CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind.... Werner Meier

CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind... - Werner Meier


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Ekelfaktor. Ich hatte die Story unserer Societykolumnistin Fanny Weyer unterjubeln wollen, aber der damalige Redaktionsleiter Helge Hinrichs dagegen entschieden.

      „Sie sind unser Kriminalreporter, Kollege Teufel. Ihr Job, wenn ein Forensiker unter die Buchautoren gegangen ist. Vertiefen Sie Ihre Kontakte."

      Mein Artikel war in der Gesamtausgabe erschienen und mir bewusst geworden, dass auch die Chefredaktion einen Hang zum Abartigen hatte. Ein Freiexemplar mit Dankeswidmung von Forster stand in meinem Bücherregal neben zwei Bänden über forensische Sexualforschung. Ein Geschenk von Tantchen zu meinem Einstand bei der Zeitung. Keine Ahnung, wieso sie glaubte ich könnte es spannend finden, dass sich gestörte Typen kopfüber an den Eiern aufhängten.

      Tatsächlich erreichte ich Forster in seinem Keller.

      „Was schreit das Weib so, Mark? Ist Ihnen eine Scheintote aufgwacht?“

      „Die Netrebko schreit nicht, sie gibt Aida, die versklavte Königstochter, die sich in den feindlichen Heerführer Radames verliebt.“

      Er war gerade dabei, Jane Does Gesicht für ein druckbares Foto herzurichten und erwartete gleich Twiggy zur rechtzeitigen Freigabe noch für die Montagausgabe der Zeitung.

      Xenia Minkin, Heiligbrücks jüngste ehrgeizige Staatsanwältin hatte sich schon als Herrin des Verfahrens eingeklinkt. Sie brachten schon ihre Soldaten in Stellung. Von Minkin wusste ich nur, dass sie vor einem Jahr aus Bielefeld ins bayerische Hinterland versetzt worden war. Ihren Spitznamen Twiggy hatte sie mitgebracht. Das dürre Kultmodel der 60er war lange vor ihrer Zeit, und vermutlich hatte sie selber googeln müssen, um rauszufinden, wer hinter Twiggy steckte. Ihr Spitzname machte auch in Heiligbrück die Insider-Runde und darüber hinaus. Ich fand Twiggy nicht sehr weit hergeholt. An Minkin hingen Klamotten wie noch an der Stange, und eine pinky Haarsträhne in die Stirn bis übers rechte hellblaue Auge versuchte verzweifelt, Pfiff in ihr käsiges Totenkopfgesicht zu bringen. Sie galt schon als Protegé des Behördenchefs. Natürlich ging damit das Gerücht, dass Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Rigobert de Mille sie vögelte. Oder sie ihn. Ich fragte mich wer dann wen mehr benutzte. Er mit seiner Chefstellung ihre Karriereabhängigkeit von ihm, oder machte sie ihn sich als femme fatale gefügig? De Mille führte eine Ehe auf Papier, getrennt von seiner Frau Karin. Die war in einem Maschinenbaukonzern durchgestartet, nachdem die drei Kinder aus dem Haus waren, und managte mittlerweile das Werk in Istanbul. De Milles Ego ertrug ihren Erfolg schlecht.

      Mir fiel ein, dass Leichen bundesweit schon routinemäßig auch schnell auf Corona getestet wurden.

      „Nun ja, Jane Doe ist Covid-19 negativ.“

      Jane Doe war zweifellos im Fluss ertrunken, konnte Forster inzwischen auch schon bestätigen, allerdings mit kaum Wasser in der Lunge.

      „Nun ja, Ertrinkungslunge kann sogar trocken sein, wenn eingeatmetes Wasser sofort in die Blutbahn resorbiert wird.“

      „Jane Doe hat die Augen zughabt, Mark!“

      „Nun ja…“

      Eine pauschal gültige forensische Regel für Augenlider gab es nicht, nur den wahrscheinlichen Normalfall, wobei die Lider sich im normalen Sterben bis auf wenige Millimeter schlossen. Jane Does am Puppenstrand hätte ich weit aufgerissen erwartet, noch vom Todeskampf gegen das Ertrinken, danach von Strömungen und einsetzender Totenstarre am Schließen gehindert. Ich hatte meine eigene These, warum das nicht der Fall war.

      „Das Mädel hat wenig Wasser gschluckt, weil´s bewusstlos war, als es im Fluss glandet ist, Mark. Dem Tod schon so nah, dass es im Wasser nicht mehr aufgwacht ist. Drum waren die Augen zu.“

      „Nun ja.“

      „Kommens, das war kein Badeunfall in Reizwäsch, und das scharfe Outfit von unserm letzten Stadtgspenst hat das Mädel auch nicht zufällig anghabt. Und ich weiß, dass Twiggy das Verfahren gleich an sich grissen hat, bei der Geschwindigkeit entweder in vorauseilendem Gehorsam, oder schon auf Anweisung. Mir kommt´s jedenfalls panisch vor. Und von Twiggy über den Oberstaatsanwalt bis ins Rathaus ist´s bloß ein Katzensprung. Die Amigos sind nervös, Mark.“

      „Nun ja…“

      Was Obrigkeit anging, hielt Forster sich mit Kommentaren gerne bedeckt, besonders mir gegenüber. Weil unsere Meinungen über Gehorsam weit auseinander gingen.

      Jane Does Körper war zerschunden, von Strömung über auch felsiges Flussbett geschleift. Verletzungen vom Sturz einen Abhang runter wie in der Erzählung vom Hotzenplotz konnten sich darunter leicht verstecken. Falls vorhanden, enttarnte man die nicht einfach durch Handauflegen. Wie Forster mir ironisch bestätigte.

      „Nun ja, ich bin forensischer Patholologe, kein Magier.“

      „Könnt Sex im Spiel sein, Mark?“

      „Nun ja, Jane Doe ist nicht von einer Matratze bei mir gelandet, sondern aus einem Flussbett, und das erst gestern. Und sie hat kein Hinweisschild für mich um den Hals getragen.“

      Tatsächlich nagten neben natürlicher Zersetzung und Abschleifungen in fließenden Gewässern auch deren Bewohner am Tod. Bilder, die ich nicht unbedingt auch noch in meinem Kopf haben musste. Ich war Forster fast dankbar dafür, dass er sich nicht festlegen konnte oder wollte, ob Jane Doe vaginal, anal angegriffen, oder sogar noch jungfräulich ertrunken war. Was nebenbei auch heißen hätte können, dass es zur Penetration nur nicht mehr gekommen, weil vorher schon was schiefgelaufen war.

      „Vielleicht mit einer Vergewaltigungsdroge, und man hat sich mit der Dosis vertan.“

      „Nun ja, ich arbeite nicht mit Vielleichts.“

      Hieß die Toxis waren noch nicht so weit.

      Fesselspuren verneinte Forster definitiv. Wenn wer die Weiße Frau der Legende hätte nachstellen wollen, war er nicht bis ins kleinste Detail gegangen. Außerdem hatte der Stadtschreiberling die ertränkte Herzogin nie körperlich wieder auftauchen lassen. Die Flussdämonen hielten sie gefangen, ließen sie als Weiße Frau mit den Nebeln nur als Rachegeist aufsteigen.

      Jetzt war das Böse in Fleisch und Blut über Heiligbrück gekommen. Wenn wer sie ins Wasser geworfen hatte, hatte er nicht versucht die Leiche zu beschweren, damit rechnen müssen, oder gewollt damit gerechnet, dass sie früher oder später am Puppenstrand angeschwemmt würde. Weil quasi alles von flussabwärts dort landete. Vielleicht doch keine schiefgelaufene Sexnummer. Die gewollte Inszenierung eines gut organisierten Mörders? Der sich mit seinem Plan im Kopf ein Banini-Nightset besorgte, erst danach einem Mädel auflauerte. Weshalb Kurtisane dem nicht genau passten. Weil es ihm primär darauf nicht ankam? Schon gar nicht auf die Nachstellung der Legende. Sondern auf die Weiße Frau in gleicher scharfer Bettwäsche gedoubelt, womit der Oberbürgermeister und sein honoriger Geistervereinsvorstand zuletzt auch ihre Hauptdarstellerin hatten geil durch die Ruine geistern lassen. Was in erster Reihe männlichem Publikum die Mühe wert war, zum Finale nochmal vom Fluss zur Ruine hochzusteigen.

      „In ihren Magen habens bestimmt schon reinglurt, Mark.“

      Das machte ihm Laune. Tote Mägen lockten Forster wie Honigtöpfe Yogi Bär. Jane Does hatte noch einiges hergegeben, Teigreste, Käse aus Pflanzenmilch, Waldpilze und Pepperoni. Ich tippte auf vegane Pizza und wusste, wo die ein Renner war. Nicht, dass ich vegane Pizza mochte. Ich mochte überhaupt keine Pizza.

      Draußen vorm Rialto am Kaiserplatz war Gästen maskenlos erlaubt, allerdings höchstens zwei Leute an einem Tisch, mit verordnetem Abstand. Zwei Tische von dem Dutzend waren noch frei. Ich hockte mich an einen und ließ mir einen Kaffee von Toni bringen, Salvatores Kellner. Salvatore hieß gebürtig Bertram, Toni immer schon Toni. Am übernächsten Tisch, der neben mir war auch unbesetzt, löffelten scheinbar zwei aus der Truppe der Golden Girls dunkelbraune Masse aus Glasschalen. Ich wandte mich an Toni.

      „Ist dir in den letzten paar Tagen ein zierliches Mädel aufgfallen, mit feuerroten Haaren bis über die Hüften? Die vegane Pizza bstellt hat?“

      „Teufel, du bist heut schon der zweite, der mich danach löchert.“

      Ein junger Kripomann im Safarilook mit einem großen schwarzen


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