CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind.... Werner Meier

CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind... - Werner Meier


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mit körpereigenem Eiweiß. Die Folge waren schmerzhafte äußerliche Verbrennungen. Die konnten noch bis 48 Stunden danach auftreten. Poppy hatte ihre Nase in die Rosen gesteckt und bald hatte ihr Gesicht einer überglühten gerissenen Herdplatte geähnelt. Die Heilung von den scheußlichen Quaddeln war langwierig. Poppy war wochenlang untergetaucht. Normalerweise wuchs die Staude drei bis vier Meter hoch. Der Doldenblütler stammte aus dem Kaukasus. Schon Berührungen konnten bei Menschen Verbrennungserscheinungen auslösen. Das Kraut fühlte sich überall wohl: in Gärten und Parks, an Straßenrändern, in Bach- und Flusstälern, auf fetten Wiesen, Brachland und Weiden. Pflanzenkundler hatten die Staude 2008 zur Giftpflanze des Jahres gewählt. Botaniker waren schräg drauf. Die Giftstaude konnte sonst wo wuchern, verbreitete ihre Samen mit dem Wind, oder durch Wildwechsel, sie hängten sich an landwirtschaftliche Fahrzeuge und schwammen sogar in fließenden Gewässern mit. Wer eine Staude in freier Natur sichtete, musste es melden, wegen fachmännischer Beseitigung. Dabei war Schutzkleidung mit Gesichtsschutz dringend angesagt.

      Das saugiftige Gewächs pflanzte man nicht im Vorgärtchen. Und es war kein Geheimnis, dass der Hotzenplotz vor dem Fluch die Hosen voll hatte, er das alljährliche Schauspiel und Poppys sextriefende letzte Darstellung der Weißen Frau verdammte. Der alte Zausel hauste schon länger in den Auen, als dort mancher Baum und Strauch wuchsen, und nach dem Anschlag auf Poppy hatten Doppelde ihn befragt, ob er eine Stelle mit Riesenbärenklau wusste.

      Der Hotzenplotz hatte erschrocken den Kopf geschüttelt. Kein Riesenbärenklau in seinem Gäu, hatte er versichert. Aber die Weiße Frau sei sehr zornig, weil die aus der Stadt nicht aufhörten sie zu reizen.

      Der Leichenwagen der Städtischen Bestattung war hin-und zurück eng an uns vorbei über die Brücke gefahren, die Tote auf dem Weg in den Keller des Kreiskrankenhauses, Forsters kühles Reich. Die Spusi war inzwischen auch von der Lichtung abgezogen, wo mein Frosch stand. Der kleine runde Tisch und die zwei Gartenstühle lagen noch da, wie Sturmböen sie umgeweht hatten, Zweigwerk und Laub auf die Lichtung geblasen und die schwarze Abdeckplane von der Destille Marke Eigenbau vor dem blauen ausrangierten Bauwagen. Das zugesperrte Vorhängeschloss war unbeschädigt. Honigmann hatte es ohne Durchsuchungsbeschluss nicht knacken lassen. Keine Spur vom Hotzenplotz. Ich latschte noch mal runter zum Fluss, bis zu der Stelle, wo er Jane Doe hingerotzt hatte.

      Wind frischte auf. Er spielte mir das Lied vom Tod über den Fluss. Oder ich hatte die Mundharmonika nur im Kopf. Weil Ennio Morricones Western-Soundtrack vergangenes Jahr zur Flussszene im Freiluftschauspiel vom anderen Ufer über Lautsprecher eingespielt worden war, als würden Wind und Wellen ihn herübertragen. Die blödsinnige Idee der Regie. Morricone hätte sich wahrscheinlich im Grab umgedreht, hätte er schon drin gelegen. Vielleicht würde er das jetzt nachholen. Anfang des Monats war der Unsterbliche der Filmmusik gestorben.

      Die Schaumkronen auf den dreckigen Wellen tanzten schneller, der Wind flüsterte mir jetzt von abgefahrenen Geistersexorgien, drüben hinter den sauberen Fassaden alteingesessenen Wohlstands, wo honorige Herren, womöglich unter Beihilfe ihrer Gattinnen krude Sex-Fantasien auslebten. Mit irgendwo aufgeklaubtem Jungfleisch, Straßenkids, die niemand vermisste. Wobei möglicherweise was schiefgelaufen war, man danach ein Mädel im nahen Fluss entsorgt hatte. Wo ich vorher unter der Mittagssonne in meiner Polyesterjacke gedampft hatte, fröstelte ich jetzt. Während ich hinüber schaute auf Heiligbrücks seit Generationen ehrenwerte Gesellschaft, die so gerne unter sich blieb. In sauberen Gründerzeit- und Jugendstil-Villen, die sich wie eine Wagenburg um die des Oberbürgermeisters scharten. Ich fing an zu spinnen und holte mein Handy aus der Hosentasche. Ich hatte die Handynummer von Doppeldes Chefin auf Kurzwahl. Unser erstes gemeinsames Kneipenbier hatten Polizeihauptkommissarin Henriette Peter und ich zu Zeiten des Flüchtlingscamps in den Flussauen gezischt, während wir ins Visier von rechtsradikalem Gesocks geraten waren. Morddrohungen können verbinden. Es war nicht bei einem Bier geblieben und danach war ich in ihrem Bett gelandet. Ihre Töchter hatten das Wochenende beim Papa und dessen Neuer in der Hauptstadt verbracht. Jetzt redeten wir über eine Leiche im Alter von Henriettes Zwillingen.

      „Jessas, Teifi, ein totes Mädel in scharfer Bettwäsch. Nix, womit Eltern ihre behüteten Teenietöchter schlafen schicken.“

      Ich stellte mir vor wie sie die großen Zähne bleckte. PHK Peter hatte ein Gebiss wie ein Gaul und ein Gemüt wie ein Fleischerhund. Und ich keine Ahnung womit Eltern heutzutage ihre Teenietöchter schlafen schickten.

      „Jessas, Teifi. Meine schlafen in T-Shirts mit Lewis Capaldi, Alec Benjamin oder Alli Naumann.

      Wer immer die waren. Bilder in meinem Kopf zeigten mir plötzlich wieder Henriettes Unterwäsche, womit sie ihre pralle Weiblichkeit im Zaum hielt. Ich konnte meine Zunge nicht im Zaum halten.

      „Ich stell mir dich grad in Banini vor.“

      „Kein Grund zur Heiterkeit, Teifi. Deine Jedibuxen taugen auch nicht für shades of grey. Immerhin hast du mir einen einzigartigen Orgasmus beschert.“

      „Dankschön, das hört Mann gern.“

      „Meiner war nicht der Rede wert, ich mein deinen. Ich hab noch keinen ghabt, der gschrien hat Scheiße was tu ich da, als es ihm kommen ist.“

      Zusammen mit meinem schlechten Gewissen Issi gegenüber, das sich lauthals Luft gemacht hatte. Ein peinlicher Höhepunkt in meiner Orgasmusvita.

      Von Henriette kam nichts mehr, und ich ging nicht davon aus, dass sie eingeschlafen war.

      „Soll ich mir während der Werbepause einen Kaffee holen?"

      Polizeihauptkommissarin Henriette Peter bewegten ähnliche Fantasien wie mich.

      „Teifi, ich möchte mir gar nicht vorstellen müssen, was da hinter frommen Mauern unserer Villen abgeht. Jessas.“

      Ich deutete ihr vorheriges Schweigen so, dass sie genau das gerade getan hatte. Sie vermied es immer noch, im Zusammenhang mit dem toten Mädel am Puppenstrand die Weiße Frau in den Mund zu nehmen. Mir war klar warum.

      „Dein Arsch hockt wieder mal auf einem Pulverfassl, Dirty Harriette.“

      Den internen Kriegsnamen hatte sie, seit sie Polizeidirektor Dr. Hubertus Schwammerl zu dessen Sechzigstem eine Knarre an die Eier gehalten hatte. Weil der Schwammerl auf ihren Vorbau gestarrt und andern schmierige Zoten zugeflüstert hatte. Nicht leise genug. Die Knarre war nur eine Wasserpistole gewesen. Aber vollgeladen, und POK Peter hatte abgedrückt. Dem Schwammerl war´s für alle sichtbar feucht im Schritt geworden. Dirty Harriette und ihr Polizeichef hatten sich danach auf „Schwamm drüber“ und eine Beförderung von POK Peter zur PHK und Inspektionsleiterin im Villenviertel verständigt. Womit sie einem Verweis in ihrer Dienstakte, er einer Anzeige und öffentlicher Untersuchung wegen sexueller Belästigung entkam. Im Villenviertel sollte Sie auf kommodem Abstellgleis eine ruhige Kugel schieben. Anständige Bürger, tote Hose. Bis im Frühjahr 2016 das Flüchtlingscamp an die heile Welt angedockt hatte, 163 Flüchtlinge, von Bundesmutti Angela rein gelassen, vom noch bayerischen Landesvati Horst nicht gewollt. Flüchtlinge hatten keinen Einfluss darauf, wo Politbürokratie sie parkte, wurden normalerweise aber nicht nahe feiner Viertel gesammelt. Doch die dafür vorgesehene leerstehende Grundschule war vor dem Einzug in Brand gesteckt worden. Täter bis heute unbekannt. Flüchtlinge plötzlich in ihrer Sichtweite brachten böses Blut auch bei den Wohlstandsbürgern in Wallung. Der Oberbürgermeister war einer von ihnen, als Villenviertler und oberster Amigo im gewachsenen Filz im und ums Rathaus. Sie machten ihn verantwortlich, obwohl er ausnahmsweise unschuldig war. Die Flussauen, auch dort, wo sie sich noch innerhalb der Stadtgrenze befanden waren bayerisches Hoheitsgebiet im Besitz des Freistaats. Der hatte kurzerhand den Campingplatz über dem Fluss vom Pächterehepaar beschlagnahmt und ihn Heiligbrück als Ausweichquartier aufs Auge gedrückt. Schon bei Ankunft der Busse hatte es wütenden Auflauf und Blockadeversuche vor der Brücke gegeben. Worauf die gerade erst beförderte Inspektionsleiterin PHK Henriette Peter rund um die Uhr Streifen postierte, um das Camp vor treudeutschen Einheimischen zu schützen. Während die Villenviertler Revolvermänner einer privaten Securityfirma die sauberen Trottoirs entlang patrouillieren ließen. Aus Hüftholstern ragten Griffe von 45er Colts. Bei Fuß trotteten Rottweiler an kurzer Leine nebenher. Schwarze 60 Kilo-Muskelpakete mit mächtigen Schädeln, zum Schutz besorgter Bürger und Bürgerinnen.


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