Marseille.73. Dominique Manotti

Marseille.73 - Dominique  Manotti


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folgert: »Das beantwortet Ihre Frage, Commissaire. Wir beschleunigen die Ermittlung.«

      Daquin lächelt. »An die Arbeit. Wir haben drei mögliche Baustellen. Die erste: Asensio, seine ›guten Reden‹, seine ›Initiativen von großer Tragweite‹ und seine Beziehung zu Nadia Mokhrani. Die Telefonüberwachung steht. Zweite Baustelle: Brigadier Picon, eng verbunden mit Asensio und folglich mit der UFRA. Die beiden Männer tauschen Gefallen aus, außerdem sind es die zwei Namen, auf die die Regionaldienststelle Toulon gestoßen ist. Der Schießsportclub kann eine Schlüsselrolle in der extremistischen Pied-Noir-Bewegung spielen. Und schließlich das Kommissariat vom 15. Arrondissement, das wahrscheinlich einen weiteren Ankerpunkt dieser Bewegung darstellt. Wir sind zu dritt, wir haben einen Fotoapparat und zwei Telefonüberwachungen, mehr bekommen wir vermutlich nicht. Und wir steuern auf eine Periode mit heftigen Turbulenzen zu, die uns ebenfalls fordern und unsere Zeitpläne strapazieren werden. Wir können also nicht alles abdecken, welche Baustelle wählen wir?«

      »Das 15. in den Mittelpunkt zu rücken ist ausgeschlossen, wir haben nicht genug in der Hand. Und es ist bestimmt das Halsbrecherischste.«

      »Die Antwort, die sich aus der Anfrage der Regionaldienststelle Toulon ergeben würde, wäre vielleicht Asensio, aber ich tendiere zu Picon und seinem Schießclub, ein Ort, wo Begegnungen stattfinden und Wege sich kreuzen können. Ich habe da so ein Gefühl.«

      »Was Asensio angeht, haben wir die Telefonüberwachung, das reicht nicht, aber es ist ein Türchen. Für den Club sind keine Vorkehrungen getroffen, wir müssen uns also vorrangig damit befassen.«

      »Beschluss einstimmig gefasst. Und das hindert Sie nicht, Delmas, in Ihrem Rhythmus mit dem weiterzumachen, was Sie zu Asensio und zur UFRA begonnen haben. Kleines Problem: Percheron hat uns vorgewarnt, wir bekommen keine weitere Telefonüberwachung und keine Abhörwanzen. Wenn wir am Club weiterarbeiten, brauchen wir Wanzen, das ist ein Sammelpunkt, wir müssen wissen, was dort gesprochen wird. Wir werden die Arbeit aufteilen. Sie, Grimbert, fahren heute Nachmittag nach Toulon, Sie erklären unseren Kollegen, wie es bei uns steht, und bitten sie um Abhörwanzen. Machbar?«

      »Ich glaube schon.«

      »Wir geben sie ihnen zurück. Aber Sie unterschreiben nichts, insgesamt nichts Schriftliches. Sollten wir später Ärger mit Percheron bekommen, nehme ich das persönlich auf mich. Sobald wir sie haben, falls wir sie bekommen, befassen wir uns damit, wie wir sie installieren können. Wir treffen uns morgen früh hier, vor Ihrem Aufbruch zur Beerdigung von Guerlache.«

      Am späten Nachmittag ist die Bar Le Foudre im Opéra-Viertel rappelvoll. Viel Kommen und Gehen, rastlose Betriebsamkeit. Pereira weiß, man muss die Gelegenheit von Guerlaches Beerdigung für einen ersten lautstarken Auftritt des Verteidigungskomitees nutzen. Im Laufe des Tages hat er ein Banner mit der Aufschrift »CDM – Verteidigungskomitee der Bürger von Marseille« malen lassen. Heute Abend stellt er die Führungsriege des Komitees zusammen, die es während des Trauerzugs tragen soll. Man muss auch auf der gesamten Strecke Plakate kleben, der Vorrat von »Stoppt die wilde Einwanderung« wird aufgebraucht werden. Um das Kürzel CDM einzuführen, hat Pereira es geschafft, im Namen des Komitees zwei Plakat­serien drucken zu lassen. Jetzt organisiert er die Gruppen, die heute Nacht an der Strecke der Prozession plakatieren sollen. Zu guter Letzt wurde ein Flugblatt des Komitees in mehreren tausend Exemplaren gedruckt. Pereira verteilt sie in kleinen Bündeln, damit sie in allen Teilen des Trauerzugs präsent sind.

      Pause fürs Abendessen, man kann etwas verschnaufen, Madame Pereira hat eine Feijoada gekocht, die Gäste übernehmen das Servieren selbst. Telefonklingeln. Madame Pereira nimmt ab, wie sie es immer tut. Sie und sie allein. Eine Männerstimme, Französisch ohne Marseiller Akzent:

      »Könnte ich Monsieur Pereira sprechen, bitte?«

      »Bleiben Sie dran.«

      Sie legt den Telefonhörer ab, geht zu ihrem Sohn, der mit Freunden trinkt und diskutiert, flüstert ihm ins Ohr: »Die Präfektur«, Pereira nimmt das Gespräch an, Rücken zum Saal.

      »Pereira am Apparat.«

      »Wir haben aus der Presse entnommen, dass Sie für Mittwoch zu einer Demonstration aufrufen …«

      »Richtig, und wir sind nicht die Einzigen.«

      »Aber auf Sie kommt es an. Wir befürchten hochgradig gewalttätige Zusammenstöße mit den Linksextremen, so wie sie sich in Paris ereignet haben, was uns nötigen würde, hart durchzugreifen, und das möchten wir nicht. Ich habe mich heute Nachmittag mit den Gewerkschaften getroffen. Sie werden gegen Sie Stellung beziehen, in deren Augen instrumentalisieren Sie ihre Mobilisierung. Überlegen Sie sich das gut.«

      »Ich überlege immer, was ich tue.«

      »Ich weiß, und das ist umso besser. Guten Abend.«

      Dienstag, 28. August

      Le Quotidien de Marseille

       Auf der Titelseite:

      Die Bustragödie:

      Mörder 1969 am Kopf operiert

      Offenbar wurde Bougrine 1969 mit einer Axt angegriffen, was eine Schädelöffnung, mehrere Operationen und einen langen Krankenhausaufenthalt notwendig machte. Diese körperliche Beeinträchtigung könnte bis zu einem gewissen Grad sein geisteskrankes Verhalten im Bus erklären.

      Beerdigung um 12 Uhr. Die Verkehrsbeschäftigten: »Wir werden nicht zulassen, dass die Beisetzung unseres Kameraden als Vorwand für politische Demonstrationen dient.«

       Auf der letzten Seite:

      Presseerklärung des Polizeipräsidenten: »Es wäre bedauerlich, wenn dieser so schlimme Vorfall zur Folge hätte, dass die Öffentlichkeit sich aus berechtigtem Zorn zu Handlungen hinreißen lässt, die ihrer Geschichte nicht würdig sind.«

      Bevor er zum Évêché aufbricht, wirft Daquin einen letzten Blick auf den Vieux-Port zu seinen Füßen, das graugrüne, reglose Wasser, die verwaisten Kaianlagen, kein Geräusch, keine Bewegung, das Leben steht still. Die Stadt atmet nicht mehr. In einer Handvoll Stunden wird sie Émile Guerlache zu Grabe tragen, sie wartet, sie stinkt nach Blut.

      Als Daquin ins Büro kommt, sind Grimbert und Delmas schon im Aufbruch zur Beerdigung, Beobachtungsmission. Daquin selbst hat bis zum frühen Morgen Bereitschaft im Zentralkommissariat. In Wartestellung …

      »Sie verpassen ein grandioses Schauspiel, Chef. Die Marseiller sind Meister in Beerdigungszeremonien.«

      »Ehrlich gesagt bin ich nicht böse, dem großen Fest des Todes in seiner Sonnenschein-Aioli-Variante zu entgehen. Ich verlasse mich darauf, dass Sie mir alles erzählen.«

      »Was ich noch sagen wollte: Wenn Sie gleich allein sind, vergessen Sie nicht, einen Blick in Ihre Schreibtischschublade zu werfen. Sie finden dort vier bildhübsche Wanzen, aus dem Nichts aufgetaucht, und das zugehörige Aufzeichnungsgerät.«

      »Das lasse ich mir nicht entgehen.«

      Während die beiden Inspecteurs schweigend ihre Sachen zusammenpacken und aufräumen, fragt Daquin: »Sagen Sie, Grimbert, ich habe den Leitartikel im Méridional gelesen. Wissen Sie, ob die Zeitung die Waffen gleich mitliefert?«

      »Wer weiß. Den Abonnenten vielleicht. Und mit dem Segen des Polizeipräsidenten, dessen Presseerklärung Sie ebenfalls gelesen haben werden. Hübsch, das mit dem ›berechtigten Zorn‹.«

      »Gehen Sie los, Sie verpassen noch den Auftakt der Feierlichkeiten, das wäre schade. Aber, Grimbert, sobald es vorbei ist, kommen Sie mir berichten. Ohne Vertun.«

      Grimbert zögert eine Sekunde. »Hier oder am Tatort?«

      Delmas kreuzt die Finger, um das Unheil abzuwenden.

      Guerlache wohnte in La Pauline, einem weitgehend renovierten


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