9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017. Frank Rehfeld
es da hinten ein totales Durcheinander geben. Und das konnte nur dazu führen, dass sich das Blatt wendete.
„Ist mir egal, wo du anhältst!“, schrillte der Mobster. „Aber mach es jetzt sofort!“
Jim schaltete herunter. „So ein Truck hat eine Druckluftbremse. Wenn ich drauftrete, steht die Kiste sofort. Und du gehst mit dem Kopf durch die Scheibe, Benito. Weil dann aber deine verdammte MPI losgehen könnte, bin ich lieber vorsichtig. Reiner Selbsterhaltungstrieb also.“
Noch 30 Meter waren zu überwinden. 30 Meter, auf denen der Kenworth langsam und ruhig zum Stehen kommen würde.
Benito lachte meckernd. Seine ganze Nervosität klang heraus. „Du hältst dich für clever, was? Aber ich kriege den Schlorren auch anders zum Stehen! Dadurch, dass ich dich umlege, Mann! Jetzt gleich!“
Jim musste seine volle Nervenstärke aufbieten, um ruhig zu bleiben. „Einen Kenworth...mit einem Toten am Steuer...hast du nicht unter Kontrolle, Benito. Niemals. Schlag dir das aus dem Kopf. Da vorn geht’s ziemlich steil runter...“ Während er sprach, schaltete er herunter, und die Bremswirkung des gedrosselten Motors tat ein Übriges, um dem ‚Thunder‘ weiter die Fahrt zu nehmen. „... und dann die Haarnadelkurven! Hast du jemals einen Kenworth gefahren, Benito?“
„Jahrelang Trucker gewesen!“, schrie der Mobster. „Mann, meine Familie ist riesengroß in der Müllabfuhr!“
Da gehört sie auch hin, hätte Jim am liebsten gesagt. Doch er verkniff es sich. Denn mittlerweile waren es nur noch zehn Meter, und die Tachonadel zitterte schon zwischen der Fünf Meilen Marke und dem Anschlag.
„Also, bitte“, sagte der große Texaner. „Da sind wir schon! Was soll ich machen? Handbremse anziehen? Motor aus?“
„Nein!“, keifte Benito. „Nein, verdammt! Handbremse anziehen, ja! Aber du lässt die Kiste laufen, verstanden! Und du steigst aus, wenn ich es dir sage!“ Er wurde noch unruhiger, rutschte auf seinem Sitz hin und her und fuchtelte mit der MPI, dass sie jeden Moment aus Versehen losgehen konnte.
„In Ordnung, in Ordnung, ich mache alles so, wie du es sagst.“ Jim zog den ‚Thunder‘ sacht auf den mit Schotter befestigten Seitenstreifen. Und dann brachte er den Truck ruckfrei zum Stehen. Er zog die Handbremse an. Der Diesel brummte im Leerlauf.
„Okay“, sagte Benito gepresst. „Du steigst wieder auf meiner Seite aus, und dann stellst du den Auflieger auf die Stützräder und kuppelst ihn ab! Los, los, Bewegung!“
Jim hatte keine Zeit, es zu verdauen. Es passte zu dem Mobster, dass er sich allein absetzen wollte. Er war der Typ, der jeden im Stich ließ, wenn es zu seinem eigenen Vorteil geschah.
Jim gehorchte.
Kein Laut war aus dem Auflieger zu hören.
Benito führte ihn von der Beifahrerseite zurück auf die linke Seite des Kenworth und hielt ihn mit der MPI in Schach, während Jim den Befehl ausführte. Dann, als er die Stützräder hochkurbelte, so dass der Zugwagen problemlos anfahren konnte, hastete Benito plötzlich rückwärts los. Geschickt wie ein Affe, zog er sich hoch und riss die Fahrertür auf, ohne den Texaner aus den Augen zu lassen.
Im nächsten Moment saß Benito hinter dem Lenkrad.
Der Diesel brüllte. Die Antriebsräder packten mit wilder Kraft. Schottersteine sausten wie Geschosse unter den Zwillingsreifen hervor. Ein Stein traf Jim am Bein. Er ignorierte den Schmerz. Aus einem Gedankenimpuls heraus rannte er los, auf das Unterholz zu.
Und er hatte richtig vermutet.
Benito bremste nach fünf Metern, riss das Lenkrad herum und stieß zurück, dass der Schotter in die entgegengesetzte Richtung spritzte.
Jim sah ihn, als die Fahrertür aufflog.
Der Waffenstahl verursachte ein mattes Blinken.
Jim sprang, holte alles aus seinen Beinmuskeln heraus, um die letzten zwei Meter zu überwinden.
Die MPI hämmerte. Geschosse sengten und prasselten in die Baumstämme.
Im flachen Sprung erreichte Jim das Unterholz. Zweige schlugen über ihm zusammen. Sofort rollte er sich ab, robbte weiter, flach auf den Boden gepresst.
Eine letzte Kugelgarbe raste über ihn hinweg.
Dann röhrte der Diesel erneut los. Benito zog es vor, zu verschwinden. Der Dieselklang war wie Donner zwischen den grünen Wänden des Waldes.
Jim rappelte sich auf. Er bahnte sich seinen Weg aus dem Unterholz, lief auf den Auflieger zu. Der Diesel war noch immer zu hören. Doch ein anderes Geräusch mischte sich hinein.
Benzinmotoren. Mehrstimmig und hochtourig.
Jim öffnete das Aufliegerheck und warf sich hin.
Nichts geschah. Es gab keinen heißen Empfang.
Stattdessen erscholl Bob’s Stimme.
„Okay, Freunde, das war’s dann! Jetzt steigen wir gleich aus... und zwar einer nach dem anderen!“
Jim richtete sich auf und erfasste die Lage mit einem einzigen Blick.
Bob, Barry und Sheila hatten die Waffen der Ausbrecher eingesammelt. Der komplette Stahlhaufen lag vorn im Auflieger, von Lawrence Webster bewacht, der am Boden hockte - blass, aber glücklich.
„Ein glatter Durchschuss!“, rief er, um Jim zu beruhigen, und es hörte sich an, als ob es eine Auszeichnung war, auf die man stolz sein konnte.
Für Caligula gab es keine Hilfe mehr.
Alle anderen saßen auf den Matratzen, die Hände auf dem Kopf, von Bob und Barry in Schach gehalten.
„Schätze, ihr braucht mich hier nicht“, stellte Jim fest.
Und ohne eine Antwort abzuwarten, sprintete er los.
27
Bis zur Rennstrecke waren es keine 500 Meter.
Jim rannte die unbefestigte Zufahrt entlang. Das Motorensingen empfing ihn in den höchsten Tönen. Er sah die Mondlandschaft, in der die Stock Cars auf Kurs waren. Bunte Donnerbolzen, die Dreck und Schlamm aufwirbelten. Aufgemotzte Serienwagen, die sich durch mächtige Motoren und starke Überrollbügel auszeichneten. Ansonsten fehlten ihnen so unwichtige Sachen wie Türen und Kotflügel.
Jim rannte durch die Hügellandschaft, die mit Wohnwagen und Geländewagen vollgeparkt war.
Und plötzlich empfing ihn das Geschenk des Himmels.
Ein gewaltiger Pontiac Firebird rollte wummernd aus der Richtung des Starts herüber. Als Pontiac war der Bolide eigentlich nur noch durch die rote Motorhaube zu identifizieren. Ansonsten bestand er hauptsächlich aus mächtigen Reifen und einem Motor, dessen Kraft man mehr hören als ahnen konnte.
Jim lief auf den Fahrer zu, winkte mit beiden Händen.
Der Mann stoppte. Er war blond und bärtig unter seinem Helm, trug einen noch blitzsauberen Overall und darüber Hosenträgergurte.
„Leihst du mir deinen Renner?“, fragte Jim rasch. Während er mit drei Sätzen erklärte, was Sache war, zupfte er einen Hunderter aus der Tasche, um ihn als Pfand dazulassen.
Der Blonde wehrte ab, befreite sich von seinen Gurten und übergab Jim den Helm beim Aussteigen. „Wenn’s für ’nen guten Zweck ist...“ sagte er dumpf. „Behalt dein Geld. Die Hurensöhne haben mich disqualifiziert, nur weil ich 50 PS zu viel unter der Haube habe!“
Jim steckte den Hunderter wieder ein und klemmte sich hinter das Lenkrad. Er stülpte den Helm über den Kopf und legte die Gurte an. „Wieviel PS sind’s denn?“, erkundigte er sich, während er vorsichtig auf das Gas tupfte.
Der Achtzylinder rumorte, als ob er die Haube wegsprengen wollte.
„500“, antwortete der Blonde