Einäugige Killer: 5 klassische Krimis. Cedric Balmore

Einäugige Killer: 5 klassische Krimis - Cedric Balmore


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blauen Overall kam durch die Hauseinfahrt auf mich zu. »Fallen Sie da nicht ’rein, Mister«, meinte er lächelnd. »Das ist unser Giftkeller.«

      »Ihr Giftkeller?« echote ich.

      Er lachte. »Der Weinkeller«, stellte er richtig. »Ich habe gerade eine neue Sendung verstaut. Ich bin der Kellermeister, wissen Sie.«

      »Hat der Keller einen zweiten Ausgang?«

      »Den Lift«, sagte der Mann. »Den Lastenaufzug, um genau zu sein. Er verbindet den Keller mit unseren Geschäftsräumen im zweiten Stock.«

      »Hält er auch im Erdgeschoß?«

      »Selbstverständlich, Mister.«

      Ich zeigte ihm meinen Ausweis. »Schließen Sie die Klappe und sorgen Sie dafür, daß niemand durch die Luke den Keller verläßt«, bat ich ihn und flitzte davon, ohne mich mit weiteren Erklärungen aufzuhalten.

      Ich erreichte den Lastenaufzug im Erdgeschoß genau im richtigen Moment. Ein Mann verließ ihn mit demonstrativ zur Schau getragener Unbekümmertheit. Als er mich sah, zuckte er zusammen. Im ersten Moment glaubte ich, er würde kehrtmachen und in den Fahrstuhl rennen, aber dann entschloß er sich zur Flucht nach vorn.

      Er ging mit beiden Fäusten auf mich los. Ich ließ ihn kommen und stoppte seinen Kampfeseifer mit einer kerzengerade herausgestochenen Linken. Er ließ sich davon nicht beeindrucken und zahlte mir den harten Treffer mit ein paar soliden Schwingern heim, von denen ich nicht alle abblocken konnte.

      Wir waren nicht allein in der Halle. Zwei wie versteinert am Lift stehende Frauen und zwei Männer schauten uns zu. Die Männer waren in meinem Alter, aber sie sahen keinen Grund, in das Geschehen einzugreifen. Wahrscheinlich hielten sie die Auseinandersetzung für eine harmlose Schlägerei.

      Mein Gegner trug eine Sportkombination mit einem dazu passenden Oberhemd, das durch seine aufdringlichen Streifen ins' Auge fiel. Er war fast so groß wie ich und zeigte durch seine Beinarbeit, daß er etwas vom Boxen verstand. Seine Regelauffassung war allerdings recht anfechtbar. Dieser Eindruck verstärkte sich, als er sich immer mehr in die Enge gedrängt fühlte und merkte, daß sein Zug abgefahren war. Mit ein paar Tiefschlägen versuchte er die Situation in den Griff zu bekommen. Ich schaffte es, ihm immer wieder mit einem Sidestep auszuweichen, und beendete den Fight mit einer knallharten Linken auf den Punkt.

      Mein Gegner fiel um und blieb liegen. Jetzt kam Leben in die Zuschauer, zumindest in die beiden Frauen. Wütend eilten sie auf mich zu. »Sie Flegel!« zeterte die eine. »Wie konnten Sie den armen Jungen nur -so zusammenschlagen?«

      Die Männer lachten und verließen die Halle. Das Zusehen war für sie reizlos geworden.

      »Es ist Ihnen offenbar entgangen, daß ich von ihm angegriffen wurde«, sagte ich höflich.

      »Angegriffen!« prustete die Frau empört. Sie hatte sich zur Sprecherin gemacht und war nicht bereit, diese Rolle aufzugeben. »Der bedauernswerte Junge!« rief sie aus. »Er hatte keinen Grund, jemand zu überfallen, dazu noch am hellichten Tag. Wir haben doch gesehen, wie Sie ihn mitleidlos zusammengeschlagen haben. Sie sollten sich wirklich schämen! Lieber Himmel, was ist nur aus unserer Jugend geworden!«

      »So jung bin ich nun auch nicht mehr«, sagte ich. »Die Zugehörigkeit zum FBI erfordert ein bestimmtes Mindestalter.«

      Ich kam nicht mehr dazu, mich an der Verblüffung der beiden Damen zu weiden, denn mein Gegner rührte sich und kam auf die Beine. Er atmete schwer und sah' nicht so aus, als ob er auf einen zweiten Kampf versessen wäre.

      »Gehen wir zu Miß Hastings«, schlug ich ihm vor. »Dort wird in ein paar Minuten die Polizei eintreffen.«

      Der junge Mann starrte mich an. Er hatte ein knochiges Gesicht mit unreiner, pickeliger Gesichtshaut. Seine Augen standen weit auseinander. Er machte schweigend kehrt und ging voran. Ich blieb einen Schritt hinter ihm.

      Von der Halle führte ein windfangähnlicher Durchgang zur Straße. Als ich ihn betrat, spürte ich neben mir die unerwartete, aus dem Halbdunkel kommende Bewegung.

      Ich zuckte herum und riß instinktiv meinen Ellenbogen vor das Gesicht, aber die Reaktion kam zu spät. Der Schlag, der mich am Kopf erwischte, wurde mit einem stumpfen Gegenstand ausgeführt und traf mich genau dort, wo es wirken mußte. Ich fiel um und verlor das Bewußtsein.

      Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einer Sitzbank in der Halle, umringt von Neugierigen. Jemand hatte mir eine Damenhandtasche unter den Kopf geschoben.

      Ich richtete mich behutsam auf und schloß die Augen, als hinter meiner Stirn ein Kettenkarussell seinen Betrieb eröffnete. Der Schmerz ebbte nur langsam ab. Blinzelnd hob ich die Lider. Ich horte Worte und Sätze, die ich abwehrte, um selbst ein paar Fragen stellen zu können. Dabei fand ich heraus, daß niemand gesehen hatte, wem ich die unerwünschte Vollnarkose verdankte.

      Ich erhob mich vorsichtig, bedankte mich bei der Dame, die mir fürsorglich ihre Handtasche unter den Kopf geschoben hatte, und machte mich auf den Weg in den Modesalon von Miß Hastings.

      Die Polizei war noch nicht eingetroffen. Miß Hastings sah ziemlich ramponiert aus. Sie war leichenblaß. Ein paar frische Kratzer auf ihrem hübschen Gesicht und eine aufgeplatzte Lippe ließen erkennen, daß der Gangster mit ihr keineswegs zärtlich umgegangen war.

      Als ich ihr Office betrat, saß sie am Schreibtisch und rauchte. Vor ihr stand ein gefüllter Kognakschwenker. »Das ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählte«, berichtete die rotblonde Empfangsdame, die an der Schmalseite des Schreibtisches stand.

      Miß Hastings nickte. »Danke, Betty. Lassen Sie uns allein, bitte.« Sie wies einladend auf den Besucherstuhl, während das rotblonde Mädchen hinausging. Ich setzte mich.

      Miß Hastings war von schwer bestimmbarem Alter. Es lag irgendwo zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig. Wie es sich für eine Frau ihres Berufs gehörte, war sie sehr elegant gekleidet. Sie hatte das graublonde Haar hochgesteckt, um ihr Gesicht schmaler erscheinen zu lassen. Das Make-up war dezent. Sie machte einen tüchtigen Eindruck und war sicherlich eine clevere Geschäftsfrau. Im Augenblick bestimmte freilich die Angst ihr Verhalten.

      »Betty sagte etwas von einem Mord«, begann sie, den Blick ihrer großen goldbraunen Augen fest auf mich gerichtet.

      »Darauf kommen wir noch«, sagte ich. »Wer war der Mann, der Sie überfallen hat?«

      »Ich kenne ihn nicht«, antwortete Miß Hastings. »Es war einfach furchtbar! Haben Sie ihn gefaßt?«

      »Ich weiß, wie er aussieht«, sagte ich. »Was wollte er von Ihnen?«

      »Geld natürlich. Die Kasse.«

      »Wie ist er hereingekommen?«

      »Durch das Fenster«, sagte Miß Hastings und wies mit dem Daumen über die Schulter. Sie hatte das Fenster inzwischen geschlossen. »Er sprang einfach herein und würgte mich am Hals.«

      »Was sagte er?«

      »Ich war so erschrocken, daß ich seine ersten Worte gar nicht richtig verstand. Ich glaubte allen Ernstes, daß mein letztes Stündlein gekommen sei.«

      »Bewahren Sie Geld im Büro auf?«

      »Wechselgeld, im Safe«, nickte sie. Sie hielt meinem Blick während der Unterhaltung stand, aber das geschah auf eine forcierte, beinahe verkrampfte Weise. Ich kam nicht davon los, daß sie mir ein Märchen erzählte. Aber warum hätte sie das tun sollen?

      Ich blickte auf die Uhr. »Die Polizei läßt auf sich warten«, sagte ich irritiert.

      »Ich habe Betty verboten, die Polizei zu alarmieren«, meinte Miß Hastings. »Warum denn das?«

      »Es ist ja nichts passiert«, sagte sie. »Na, hören Sie mal! Ich denke, der Bursche wollte Ihr , Geld? Es war ein versuchter Raubüberfall! Er hat Sie geschlagen! Ihnen muß doch daran gelegen sein, daß der Mann gefaßt und abgeurteilt wird.«

      Miß Hastings betastete mit ihren


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