Banditen und Revolver-Docs: Super Western Sammelband 9 Romane. Pete Hackett
aber es kam nicht. Erst als er sich umdrehte und seine Reitstiefel auf dem Boden scharrten, sagte Harry Scott: „Glenn, ich wollte doch noch ein paar Worte mit dir reden. Setz dich!“ Seine Stimme klang sanft, aber Glenn spürte deutlich die leise Schärfe, die darin mitschwang. Es war eine Stimme, die keinen Widerspruch mehr dulden wollte. Etwas Bestimmendes, Unnachgiebiges.
Glenn gehorchte. Er setzte sich und wartete.
Harry Scott sah auf.
„Du lebst jetzt wie in einer anderen Welt. Ich will diese Ranch haben. Ich will sie haben. Nun weißt du es. Und für wen, glaubst du, will ich sie haben?“ Darauf gab Glenn keine Antwort. Er zuckte nur die Schultern. „Für dich! Für deine Zukunft.“
„Ihr seid also doch Banditen!“
Harry Scott lachte nicht, wie Stratz es getan hatte.
„Wir sind Banditen, sagst du? Hmm, manche nennen uns so. Andere sehen uns besser. Die armen Teufel zum Beispiel, denen wir helfen.“
„Stratz hat mir erzählt, Geld verteilen und so“, meinte Glenn spöttisch.
„Es ist etwas an dir, Glenn, das mir nicht gefällt. Ein Zug, der mir schon an deiner Mutter nie gefallen hat. Du hältst dich für einen Ausbund der Tugend, nicht wahr? Irrtum, Glenn. Du bist nur falsch erzogen. Zum Sklaventum haben sie dich aufgepäppelt. Du bist ewig ein Nichts gewesen, ein Mensch, der immer tat, was andere wollten, dem sie sagen konnten, was ihnen Spaß machte. Und jetzt, ausgerechnet mir gegenüber, machst du dich zum Richter über Recht und Unrecht.“
In Glenn war etwas zerbrochen. Der Bann, der auf ihn noch vorhin gewirkt hatte, kam nicht mehr an. Er sah seinen Vater nun anders, auch wenn es Ionu war, den sie schädigen wollten. Aber das mit dem Kind, das hatte Harry Scott doch nur zum Schein vor.
„Du willst also die Ranch nicht dem Jungen geben, diesem Sohn von Ionu?“, erkundigte sich Glenn.
„Auf dem Papier, mein Lieber, nur auf dem Papier. Du wirst sie eines Tages erhalten, du!“ Er machte eine Pause und zog die Augenbrauen hoch. „Wenn du allerdings nicht spurst, dann ...“ Glenn wartete darauf, was „dann“ sein würde, aber Harry Scott sprach es nicht aus. Er versuchte es noch einmal, auf Glenn einzureden, erzählte ihm sogar, wie er diese Ranch und überhaupt das ganze County allmählich in den Griff bekommen wollte. Es war ein genialer Plan, aber eben der Plan eines Banditen, und Glenn sah im Geiste wieder frisch aufgeworfene Hügel. Vielleicht würde mancher anständige Mensch „auf dem Weg zum Ziel“, wie Harry Scott es nannte, sterben. Denn Harry Scott ließ keinen Zweifel daran, dass er seinen Weg gehen werde und alles, was sich ihm entgegenstemmen wollte, niedertrampeln wollte.
Glenn schwieg dazu. Er ließ seinen Vater reden, der schließlich damit endete: „... wir werden vielen armen Menschen helfen, wenn sie dafür bereit sind, uns zu unterstützen. Aber wir werden auch an uns denken. Und alle, die hier im Lande mächtig geworden sind, haben zuerst den Weg freikämpfen müssen. Denk nur an die Eisenbahnen! Weißt du, wieviel Blut geflossen ist, bevor die Schienen lagen? Weißt du, wieviel Blut noch fließen wird, bevor der letzte Zug fährt? Junge, die Welt ist ein Kampf, und wer nicht kämpfen will und kann, geht unter. Du hast heute gezeigt, dass du ein Kämpfer bist. Nun werde nicht nervös. Ich verstehe ja, dass es dich mitnimmt, aber jetzt reiß dich zusammen und sei ein Kerl.“
„Ich möchte lieber hier weg, ich will nicht bei euch bleiben.“ Glenn sagte es fast mechanisch, ohne dass er es hatte sagen wollen.
Bis jetzt war Harry Scott geduldig geblieben. Doch nun fuhr er hinter dem Tisch hoch und zischte böse: „Du bleibst hier! Du gehörst jetzt dazu, und so halten wir es!“
„Du wirst mich nicht lange halten können“, erwiderte Glenn trotzig.
„Meinst du wirklich, Junge?“, fragte sein Vater drohend.
„Ich werde nun reiten.“ Er drehte sich um und ging zur Tür. Als er über die Schulter zurückblickte, stand sein Vater immer noch hinter dem Tisch. Doch als Glenn die Tür öffnete, rief Harry Scott: „Henry!“
„Soll er wieder das Messer nehmen?“
„Verdammt!“, grollte sein Vater.
Da stürzte Deville in den Flur. „Harry?“
„Er will weg! Halt ihn fest!“, rief Harry Scott.
Glenn sah Deville kommen. Der zögerte, weil es ihm wohl doch nicht gleich war, wen er da aufhalten sollte. Harry Scott schien ebenfalls nicht so skrupellos zu sein, um den Revolver gegen den eigenen Sohn zu ziehen.
Glenn sah seinen Vater an.
„Ich will weg, und irgendwann komme ich sicher weg. Ich bin nicht dein Feind. Ich werde weit weg irgendwohin reiten, wo keiner unseren Namen kennt. Weiter nichts.“
„Gut, reite!“, erklärte Harry Scott und gab Deville einen Wink. Der trat zur Seite und ließ Glenn vorbei. Kaum klappte hinter Glenn die Haustür zu, sagte Harry Scott: „Henry, er ist anders als wir. Reite ihm nach und bleib so lange hinter ihm, bis du sicher bist, dass er wirklich einen weiten Ritt macht!“ Deville nickte nur. Harry Scott schien doch Bedenken zu haben und sagte noch: „Du sollst ihn nur beobachten, sonst nichts. Dann kommst du wieder.“
„Und wenn er Mätzchen macht?“, fragte Deville raukehlig.
„Dann bringst du ihn mir wieder.“
Deville brummte etwas Unverständliches, dann ging auch er.
8
Als Junge hatte Glenn einmal gesehen, wie drei Banditen gehenkt worden waren. Drei Männer, die weniger getan hatten, als Harry Scott mit seiner Schar tun wollte oder schon getan haben mochte. Er musste wieder daran denken, als er durch die Nacht ritt. Eigentlich hatte er Stratz noch treffen wollen, aber der junge Revolverschwinger war nicht mehr am Corral gewesen.
Lange Zeit ritt Glenn auf seinem Cayusen den North Platte River entlang flussabwärts. Bald würde er Wendover erreichen. Aber nur, damit er sich morgen früh von Mrs. Howard verabschieden konnte.
Er fragte sich, ob das überhaupt einen Sinn hatte. Doch dann dachte er an die Fürsorge, die ihm diese Frau drei Jahre lang bewiesen hatte und ritt in dieser Richtung weiter. Er dachte auch an Roy. Sicher war der in der Stadt. Vielleicht weilten auch Babs und Ellen dort. — Komisch, überlegte er, dass Hattkinson nicht gekommen war. Oder wollte er etwa eine Posse gegen Harry Scott aufbieten?
Ich sollte um Wendover einen Bogen machen, sagte sich Glenn. Dort ist für mich nur Kummer zu holen. Nichts weiter.
Vielleicht briet sich dort auch etwas gegen seinen Vater zusammen. Was konnte er da tun? Sollte er seinen Vater warnen? Oder sollte er etwa gegen seinen Vater Partei ergreifen?
Er entschied sich, keines von beidem zu tun.
Als er einmal anhielt, um sein Pferd am North Platte saufen zu lassen und dabei überlegte, ob er nicht den Rest der Nacht hier kampieren sollte, sah er am Uferrand oben die Silhouette eines Reiters gegen den Nachthimmel. Er sah sie ganz deutlich, auch die Haltung des Reiters im Sattel. So wusste er sofort, wer dieser krumm im Sattel hockende Mann war. Die Konturen ließen keinen Zweifel offen. Der Mann dort oben hatte sein Pferd gezügelt.
Deville also, dachte Glenn. Und bestimmt ist er nicht aus freien Stücken hinter mir geritten.
Gespannt beobachtete Glenn den Mann dort oben. Er sah, wie der sein Gewehr aus dem Scabbard zog, er sah auch, wie Deville absaß und langsam näher an die hohe Uferböschung kam.
Glenn befand sich ein gutes Stück weiter unten, direkt am Rand des Wassers. Sein Cayuse schnaubte leise und soff dann wieder weiter. Glenn zog den Revolver und trat weiter neben das Pferd, kauerte sich und beobachtete unter dem Bauch des Tieres hindurch Deville.
Der stand nun zwischen einzelnen Büschen, die am Hang wucherten. Glenn konnte ihn jetzt nicht mehr so deutlich sehen wie vorhin, weil nicht mehr der Nachthimmel hinter Deville war.
Leise