Killer im August: 11 Thriller. A. F. Morland
Er hatte seine Karriere vor einem halben Jahrhundert als Kreditwucherer begonnen.
Als Cantrell und Butch vor der Tür mit der Aufschrift „Galerieleitung“ standen, hörten sie schon ein wüstes Gebrüll. Cantrell klopfte. Als sein Klopfen in dem Geschrei unterging, öffnete er einfach die Tür. Es krachte wie bei einem Schuss.
Cantrells Hand zuckte zur Waffe. Aber Jason Goldstein hatte nur mit seinem Spazierstock auf den Tisch gehauen. Sieben Personen befanden sich im Zimmer. Jason Goldstein, sein Sekretär und ein breitschultriger, finster blickender Mann, der nur sein Leibwächter sein konnte. Ferner zwei salopp gekleidete Männer und eine dürre Frau, die drei Besitzer und Leiter der Galerie.
Und last not least Lieutenant Harry Rollins, der Leiter des Chicagoer Capital Crime Departments.
„Was wollen Sie denn“, plärrte Goldstein Cantrell an.
Er war ein ziemlich kräftiger alter Mann mit einem Kugelbauch, einer Glatze und einer sehr großen, fleischigen Nase. Seine vollen aufgestülpten Lippen verrieten den Genießer. Seine Mundwinkel waren herabgezogen, die grauen Augen hinter der randlosen Brille kalt wie die eines Fisches.
„Mein Name ich Tony Cantrell. Jack O'Reilly, mein Mitarbeiter Wir sind ...“
„Weiß ich, Mann, weiß ich alles. Es wird Zeit, dass Sie endlich herkommen, Cantrell. Haben Sie unterwegs im Auto geschlafen?“
„Es gab einen Verkehrsstau. Mr Goldstein.“
„Immer dasselbe Geschwätz. Halten Sie jetzt den Rand, Cantrell, und Ihr Nachwuchsbüffel auch. Ich bin noch nicht damit fertig, diesen drei Armleuchtern da den Marsch zu blasen.“
Jason Goldstein, sein Sekretär, Lieutenant Rollins und zwei Leute von der Galerieleitung saßen. Die andern standen. Einer der Galerieleiter, ein aufgeschossener, dürrer Mann mit abenteuerlich buntem Hemd, stürzte zu Cantrell. Eilig ratterte er die Namen der Anwesenden herunter.
„Vielleicht können Sie Mr. Goldstern etwas beruhigen, Mr. Cantrell“ bat er. „Er hat sich die Sache sehr zu Herzen genommen.“
Wieder knallte der Spazierstock auf den Schreibtisch, dessen Mahagoniplatte schon ein paar Dellen zeigte. „Halten Sie das Maul, Rawlins! Sie und Ihre beiden Kumpane, der Dicke und die Vogelscheuche, habt mich beschwatzt, die Bilder der Galerie zur Verfügung zu stellen. Ihr habt wunders was von euren Sicherheitsanlagen erzählt. Und was ist jetzt? Wo sind meine Bilder? Wo, frage ich wo. Zehn Millionen Dollar sind sie wert! Schaffen Sie mir meine Gemälde wieder herbei!“
„Mr. Goldstein, es tut uns furchtbar leid, aber wir ...“
„Halten Sie den Mund! Diebesgesindel seid ihr alle miteinander. Ihr habt mir meine Bilder geklaut, ich weiß doch Bescheid. Oder ihr habt sie klauen lassen. Aber damit kommt ihr bei mir nicht durch, bei mir nicht! Ich verklage euch, ich mache euch fertig ich bringe euch hundert Jahre ins Zuchthaus, ihr Halunken!“
Goldstein fuchtelte mit seinem Spazierstock. Sein Gesicht und auch die Glatze waren krebsrot angelaufen.
Orenson, der dicke Mitinhaber der Galerie, japste. Mildred Webster, eine lange, dürre Frau, sah aus, als wolle sie gleich zu weinen beginnen.
„Diebe!“, brüllte Jason Goldstein. Rawlins riss sich zusammen. Er stützte die Hände auf die Kante des Schreibtisches, hinter dem Goldstein saß. Er sah ihm fest in die Augen.
„Mr. Goldstein, ich verbitte mir das!“
Goldstein hieb ihm mit dem Spazierstock auf die Finger, dass er aufjaulte.
„Lump!“
„Mr Goldstein, es reicht nun! Das Capital Crime Department untersucht den Fall, und wir werden unser möglichstes tun, um ihn aufzuklären. Vorher muss ich Sie ersuchen, keine Anschuldigungen zu äußern, die Sie mit nichts untermauern können. Ich verstehe Ihre Erregung, zehn Millionen sind kein Pappenstiel. Aber ich sage Ihnen jetzt, mäßigen Sie sich. Außerdem sind die Gemälde doch wohl versichert, oder?“
„Natürlich sind sie versichert. Aber was habe ich denn davon? Diese Gemälde sind einmalig und steigen Jahr für Jahr im Wert. Was soll mir denn da die dämliche Versicherung?“
Er holte wieder tief Luft, um loszubrüllen. Rawlins hatte die Finger in den Mund gesteckt und gab erstickte Stöhnlaute von sich.
„Ruhe!“, sagte Cantrell jetzt scharf. »Wir sind doch hier nicht bei den Brüllaffen. Wir haben alle ein Interesse daran, dass der Fall aufgeklärt wird, und wir sollten zusammenarbeiten. Die Sache interessiert mich, aber wenn Sie weiter so herumschreien, werde ich gehen, Mr. Goldstein. Ihren Stock behalten Sie auch besser bei sich.“
Der Leibwächter stieß sich mit den Schultern von der Wand ab und kam auf Cantrell zu.
„Wie reden Sie denn mit Mr. Goldstein, Mann?“
„Ruhe, Blake!“ Der Leibwächter wich sofort zurück wie ein scharf dressierter Schäferhund. Goldstein musterte Cantrell, als sähe er ihn erst jetzt richtig. „Sie sind doch dieser Schnüffler und Rechtsverdreher aus Western Springs?“
„Und Sie sind der Geldsack Goldstein“, sagte Butch, der wieder einmal seinen Mund nicht halten konnte.
Schweigen herrschte im Zimmer. Dann lachte Goldstein los. Es war kein schönes Lachen, hämisch klang es und voller Gift und Galle.
„Hähähähähä. Ich mag couragierte Leute, wenn sie etwas können und Leistung bringen. Rawlins, Orenson und Mrs. Webster haben das Cantrell-Team eingeschaltet, damit meine Bilder so schnell wie möglich wieder in die richtigen Hände kommen. Mir kann das nur recht sein. Dann ermittelt mal, und seht zu, dass ihr diese Halunken fasst, die meine Bilder gestohlen haben. Und vor allem, dass meine Bilder wieder herbeikommen. Rawlins, ich will regelmäßig von Mr. Cantrell persönlich Bericht erstattet haben.“
Rawlins, der sich noch immer die schmerzende Hand hielt, dienerte gleich.
„Selbstverständlich, Mr. Goldstein. Ich wollte ein Übriges tun und außer der Polizei noch das tüchtigste Detektiv-Team von Chicago einschalten, um Sie zufriedenzustellen. Ich dachte mir, das sei in Ihrem Interesse, und ...“
„Ja, ja, schon recht. Sparen Sie sich das Geschwafel. Natürlich ist es in meinem Interesse, besonders, da ich Cantrells Honorar nicht zu zahlen brauche. Ich muss jetzt dringend zu Verhandlungen mit einer Großbank. Guten Tag allerseits. Und erstatten Sie mir laufend Bericht, Cantrell.“
3
Robert 'Dixie' Stone lag in seinem verkommenen Zimmer in Skokie auf dem ungemachten Bett. Er war ein großer, muskulöser Mann, der etwas Fleisch angesetzt hatte, Ende dreißig, mit weißblondem Kraushaar. Sein hartes, kantiges Gesicht trug einen entrückten Ausdruck.
Er hatte nur eine Unterhose an. Auf seiner behaarten Brust und auf seinen Unterarmen glitzerte Schweiß. Dixie Stone wartete auf den 'Flash', auf das Erlebnis, das die Heroinspritze, die er sich vor zwei Minuten gesetzt hatte, zu wirken begann.
Dann kam es. Es war, als explodiere in seinem Gehirn etwas, und er selbst und seine Umgebung veränderten sich. Aller Dreck, alles Üble war gewichen. Dixie Stone fühlte sich high. Die Sonnenstrahlen kitzelten ihn angenehm auf der Brust, und sogar der Verkehrslärm, der durch das Fenster hereindrang, gefiel ihm.
Stone