des Herzens hinter dem Brustbein.
T-Zellen tragen auf zweierlei Weise zur Immunabwehr bei: Einige lenken und regulieren die Immunantwort durch die Freisetzung von Zytokinen, andere greifen infizierte oder krebsartige Zellen direkt an. Weil sie nicht den Krankheitserreger direkt angreifen, sondern körpereigene, erkrankte Zellen, dürfen ihnen keine Fehler unterlaufen. Sie müssen fehlerfrei infizierte Zellen von gesunden Zellen unterscheiden können. Infizierte Zellen, die z. B. von einem Virus befallen sind, zeigen das an ihrer Zelloberfläche mit speziellen Molekülen an. Auf diese Antigene reagieren die T-Lymphozyten. Auch Krebszellen haben eine veränderte Oberflächenstruktur. Daher forscht man intensiv daran, wie man das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen den Krebs unterstützen kann.
Damit die T-Lymphozyten fehlerfrei erkennen, welche Zellen gesund sind und welche nicht, erhalten sie im Gegensatz zu den B-Lymphozyten eine spezielle Ausbildung. Diese findet in der Kindheit und Jugend im Thymus statt, später weiterhin in den Lymphknoten, der Milz und den Mandeln. T-Zellen, die auf gesunde Zellen reagieren würden, werden hier direkt aussortiert und eliminiert. Die erfolgreich ausgebildeten T-Zellen zirkulieren im Blut oder wandern ins Gewebe, wo sie eine Art Wächterfunktion übernehmen. Wenn T-Zellen aktiviert werden, treten sie direkt mit ihrer Spezialisierung in Aktion:
• T-Helferzellen schütten Zytokine aus und aktivieren andere Immunzellen.
• Zytotoxische T-Zellen lösen mithilfe von Enzymen ein Stück der Zellmembran der betroffenen Zellen auf und geben Gifte in die Zellen ab, welche die Selbstzerstörung einleiten.
• Natürliche Killer T-Zellen docken an den Zielzellen an und aktivieren ebenfalls die Selbstauflösung.
• Regulatorische T-Zellen regulieren bzw. unterdrücken die Immunantwort nach getaner Arbeit.
Bestimmte T-Zellen sind an der Gewebeentwicklung bei Kindern beteiligt.xxxviii Bestandteile des Immunsystems übernehmen also auch andere Aufgaben im Körper. Umgekehrt gibt es Zellen, von denen man bis vor kurzem gar nicht wusste, dass sie bei der Immunabwehr eine Rolle spielen: die Blutplättchen.
Blutplättchen – die Sentinels
Blutplättchen (Thrombozyten) spielen eine zentrale Rolle bei der Blutgerinnung und bei der Sicherung der Gefäßwände. Sie sind die