Talitha Running Horse. Antje Babendererde

Talitha Running Horse - Antje Babendererde


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und das, was er beim Bau des Waschsalons verdient hatte, würde uns eine Weile die Sorgen nehmen.

      Dad kannte fast jeden auf dem Powwow, und er unterhielt sich mit vielen Leuten. Ich wollte ihm nicht dauernd hinterherlaufen wie ein Hündchen, deshalb suchte ich mir ein stilles Plätzchen und zeichnete. Die anderen Mädchen in meinem Alter zogen meist in Grüppchen über das Powwow-Gelände. Sie tuschelten und lachten und liefen den Jungs hinterher.

      Ich vermisste Adena. Vor einer Woche war sie mit ihren Eltern und Jason zu ihrem Bruder Henry gefahren, der mit seiner Familie im Cheyenne-River-Reservat lebte, dort, wo meine Urgroßmutter Helen Yellow Bird hergekommen war.

      Ich traf zwar noch ein paar Jungs und Mädchen aus meiner Klasse, aber ihr Interesse an meiner Gesellschaft hielt sich in Grenzen. Das war nicht fair, aber ich war es gewohnt. Und es tat nicht mehr so weh wie damals, als ich in die erste Klasse kam und begreifen musste, dass ich in den Augen einiger meiner Klassenkameraden weniger wert war, nur weil »weißes Blut« in meinen Adern floss. Dass ich viel über unsere Traditionen wusste und sie mehr achtete als so mancher reinblütige Lakota, schien überhaupt keine Bedeutung zu haben. Sie sahen nur meine grünen Augen und mein rötlich schimmerndes Haar, das sich wellte, wenn es feucht wurde.

      Zuerst wollte ich mich bei meinem Vater darüber beklagen, aber bald wurde mir klar, dass es ihn nur traurig und wütend machen würde und dass er mir sowieso nicht helfen konnte. Ich musste es allein durchstehen, und das tat ich auch. Bis die White Elks ihren nagelneuen Trailer über unserem aufstellten und Adena in meine Klasse kam. Es gab einige freie Plätze im Klassenraum und auch an meinem Tisch war noch ein Stuhl frei. Adena war geradewegs auf mich zugesteuert und hatte mich gefragt, ob sie sich zu mir setzen durfte.

      Ich war froh gewesen, endlich eine Banknachbarin zu haben, hatte aber gefürchtet, dass auch Adena sich von mir abwenden würde, wenn sie erfuhr, dass meine Mutter eine Weiße war. Also machte ich mich noch am selben Tag auf den Weg zum Trailer von Adenas Familie und erzählte ihnen von meiner Mutter.

      Wahrscheinlich beschämte es die White Elks, dass ich solche Befürchtungen hatte, und deshalb waren sie immer besonders nett zu mir und meinem Vater. Adena wurde sehr schnell meine Freundin. Endlich hatte ich jemanden, mit dem ich meine geheimen Ängste und Wünsche teilen konnte. Jemanden, der mich verstand, der mit mir lachte und der immer greifbar war. Seitdem störte es mich nicht mehr, dass einige Jungs und Mädchen mich mieden. Ich war nicht mehr allein.

      Als es dunkel wurde und Scheinwerfer den Tanzplatz beleuchteten, hörte ich auf zu zeichnen und suchte nach meinem Vater. Dabei stellte ich mit Schrecken fest, dass sich auch Tante Charlene auf dem Powwow eingefunden hatte, und mit ihr mein Cousin. Marlin war nicht zu übersehen: Er trug weite Hosen, die ihm bis über die Knie reichten, und ein weißes XXL T-Shirt mit dem bunten Collegelogo. Seine fettigen Haare fielen ihm in Strähnen auf die Schulter. Kaum hatte Marlin mich entdeckt, verfolgte er mich mit seinem boshaften Blick wie ein Jäger seine Beute. Ich merkte sofort, dass er drauf aus war mich zu ärgern. Deshalb brachte ich schnell meine Zeichnungen in Sicherheit, damit er sie nicht zum Anlass nehmen konnte, sich über mich lustig zu machen. Noch war Tante Charlene an seiner Seite, aber dann traf sie eine Bekannte und ging mit ihr in Richtung Tacobude.

      Marlin, der sich endlich unbeobachtet fühlte, bewegte sich auf mich zu und ich versuchte, ihm zu entkommen. Ich schlüpfte durch die Menschenmenge und versteckte mich zwischen den geparkten Autos, die den Platz einkreisten. Marlin war schnell und beweglich trotz seiner Leibesfülle. Er fand mich und zog so derb an meinem geflochtenen Zopf, dass ich aufschrie. Vor Schmerz schossen mir Tränen in die Augen und die blechernen Schellen an meinem Kleid schepperten wütend.

      »Verschwinde, Marlin«, rief ich. »Verschwinde und lass mich in Ruhe.« Die Angst in meinem Nacken stach wie Nesseln.

      Marlin grinste boshaft. »Darfst du denn überhaupt auf dem Powwow tanzen?«, fragte er hämisch. »Du bist doch eigentlich gar keine richtige Indianerin. Nur Indianer dürfen eine Wettkampfnummer tragen.« Er wies auf mein Kleid, an dem mit Sicherheitsnadeln die Wettkampfnummer befestigt war, die ich vor dem Tanz bekommen hatte. Es gab Wettkämpfe in verschiedenen Altersklassen und Kategorien, und durch die Nummern konnten die Juroren die Tänzer besser auseinander halten.

      Ich spürte eine Bewegung hinter meinem Rücken und drehte mich um. Meine Wangen brannten vor Scham, als ich sah, dass Neil Thunderhawk in unserer Nähe gestanden und alles mit angehört hatte. »Ich bin eine richtige Indianerin«, sagte ich. Meine Stimme zitterte.

      »Bist du nicht. Du bist ein Halbblut.« Er lachte. »Halbblut, Halbblut«, rief er, mit seiner blechernen Stimme, die der Stimmbruch ihm zurzeit bescherte.

      Neil kam herüber und baute sich vor Marlin auf. Er war zwar nur halb so breit wie meine Cousin, aber genauso groß. »Lass sie in Ruhe«, sagte er, betont gelassen.

      »Was mischst du dich ein, Blödmann?« Marlin kam in Fahrt. »Du bist auch nicht besser als die da. Du bist ein verdammter Red Cloud und alle Red Clouds sind Schmarotzer.«

      Neil zuckte zusammen. Wut blitzte in seinen schwarzen Augen auf. Jetzt fangen sie an, sich zu prügeln, dachte ich, gleich hier, mitten auf dem Powwow-Gelände. Unglücklich rang ich die Hände.

      »Sag das noch mal!« Neils Stimme klang jetzt sehr entschlossen und überhaupt nicht mehr gelassen. Das musste Marlin gemerkt haben, denn er sagte gar nichts. Ich wusste, dass er feige war, und dachte schon erleichtert, die Sache hätte sich erledigt.

      »Feigling«, zischte Neil, drehte sich um und ging.

      Aber kaum wiegte Marlin sich in Sicherheit, da sang er leise: »Blanket* Indians, Hang around the Forts**.«

      Neil warf sich herum und mit einem wilden Aufschrei stürzte er sich auf Marlin. Sie rauften im Dreck zwischen den parkenden Autos und Neil teilte kräftig aus mit seinen harten Fäusten. Er schäumte vor Zorn und war auch durch mein Bitten nicht zu besänftigen – bis Tante Charlene und Dad dazukamen und die beiden trennten. Marlin heulte, was mir ungeheure Genugtuung verschaffte. Sein dickes hochrotes Gesicht war dreckverschmiert.

      »Was war denn los?«, fragte mein Vater, als er Neil auf die Beine half. Neil gab keine Antwort. Er blutete aus der Nase und die Federn an seiner Tanzkleidung waren beschädigt, was ihn wahrscheinlich am meisten schmerzte. Aber er schwieg. Sein Blick war voller Verachtung.

      Ich gab ihm ein Kleenex, und er nahm es, um sein Nasenbluten zu stillen.

      »Das nächste Mal sorge ich dafür, dass du von den Tanzwettkämpfen ausgeschlossen wirst, Neil Thunderhawk«, zeterte Tante Charlene. Sie tastete ihren Sohn ab, ob er sich auch nichts gebrochen hatte. Aber Marlin hatte genügend Speck auf den Rippen, so schnell konnte ihm wohl nichts passieren. Bloß seine Shorts und das T-Shirt waren dreckig geworden.

      »Geht euch aus dem Weg, wenn ihr euch nicht leiden könnt«, sagte mein Vater.

      Neil wandte sich um und lief mit erhobenen Kopf davon. Ich eilte ihm hinterher. »Neil«, rief ich, »warte doch!« Aber er wartete nicht und drehte sich auch nicht um. Marlins Worte mussten ihn tief getroffen haben. Aber der Auslöser für die Prügelei war ich gewesen, und nun fühlte ich mich schuldig.

      »Verschwinde und lass mich in Ruhe«, sagte er, als ich ihn schließlich eingeholt hatte.

      »Aber warum denn? Ich könnte dir helfen, deine Kleidung in Ordnung zu bringen. Ich weiß, wie man zerzauste Federn wieder hinkriegt.«

      »Das bringt nichts«, sagte er niedergeschlagen. »So kann ich nicht tanzen. Alle würden mich auslachen. Geh einfach weg, Tally, und lass mich in Ruhe!« Der schroffe Ton in seiner Stimme nahm mir den Mut.

      »Du blutest immer noch«, wagte ich einen letzten Versuch.

      »Na und. Ich werd schon nicht dran sterben.« Damit ließ er mich stehen.

      Mir kamen die Tränen, und ich verfluchte Marlin, der dafür verantwortlich war, dass Neil Thunderhawk mir grollte. Bisher war das Gefühl, das ich für meinen Cousin hegte, eine Mischung aus Abneigung,


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