Claddagh - Promises. Iris H. Green

Claddagh - Promises - Iris H. Green


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jetzt beide vor eventuellen unmoralischen Angeboten sicher.«

      »Du kennst Worte wie unmoralisch?«, neckte Maren ihn, nur um nicht darüber nachzudenken, was sie bei ›theoretische Möglichkeit‹ empfand. Sie konzentrierte sich lieber darauf, welche Gefühle seine Berührungen in ihr auslösten. Die hatten rein gar nichts mit Moral zu tun.

      Am nächsten Tag standen mehrere Besichtigungen in Cork City auf dem Programm. Das erste Ziel war das Elisabeth Fort.

      »Das Fort wurde 1601 erbaut und Sie werden feststellen, dass sein Grundriss dem Charles Fort in Kinsale gleicht, das wir morgen besuchen werden«, erklärte Sean während der Fahrt dorthin. »Im 17. Jahrhundert wurden in ganz Europa sternförmig angelegte Festungen gebaut. Man versprach sich davon einen besseren Schutz vor feindlichen Kanonenkugeln. Von 1817 bis 1837 wurden hier irische Strafgefangene interniert, bis man sie nach Australien deportierte. Hundert Jahre später, während des irischen Unabhängigkeitskrieges, diente das Fort als Stützpunkt für britische Soldaten, die gegen die IRA kämpften. Schauen Sie sich in Ruhe das Museum an, und wenn Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.«

      Nach einem Abstecher zum ›Red Abbey Tower‹, im 13. Jahrhundert aus rotem Sandstein erbaut, besuchten sie den im Zentrum von Cork gelegenen ›English Market‹, der kürzlich sein 230-jähriges Bestehen feierte.

      »Sie haben zwei Stunden Zeit, sich umzusehen, und ich kann Ihnen jedes Bistro oder Restaurant wärmstens empfehlen«, sagte Sean noch im Bus. »Wir treffen uns pünktlich um halb zwei Uhr wieder hier am Eingang, um zum ›Cork City Gaol‹ zu fahren. Dort können Sie den Strafvollzug im 19. Jahrhundert hautnah erleben. Aber keine Sorge, ich weiß, wo die Zellenschlüssel hängen.«

      »Ciara hat mir erzählt, dass sie hier Elmer kennengelernt hat«, sagte Maren, als ihre Gäste in kleinen Grüppchen in die Markthalle gegangen waren. »Hast du auch manchmal an eurem Verkaufsstand gearbeitet?«

      »Lieber dort als in der Gärtnerei. Nicht nur wegen der weiblichen Kundschaft.« Er zwinkerte ihr zu. »Dreck unter den Fingernägeln hat mich schon als Kind gestört.«

      Sean legte eine seiner gepflegten Hände an ihre Wange und küsste sie, nicht eben kurz, aber auch nicht lange genug. Nun, sie standen schließlich noch auf dem Bürgersteig. Ob es irgendwo dort drinnen eine ruhige Ecke gab? Sah nicht so aus.

      Sie schlängelten sich durch die Menschenmassen in den Gängen, bis Sean an einer Ecke stehenblieb und auf einen Stand in etwa zwei Metern Entfernung deutete, an dem Pflanzen in unterschiedlichen Stadien ihrer Entwicklung verkauft wurden. Direkt gegenüber befand sich der von Ciara erwähnte Imbiss. Dann zog er sie in einen anderen Gang, schließlich zu einer Treppe, die zu einer Galerie an der Außenwand führte.

      Oben gab es mehrere Cafés, alle gut besucht. Zu guter Letzt ergatterten sie doch einen freien Tisch direkt an der Balustrade. Sean stellte sich an der Theke an und kam mit Kaffee und Apfelkuchen wieder. Maren riss sich von dem bunten Treiben in der Markthalle los und trank einen großen Schluck Kaffee, bevor sie sich dem riesigen Stück Kuchen widmete. Nach dem ersten Bissen verdrehte sie genussvoll die Augen.

      Sean schmunzelte. »Der Beste in ganz Cork«, versicherte er und begann ebenfalls zu essen. »McLeary-Äpfel. Also zumindest stammen die Schösslinge von dort. Das Grundstück ist nicht groß genug für eine richtige Baumschule. Meine Schuld.«

      »Weil du nach Australien abgehauen bist, statt dein Erbe anzutreten?«, fragte sie spontan. War das jetzt dünnes Eis?

      Er warf ihr einen finsteren Blick zu, entspannte sich aber gleich wieder. »Ciara hat sich schon immer mehr für die Gärtnerei interessiert als ich. Der King hätte es natürlich viel lieber andersherum gehabt.«

      Ciara hatte Maren erzählt, dass Sean als Zehnjähriger seinen Vater mit dem despotischen König Lear verglichen hatte und ihn seither nur so nannte. Sollte sie nachbohren oder es ihm überlassen, wann er ihr erzählen wollte, was damals wirklich passiert war? Falls er sie tatsächlich nach dem Ende der Tour seinen Eltern vorstellen wollte.

      Nachdem Sean am nächsten Morgen das Gepäck im Bus verstaut hatte, fuhren sie nach Cobh, vormals Queenstown. Hier gingen 1912 die letzten Passagiere an Bord der Titanic, bevor sie nach New York auslief, das sie nie erreichte.

      »Man gibt uns Iren gern die Schuld an allen möglichen Katastrophen«, sagte Sean, »doch mit dem Untergang der Titanic hatten wir nichts zu tun. Sie war perfekt, als sie Belfast verließ. Der einzige Fehler war, das stolze Schiff einem englischen Kapitän, einem schottischen Steuermann und einem kanadischen Eisberg zu überlassen.«

      Einige der Gäste lachten, andere schauten pikiert. Dabei war das eine oft zitierte Aussage, die Maren schon von dem Guide am Trockendock in Belfast gehört hatte.

      Sie wanderten auf dem Titanic Trail, besuchten das Heritage Center, das der irischen Diaspora gewidmet war und lauschten aus einiger Entfernung dem einzigen Glockenspiel Irlands an der weithin sichtbaren St. Colman Cathedral.

      Maren bedauerte, dass sie nicht hineingingen. Es war Jahre her, dass sie mit Victor hier gewesen war, aber sie erinnerte sich noch gut an den prächtigen Innenraum mit den Säulengängen in romanischem Stil, an die keltischen Muster des Mosaikfußbodens im Mittelgang und die polychromen Seitenfenster. Vor allem aber an das kreisrunde, aus einzelnen Rosetten bestehende Fenster, das zu fast einem Drittel von den Spitzen der darunter stehenden Orgelpfeifen umrahmt war.

      Danach ging es weiter nach Kinsale, ein Städtchen mit farbenfrohen Häusern, auch ›Gourmet-Hauptstadt Irlands‹ genannt. Ciara hatte versucht, in einem der Restaurants eine Reservierung für die Gruppe zu bekommen, doch es war bereits alles ausgebucht gewesen. Ihre Gäste waren jedoch zufrieden damit, sich die kleinen Handwerksläden anzuschauen und ihre Mittagsmahlzeit in verschiedenen Cafés einzunehmen.

      Während des Rundgangs durch das auf einem Hügel oberhalb der Bucht gelegene Charles Fort erzählte Sean die ›blutige Legende der White Lady of Kinsale‹: »Kurz nach der Fertigstellung des Forts im 17. Jahrhundert war Colonel Warrander zum Kommandanten ernannt worden. Er hatte eine Tochter namens Wilful, und diese heiratete Trevor Ashford, einen Offizier ihres Vaters. An ihrem Hochzeitstag spazierten Braut und Bräutigam über die Zinnen und dabei entdeckte Wilful auf den Klippen außerhalb des Forts Blumen. Weil diese ihr so gut gefielen, bat sie ihren Bräutigam, ihr welche zu pflücken. Trevor war, obwohl sehr verliebt, nicht gerade begeistert von der Idee und außerdem schon reichlich angeschickert, machte sich aber trotzdem auf den Weg. Allerdings nur bis zum nächsten Wachposten, den er beauftragte, diese Blumen zu pflücken, während er solange die Wache übernehmen wollte. Also tauschten sie ihre Uniformen und der Soldat zog von dannen. Nun dauerte das Unterfangen aber länger als gedacht, und so war es kein Wunder, dass Trevor alsbald die Augen zufielen. Ihr erinnert euch sicher, worum ich euch am ersten Tag gebeten habe.«

      Nachdem Maren übersetzt hatte, erzählte Sean weiter. »Nun aber zum blutigen Teil der Legende. In der Zwischenzeit wollte Colonel Warrander bei seinen Gästen ein bisschen damit angeben, wie gut er das Fort und seine Mannschaft im Griff hatte, also nahm er eine Handvoll von ihnen auf seinen Routine-Rundgang mit. Der führte natürlich auch zu der Stelle, an der sein Schwiegersohn seinen Rausch ausschlief. Als der vermeintliche Wachposten auch auf die Wiederholung seiner Frage nach der vereinbarten Parole nicht reagierte, zog Warrander kurzerhand seine Pistole und erschoss ihn. Das war durchaus legitim, gefährdete ein unaufmerksamer Soldat doch die Sicherheit aller im Fort, und schließlich hätte es auch ein Spion sein können. Erst als man die Leiche wegbrachte, erkannte der Kommandant, dass er seinen eigenen Schwiegersohn erschossen hatte. Wilful, von dem Aufruhr angelockt, rannte, als sie ihren Frischangetrauten tot vorfand, außer sich vor Verzweiflung auf die Zinnen und stürzte sich die Klippen hinunter. Warrander wurde mit der doppelten Tragödie nicht fertig und erschoss sich kurz darauf selbst. Man sagt, dass Wilful auch heute noch in ihrem Hochzeitskleid über die Zinnen von Charles Fort wandert und nach ihrem Ehemann ruft.« Sean legte eine winzige Pause ein, fügte dann hinzu: »Zwar sind mir in den letzten Jahren keine Sichtungen mehr zu Ohren gekommen, aber es steht wohl fest, dass man die ›White Lady of Kinsale‹ am besten nach dem Genuss etlicher Pints of Guinness sehen kann.«

      Geschichten dieser Art trugen viel dazu bei, dass


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