Die Rache des Waschbären. Christian Macharski
vor.“
„Ja sicher“, flüsterte Will, „aber du hast selbst gesagt, dass der Selbstmord genauso gut ein …“
„Psst“, unterbrach Kleinheinz ihn. „Ich hab dir doch jetzt schon mehrmals gesagt, dass das einfach nur so dahergeredet war. Es gibt überhaupt keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen. Außerdem habe ich Urlaub und mein Chef erzählt mir was anderes, wenn ich mit einer dreißig Jahre alten Geschichte ankomme.“
„Ach, wer redet denn von dein Chef? Wir können uns die Sache doch erst mal selber angucken. Ich habe mir schon was überlegt. Morgen gehen wir mal unverbindlich zum Altenheim hier in Saffelen. Da lebt die Mutter von Julia. Die ist zwar alt, aber noch gut dabei. Die kann uns bestimmt …“
„Will, jetzt mal langsam.“ Kleinheinz legte ihm die Hand auf den Arm. „Du kannst doch eine alte Frau nach all den Jahren nicht mit solchen Sachen konfrontieren. Die hat auf tragische Weise ihre Tochter verloren. Die möchte ihre Ruhe haben, glaub mir das.“
„Wie gesagt, Peter. Ich habe mir da gestern viele Gedanken drüber gemacht. Und dabei sind mir ein paar Sachen von früher eingefallen, die dich bestimmt interessieren. Hör dir das erst mal an und dann kannst du entscheiden, ob wir zum Altenheim fahren oder nicht. Was meinst du?“
Kleinheinz rieb sich das Kinn. Die Sache gefiel ihm überhaupt nicht. Es war nie gut, alte Geschichten aufzuwärmen. Auf der anderen Seite musste er zugeben, dass ihn der Fall, wenn es denn einer sein sollte, schon reizte. Sein Chef und der Polizeiarzt hatten ihn aus dem Verkehr gezogen, weil sie ihm zurzeit keine Ermittlungsarbeit zutrauten. Aber denen würde er es zeigen. Kommissar Kleinheinz gehörte noch lange nicht zum alten Eisen. Und deshalb antwortete er nach kurzem Zögern: „Okay, Will. Erzähl mir, was du weißt. Aber nicht hier. Hier sind mir entschieden zu viele Leute. Außerdem wird mir schlecht von dem ganzen Qualm. Lass uns ein paar Meter an der frischen Luft gehen.“
„Sehr gut“, Will sprang erfreut auf, „dann kann ich dir bei der Gelegenheit auch was zeigen.“
Borowka war froh, dass die beiden Geheimniskrämer endlich gingen, denn Harry Aretz hatte das Tablett mittlerweile komplett mit Gläsern zugestellt. Es würde nicht leicht werden, es durch den immer voller werdenden Saal zu tragen. Als Borowka das Tablett gerade mit ausgestrecktem Arm über den Kopf gehoben hatte und Rita sich darum kümmerte, ihm eine Schneise durch die Menschenmenge zu schlagen, traf ihn fast der Schlag. Er sah, wie am gegenüberliegenden Ende des Saals Martina Wimmers auf Fredi zusteuerte, der am Tisch saß und sich angeregt mit seinem Onkel Heinz aus Brüggelchen unterhielt. Als Borowka dann noch mitansehen musste, wie Martina Fredi von hinten auf die Schulter tippte, geriet er in Panik. Er nahm das Tablett runter und drückte es der verdutzten Rita in die Hände, die große Mühe hatte, die überschwappenden Gläser auszubalancieren. Aufgebracht schrie sie: „Sag mal, geht’s noch, Richard?“
Doch Borowka war schon verschwunden. Schubsend bahnte er sich einen Weg durch die Trauergäste. Er musste um jeden Preis verhindern, dass Martina zum ersten Mal seit fast zwei Jahren wieder mit Fredi sprach. Denn das, was sie ihm zu sagen hatte, würde seinen besten Kumpel in eine tiefe Krise stürzen. „Aus dem Weg, ihr Aschlöcher“, rief er und rempelte dabei versehentlich Pastor Kuttrapalli an, der mit einem lauten unverständlichen Fluch auf den Lippen spektakulär zu Boden ging.
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