Marseille.73. Dominique Manotti

Marseille.73 - Dominique  Manotti


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Touloner Eiferern wiederfinden, Picon und Asensio sind. Wir sind auf einer Wellenlänge. Wenn wir den Auftrag bekommen, diese Arbeit weiterzuführen, dürften wir vertrauensvolle Beziehungen haben.«

      »Perfekt. Da können wir ansetzen. Weiter geht’s. Ich war bei Percheron. Wir bekommen zwei Telefon­überwachungen, bei der UFRA und bei Asensio, einen Fotoapparat und das war’s. Abhörwanzen kommen nicht infrage. Das ist sehr wenig.«

      »Von Percheron darf man keine Wunder erwarten. Ihm liegt mehr an der Unterstützung der Pied-Noir-Vereine als an der Verfolgung ihrer gesetzeswidrigen Aktivitäten.«

      »Wir werden sehen. Erst mal rücken wir weiter vor. Grimbert, Sie gehen Ihren Spuren nach. Delmas, Sie haben mit Asensio angefangen. Bleiben Sie dran. Kümmern Sie sich nicht um Finanzmauscheleien, das ist zu kompliziert für uns. Ich werde Inspecteur Costa von den Finanzdelikten aufsuchen, wir haben im März beim Erdöl-Fall gut zusammengearbeitet. Sie versuchen mehr über Asensios Leben in Erfahrung zu bringen, über seine Beziehung zu Nadia Mokhrani, die nach allem, was Sie uns bereits erzählt haben, ziemlich undurchsichtig zu sein scheint, sowie über den Vereinsbetrieb der UFRA Marseille. Wir müssten uns Einsicht in ihre Mitgliederkartei verschaffen, dann wäre Percheron zufrieden.«

      Daquin hat sich für fünfzehn Uhr mit Inspecteur Costa im Dezernat für Finanzdelikte verabredet. Der Mann geht gemächlich auf die fünfzig zu, kleines Bäuchlein und beginnende Glatze. Er empfängt Daquin mit einem Lächeln. Ihre Zusammenarbeit hat er in guter Erinnerung.

      »Immer noch so kämpferisch, Commissaire Daquin?«

      »Um ehrlich zu sein, ist das gesamte Team in letzter Zeit etwas erschlafft.«

      »Das Marseiller Klima vielleicht?«

      »Kann gut sein. Aber derzeit starten wir eine etwas interessantere Ermittlung. Deshalb bin ich gekommen.«

      »Legen Sie los.«

      »In dieser Ermittlung taucht die Peugeot-Konzession von Asensio und Paolini auf, ob am Rande oder nicht, das hängt davon ab, was wir finden werden. Wir haben weder die Mittel noch die Kompetenz, um den finanziellen Aspekten nachzugehen, aber wir fragen uns, ob diese Firma vollkommen vorschriftsmäßig arbeitet.«

      Costa lächelt nicht mehr, er überlegt. »Wir haben da ebenfalls unsere Zweifel und beobachten sie. Im Moment haben wir nichts, die Firma wird sehr gewissenhaft geführt. Wir haben unsere Ermittlung gerade auf die Elfenbeinküste ausgeweitet.«

      Costa unterbricht sich. Er betrachtet Daquin, um zu sehen, ob er über die afrikanischen Ableger der Peugeot-Konzession im Bilde ist.

      Daquins Hirn rotiert, dann erinnert er sich. »Ja, Paolini und die Niederlassung für Neu- und Gebrauchtwagen …«

      Also, sagt sich Costa, wissen sie mehr, als er mir erzählt, ich kann den Handel fortsetzen. »Das wird unsere Ermittlung vielleicht in die Gänge bringen. Aber im Moment kann ich Ihnen nichts sagen.«

      »Wenn Sie etwas finden, könnten Sie uns dann ein Zeichen geben?«

      »Das mache ich, aus Freundschaft zu Ihnen, Commissaire, und zu Grimbert. Grüßen Sie ihn von mir.«

      Delmas hat seinen Nachmittag damit verbracht, einen Observierungstag rund um die UFRA vorzubereiten, indem er akribisch die Zugänge, die Öffnungszeiten, das Besucheraufkommen in den Vereinsräumen und in den umliegenden Cafés erkundet hat. Er geht zurück zum Évêché, bespricht sich mit Daquin: Die Observierung wird für Montag angesetzt. Danach wartet er am Ausgang ihres Büros im Speicherhafen auf seine Lebensgefährtin. Im Anschluss Kino mit Freunden. Seit er mit einer Marseillerin zusammenlebt, beginnt er die Stadt zu lieben.

      Sonntag, 26. August

      Le Quotidien de Marseille

      

       Über die gesamte Titelseite:

      Blutbad im Bus

      14:30 Uhr, Rocade du Jarret: In einem Anfall von Wahnsinn schneidet ein Mann dem Busfahrer am Steuer die Kehle durch und verletzt vier Fahrgäste mit Messerstichen. Nach kurzem Handgemenge wird er von mehreren Zeugen überwältigt, darunter der ehemalige französische Boxmeister Gratien Lamperti. Wie es heißt, hat der Busfahrer seinen Angreifer lediglich aufgefordert, seine Fahrkarte zu entwerten.

       Foto des Unglücksbusses.

      

      Sehr heftige Reaktionen von den Beschäftigten der Marseiller Verkehrsbetriebe. Arbeitsniederlegungen seit gestern. Heute Generalstreik.

       Fotos von Opfer und Mörder.

       Über die gesamte letzte Seite:

      Tragödie im 72er

      Es ist 14:30 Uhr, Émile Guerlache, 49, vier Kinder, lenkt seinen Bus 439EV13 der Linie 72 von der Place Bougainville zur Strandpromenade. An der Haltestelle Jarret-Mayer steigt Salah Bougrine zu, stempelt seinen Fahrschein ab, setzt sich. Der Bus fährt an. Bougrine zieht ein großes Messer aus der Tasche, nähert sich dem Fahrer von hinten und schneidet ihm mit einem einzigen Schnitt die Kehle durch. Das Blut spritzt auf die Windschutzscheibe, der Fahrer bricht zusammen, Bougrine stürzt sich auf den Körper. Im Bus bricht Panik aus. Die Fahrgäste springen auf, drängeln durcheinander, der Bus fährt führerlos weiter, der Algerier sticht wahllos auf die Mitfahrenden ein, der Boden ist glitschig vor Blut, der Bus prallt gegen den Mittelstreifen und kippt halb auf die Seite, die Türen verklemmen sich, die Fahrgäste fallen übereinander. Ein vorbeikommender Autofahrer, Ex-Boxmeister Gratien Lamperti, hält an, bewaffnet sich mit einer Handkurbel, schafft es in den Bus und schlägt Bougrine nieder. Das Bezirkskommissariat und die Sûreté-Einheit zur Bekämpfung der Bandenkriminalität treffen am Tatort ein und übernehmen den bewusstlosen Täter. Er wird ins Krankenhaus Hôtel-Dieu gebracht. Bougrine hatte 2500 Francs bei sich. Was er in Marseille zu tun hatte, ist nicht bekannt.

      Das Opéra-Viertel im Zentrum von Marseille, Heimat der Bars, Nachtclubs und Prostituierten, ist ausgestorben, alles geschlossen. Es ist noch zu früh. Nur Le Foudre hat geöffnet, die Bar der Familie Pereira, eine Flucht von engen, dunklen Räumen, die Ausstattung ganz in Holz, pseudorustikal, und allenthalben Porträts des portugiesischen Diktators Salazar. Die Familie Pereira hat aus ihren Anschauungen nie einen Hehl gemacht. Diskrete Kollaborateure während der deutschen Besatzung, dann in den Sechzigern entschieden pro Französisch-Algerien und antigaullistisch.

      Der Sohn, Dario Pereira, hat bei einem Mord und Attentaten der OAS in der Region wiederum diskrete, aber hochgeschätzte Hilfe geleistet. Man hat nie etwas beweisen können, pflegt er zu sagen, trotzdem zog er es vor, vier Jahre nach Portugal ins Exil zu gehen, und kehrte nach der Amnestie von 1968 zurück. Heute dient sein Café-Bar-Restaurant als Treffpunkt der Pied-Noir-Bewegung, die hier bis zum Rausch Nostalgie und Anisette Cristal tankt. Die Mutter kocht – sehr gut – für den engsten Kreis, und der Sohn stockt seine Einkünfte mit einer kleinen Sicherheitsfirma auf, deren Dienste Bürgermeister Gaston Defferre systematisch nutzt.

      Heute Morgen sind Pereiras Vertraute spontan schon zu frühester Stunde gekommen, um Neuigkeiten zu erfahren. Ein Dutzend Männer drängen sich um drei Tische, und Mutter Pereira serviert ihnen ein reichliches Frühstück. Es wird heftig diskutiert.

      »Die Situation ist ideal … Wir müssen die Gelegenheit mit beiden Händen beim Schopf packen … Vor uns eröffnet sich ein Boulevard, da müssen wir reindrängen …«

      »Und konkret, was machen wir?«

      Pereira schlägt vor, dem Beispiel von Grasse zu folgen und ein Verteidigungskomitee zu gründen.

      »Mit dem Slogan ›Die Sicherheit der Marseiller verteidigen, eine öffentliche Aufgabe, die der Staat nicht mehr zu bewältigen vermag‹, das klingt stark, oder?«

      »Ja,


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