9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017. Frank Rehfeld

9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld


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mir durchaus eine sonnige Zukunft bevor. Und haltet euch immer vor Augen, was ihr euch in den nächsten Minuten auch überlegt: Wenn Deegan ein Spitzel ist, seid ihr für den Tod eines Unschuldigen verantwortlich! Vielleicht ist er sogar ein Undercover-Cop! Das wäre dann noch schlimmer!“

      Barry wollte etwas sagen. Doch er versuchte kaum, den Mund aufzumachen, als sich der Druck der Klingenspitze verstärkte.

      Benito war auf der Hut, höllisch auf der Hut.

      „Nennen Sie Ihre Forderungen“, sagte der Uniformierte.

      „Fein“, antwortete Benito. „Dann machen wir’s der Reihenfolge nach. Erst mal legt ihr eure Schießeisen und Knüppel ab. Aber nicht alle auf einmal, sondern einer nach dem anderen! Hier, bei uns, fangt ihr an. Es tritt immer einer vor und packt seinen Kram vor die Zelle in seiner Nähe. Die, die noch nichts zu tun haben, können schon mal Punkt zwei weitersagen: Ich will den Direktor hier haben. Und zwar presto! Damit wären wir dann auch schon bei Punkt drei: Zellen öffnen! Auch das dürft ihr weitersagen. Los jetzt!“

      Die Beamten gehorchten.

      Jenseits der Sicherheitsschleuse, in der Schaltzentrale, wurde die Verriegelung der Zellentüren gelöst. Metallisch ratternd rollten die Gittertüren zur Seite. Im oberen Stockwerk und im Erdgeschoß hielten Aufseher und Sträflinge den Atem an. Doch die Uniformierten wagten es nicht, ihre Waffen einzusetzen. Denn die Gefangenen im ersten Stock handelten schnell und zielstrebig.

      Hondo und Caligula waren die ersten, die sich mit Maschinenpistolen und Schlagstöcken ausrüsteten. Doch innerhalb von Sekunden war auch der Rest der Gefangenen im ersten Stock von Block A bis an die Zähne bewaffnet. Keiner von ihnen beging jedoch den Fehler, sich schon jetzt aus den Zellen herauszuwagen, auf die Gitterroste der Galerie oder gar des Mittelgangs.

      Dennoch hatte sich das Blatt bereits entscheidend gewendet.

      80 Gefangene, die auf Aldo Benitos Kommando hörten, hatten 24 unbewaffnete Aufseher vor den schussbereiten Läufen.

      Und Benito verfügte nach wie vor über seine Geisel, von der nur der Direktor die wahre Identität kannte. Der Mobster hatte sein Behelfsmesser inzwischen gegen eine schwere Automatikpistole eingetauscht, eine Beretta 92F. Die klobige Pistole, die auch Dienstwaffe der Army und vieler Polizeibehörden war, hatte eine Feuerkraft von 15 Schuss. Dagegen war jeder Revolver mit Sechs-Kammer-Trommel hoffnungslos unterlegen.

      „Ihr tätet gut daran, dem Direktor die neue Lage durchzugeben“, sagte Benito freundlich. „Es sei denn, er ist schon auf dem Weg. Aber bestimmt hat er ein Walkie-Talkie bei sich. Darauf wird er doch nicht verzichten. Oder?“

      Die Gefangenen lachten.

      „Er soll wissen, dass wir jetzt 25 Geiseln haben!“, fuhr Benito fort. „Das wird ihn in seinen Entschlüssen beflügeln.“

      Die Aufseher gaben die Nachricht nach vorn weiter - mündlich, wie zuvor.

      19

      Als der Direktor im Zellenblock A eintraf, hatten auch die Aufseher im Erdgeschoß und im oberen Stockwerk ihre Waffen abgeliefert. Sämtliche Gefängnisbeamte in diesem Block - einschließlich jener in den Sicherheitsschleusen - waren inzwischen in der Gewalt der Revoltierer. Die Zahl der Geiseln war damit auf annähernd hundert gestiegen.

      Der Direktor war ein mittelgroßer, schlanker Mann. Er hieß Lawrence Webster. Webster trug einen dunkelgrauen Anzug und war eine insgesamt unauffällige Erscheinung. Sein markant geschnittenes Gesicht und das silbergraue Schläfenhaar ließen jedoch vermuten, dass er in seinem Privatleben eine durchaus interessante Persönlichkeit war. Denn man wusste von Webster, dass er Junggeselle war. Er machte oft Überstunden, und es gab niemanden, der sich bei ihm zu Hause darüber aufregte.

      Das Gesicht des Direktors war steinern, als er den ersten Stock des Trakts betrat. Er hatte nicht erst nachfragen müssen, wo sich das Zentrum des Aufruhrs befand. Es war von vornherein klar gewesen, dass es niemals eine wirkliche Revolte sein würde, die in Broken Bow ausbrach. Webster und seine Männer hatten gewusst, dass Aldo Benito die Meuterei anzetteln würde, um sich selbst den Vorteil zu verschaffen, auf den er aus war.

      Den Ausbruch.

      Und die Freiheit.

      Lawrence Webster ging an seinen waffenlosen Beamten vorbei und blieb im letzten Drittel des Traktes stehen, vor Benito und seinen Komplizen.

      Der Mobster hatte noch immer den Mann als Geisel, der das Unheil ausgelöst hatte. Webster hätte den State Police Captain verfluchen können. Lovell war vermutlich ein guter Kriminalbeamter. Aber von den Realitäten des Strafvollzugs hatte er keine Ahnung.

      Benito stellte es geschickt an. Um das Gewicht der Pistole nicht die ganze Zeit halten zu müssen, hatte er seine Hand mitsamt der Waffe auf Deegans Schulter gelegt. Auf diese Weise ruhte die Mündung am Hals des Truckers. Benitos rechter Arm war entspannt, und doch war er in der Lage, seine Geisel notfalls blitzschnell zu töten.

      „Fein, dass Sie da sind, Webster“, sagte der Mobster höhnisch. „Sagen Sie mir jetzt, ob dieser Mann ein Spitzel ist.“

      „Er ist im Auftrag der State Police hier“, antwortete Webster. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, dem Schwerverbrecher etwas vorzumachen. Weder ihn noch seine grinsenden Komplizen Dexter und Evans konnte man etwas glauben machen, was in ihren Ohren unwahrscheinlich klang.

      „Habe ich’s mir doch gedacht!“ Benito lachte rau. „Was, Jungs, da hatten wir wieder mal den richtigen Riecher, stimmt’s?“

      Caligula und Hondo glucksten vor Vergnügen.

      Der Mobster wurde ernst. „Also gut. Zur Sache. Ihr haltet den Laden hier unter Kontrolle, bis ich zurück bin.“

      Die beiden Gangster brummten zustimmend und nickten pflichtbewusst.

      Benito wandte sich wieder dem Direktor zu. „Und wir beide - das heißt, unseren Spitzelkumpel nehmen wir mit - gehen jetzt in Ihr feines Büro. Da verschaffen wir uns einen Überblick, und dann sehen wir, wie’s weitergeht. Einverstanden?“

      „Selbstverständlich“, antwortete Webster gepresst.

      Benito trat mit Deegan zwei Schritte auf die Galerie hinaus. „Passt alle gut auf!“ rief er laut. Seine Stimme hallte durch den Block. „Legt jeden um, der eine falsche Bewegung macht! In spätestens zehn Minuten bin ich zurück!“

      Der Mobster ließ den Gefängnisdirektor vorangehen. Er gab ihm zwei Schritt Vorsprung und befahl ihm, die Hände über dem Kopf zu falten.

      Der Weg in den Verwaltungstrakt der insgesamt vier Zellenblocks war kurz. Die Büros der Gefängnisleitung befanden sich in einem Betonklotz in der Mitte zwischen den Trakten, mit jedem einzelnen durch Korridore im Erdgeschoß und in den Stockwerken verbunden.

      Niemand stellte sich dem Mobster und seinen beiden Geiseln in den Weg.

      Sie brauchten nur vier Minuten, bis sie Websters Büro erreichten. Es befand sich ganz oben in dem Verwaltungsklotz. Durch die großflächigen Fenster war ein erstklassiger Überblick möglich.

      „Toll!“, rief Benito, als er mit Deegan und Webster in der Mitte des Raums stehenblieb. „Ich habe davon immer nur gehört. Und jetzt muss ich sagen, der Ausblick ist wirklich so super, wie immer erzählt wird!“

      Langsam drehte er sich mit Deegan um, damit er auch den vorderen Teil des Gefängnisses sehen konnte - einschließlich der Außenanlagen.

      Im nächsten Moment kriegte Benito den Mund nicht wieder zu.

      „Was, zum Teufel, ist denn das?“, entfuhr es ihm.

      Im selben Moment sah er, wie Deegan erbleichte, als er den roten Truck dort draußen sah. Ein listiges hinterhältiges Grinsen kerbte sich in Benitos Mundwinkel. „Direktor!“, sagte er scharf. „Ja?“

      „Was für ein Truck ist das...da draußen?“

      „Ich weiß es nicht.“


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