Mörder kennen keine Grenzen. Horst Bosetzky

Mörder kennen keine Grenzen - Horst Bosetzky


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      „Gut. Ich werde dort im Wagen warten.“

      „Tun Sie das ... Aber wenn nun was dazwischenkommt – kann ja sein, nich? Wie kann ich Sie da erreichen?“

      Dazwischen ... Ich bezog das gleich auf ihre Schenkel und war im Handumdrehen so erregt, dass ich ihr – welch ein Fehler! – meinen Namen nannte. „Anrufen können Sie mich jederzeit in der FU ...“

      Ich begehrte sie immer stärker, der Druck zwischen meinen Schenkeln wurde schon schmerzhaft. Meine Moralvorstellungen verboten mir den Ehebruch, aber ein bisschen Petting schien mir erlaubt zu sein. Heiser stieß ich meinen Wunsch hervor.

      Sie lachte mich aus. „Nee, nich bei mir!“

      Was dann geschah, möchte ich nicht niederschreiben. Jedenfalls, es gelang ihr, mich mit routinierten Griffen abzuwehren. So viel Aggressivität, so viel – ja – Brutalität hätte ich mir niemals zugetraut. Erst die plötzlich aufschießende Angst, sie – von inneren Zwängen getrieben – zu erwürgen, ließ mich ruhiger werden.

      Schließlich, sie schien das alles nicht so tragisch zu nehmen, schieden wir noch halbwegs in Frieden und erneuerten die Verabredung für den Abend.

      Aber das alles konnte ich doch unmöglich vor diesem Polizisten ausbreiten.

      „Sie brauchen ziemlich lange, um sich zu erinnern“, bemerkte Rannow und schmatzte ungeduldig mit den Lippen.

      „Ja, ich kenne das Mädchen, ich bin mit ihr zusammen die Treppe hinuntergegangen. Sie wollte noch in die Hasenheide, ein bisschen frische Luft schnappen. Ich bin dann in meinen Wagen gestiegen und nach Hause gefahren.“

      „Sie waren also in ihrem Zimmer?

      „Ja. Aber ich muss Sie enttäuschen – es war sozusagen dienstlich. Wir arbeiten im Augenblick an einer Zuhälterstudie und sind natürlich daran interessiert, möglichst viele Prostituierte zu interviewen.“

      „Und wie sind Sie an die Adresse der Ermordeten gekommen?“

      „Ganz einfach. Ich habe vor zwei Jahren eine Arbeit über das Rekrutierungsfeld Berliner Prostituierter veröffentlicht, und damals haben wir eine Menge Adressen zusammengetragen.“

      „Hm ... Sie sagten dienstlich ... Dann haben Sie auch keine intimen Beziehungen zu dem Mädchen gehabt?“

      „Erlauben Sie? Für wen halten Sie mich!“

      „Man will aber Geräusche gehört haben, die ...“

      „Wenn Sie sich auf die Fantasie von klatschsüchtigen Hausbewohnern verlassen, dann kann ich Sie nicht daran hindern!“

      Rannow steckte sich ein Vitaminbonbon in den Mund und lutschte mit Hingabe. „Die Herren der besseren Stände sollen sich ja mitunter mächtig für die Mädchen aus der Gosse interessieren. Früher, als es noch Dienstmädchen gab, hatten sie’s wesentlich bequemer.“

      „Ich bitte Sie!“

      „Das Mädchen ist kurz nach zweiundzwanzig Uhr ermordet worden. Sicherlich haben Sie ein Alibi, Herr Dr. Kolczyk ...?“

      „Ein Alibi?“ Ich zuckte zusammen. „Nein, nicht direkt ...“

      Rannow blieb ruhig. „Wo waren Sie denn um diese Zeit, wenn ich fragen darf?“

      „Bis einundzwanzig Uhr habe ich im Mandarin in der Grolmannstraße gesessen und zu Abend gegessen, und zwar zusammen mit zwei Kollegen, Herrn Professor Steffens und Herrn Professor Breitbart ... Ja, später bin ich dann den Kurfürstendamm hinuntergeschlendert ... Ich hatte einige wissenschaftliche Probleme zu klären, vor allem ging es mir um die Frage nach den funktional äquivalenten Möglichkeiten zur Integration von unqualifizierten Arbeitern ...“

      Rannow unterbrach mich. „Vielleicht haben Sie dabei zufällig Herrn Ziegenhals getroffen?“ Er unterdrückte ein Gähnen.

      Ich bemühte mich um ein Pokergesicht, obwohl ich ziemlich erregt war. „Nein. Warum?“

      „Er behauptet, Sie seien sein Mäzen ...“

      „Das bin ich auch.“ Ich stand auf und goss mir noch einen Kognak ein. „Ich halte ihn für einen klugen Kopf; so einen Menschen muss man fördern. Ich habe ihm ein Darlehen gegeben, etwas mehr als 5000 Mark – das heißt, eigentlich ist es gar kein Darlehen, denn Herr Ziegenhals wird für mich arbeiten; er wird praktisch die Rolle meines Privatsekretärs übernehmen.“

      „Das ist sehr ... äh, edel von Ihnen!“

      Rannows Ironie zwang mich, weiterzusprechen. „Er hat früher mal an meinen Übungen teilgenommen. Hier, überzeugen Sie sich ...“ Ich wühlte eine alte – geschickt ergänzte – Teilnehmerliste hervor und reichte sie Rannow hinüber. „Ziegenhals hat damals alle anderen ausgestochen, ab und an sogar mich in den Schatten gestellt. In der Zwischenzeit hatte er wohl etwas den Boden unter den Füßen verloren, aber als er dann plötzlich vor mir stand ...“

      Rannow sah durch mich hindurch. „Wussten Sie eigentlich, dass Ihr Name in Miezis Notizbuch steht? Die Eintragung dahinter ist ganz eindeutig: zweiundzwanzig Uhr dreißig ...“

      Für Sekunden verlor ich die Fassung. Ich hatte das Gefühl, in einem abstürzenden Flugzeug zu sitzen. Doch dann fing ich mich noch einmal. „Ja“, würgte ich hervor. „Ich war mit ihr an der Hochbahnstation verabredet – Görlitzer Bahnhof ... Doch sie ist nicht gekommen.“

      „Und warum hatten Sie sich mit ihr treffen wollen?“

      „Warum ist man wohl mit einer Prostituierten verabredet?“

      „Ach, also doch ... Und warum wollten Sie es nicht bei ihr in der Wohnung abmachen?“

      „Wer lässt sich schon gerne dabei beobachten? Sie verstehen – in meiner Stellung muss man gewisse Rücksichten nehmen ...“

      Rannow erhob sich. „Danke sehr ... Ich habe von Ihrem Sekretariat gehört, dass Sie nach Amerika fahren?“

      „Was denn – darf ich nicht?“

      „Doch, doch! Und vielleicht fällt Ihnen unterwegs noch etwas ein, was uns nützen könnte ...“

      Rannow schüttelte mir die Hand und wischte sie dann ungeniert an seiner Hose ab. Offensichtlich zog er aus der Tatsache, dass ich Schweißfinger hatte, tief greifende Schlüsse. Dann war er endlich draußen.

      Möglicherweise haben wir mehr Worte miteinander gewechselt, als ich hier wiedergegeben habe, aber eigentlich bin ich ziemlich sicher, mich wenigstens an die wichtigsten Passagen erinnert zu haben. Er hatte ungefähr eine halbe Stunde bei mir zugebracht.

      „Nun komm doch endlich!“ Reinhild, meine Frau, zog mich ins Wohnzimmer, wo Gina vor dem Bildschirm hockte und einen amerikanischen Krimi ansah.

      „Hat dir wieder mal jemand Geld für irgendwelche wohltätigen Zwecke abgeknöpft?“, spottete sie.

      „Nein, das war ein Journalist, der etwas über die Mission der Soziologie schreiben will ...“ Ich stellte den Fernsehapparat ab und entkorkte den 55er Chateau Margaux. „Kommt, wir wollen uns noch einen gemütlichen Abend machen; in den nächsten vierzehn Tagen müsst ihr ohne mich auskommen.“

      Meine Tochter hatte den Krimi wohl nicht sehr interessant gefunden. „Eine Freundin hat mir geschrieben, dass die Steuben-Parade im nächsten Jahr in Kolczyk-Parade umbenannt werden soll, stimmt das?“, zog sie mich auf.

      „Gina!“ Meine Frau hatte etwas veraltete Ansichten über töchterliche Ehrerbietung.

      Doch ich war nicht in der Stimmung, ein scherzhaftes Geplänkel mit meiner Tochter zu beginnen; Rannows Besuch hatte mich beunruhigt. Offenbar hatte er mir nicht abgenommen, dass ich Ziegenhals aus rein altruistischen Absichten förderte, und witterte irgendwelche tiefer liegenden Beziehungen zwischen uns. Vielleicht hielt er einen von uns beiden für Miezis Mörder, vielleicht auch nicht; auf alle Fälle aber schien er fest davon überzeugt zu sein, dass wir


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