Resli, der Güterbub. Franz Eugen Schlachter

Resli, der Güterbub - Franz Eugen Schlachter


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ja nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Der Tod kann ung`sinnet5 kommen, besonders wenn man das 70. Jahr schon überschritten hat. Wie der liebe Gott heute über Nacht das weiße Leichentuch über die Felder gebreitet hat, so ist es auch schon manchmal vorgekommen, dass das Leintuch, womit einer sich am Abend zudeckte, ihm über Nacht in ein Leichentuch verwandelt worden ist.“

      „Du bist es Babi“, sagte dieser lachend, „so weit ist es noch lange nicht. Daneben ist es gut, wenn du früh genug das Wort der Schrift beherzigen lernst: „Lasset ab von dem Menschen, der Odem in der Nase hat, denn was ist er zu achten? Er ist wie des Grases Blume, die bald verblüht.“ Es ist darum viel besser, lieber Resli, wenn du dich nicht an Menschen, sondern an den Heiland hängst, der gestern und heute derselbe ist und in Ewigkeit; wenn Vater und Mutter dich verlassen, so nimmt Er dich auf.“

      Und der Doktor hatte leider Recht. Als die Passionszeit kam, hatte das Leiden einen solchen Grad erreicht, dass der Alte nicht mehr aufzustehen im Stande war. Bald wurde er so schwer, dass Resli und die Tochter ihn nicht mehr heben konnten. Ein starker Mann musste jedes Mal gerufen werden, um ihn auf und nieder zu tun, und der versicherte jedes Mal, der Kranke sei wenig leichter als ein doppelzentneriger Sack. Doch der liebe Gott machte es gnädig mit ihm; wenn ihm auch das Wasser immer näher zum Herzen drang, dass er mit David beten musste: „Gott hilf, denn das Wasser geht mir bis an die Seele!“ so löschte dasselbe doch den Glaubensfunken nicht aus, nein, Gottes Geist blies denselben immer mehr zur hellen Flamme an. Denn Der, welcher keines seiner Kinder versuchen lässet über Vermögen, sondern allezeit einen erträglichen Ausgang schafft, sorgte dafür, dass die beschwerliche Krankheit verhältnismäßig rasch zu Ende ging. Für seinen Pflegesohn und seine taubstumme Tochter freilich viel zu früh, von ihm selbst aber längst ersehnt, erschien die Stunde der Ablösung von diesem sterblichen Leib, noch ehe der Ostermorgen durch die Fenster schien.

      Warum, so spricht nun die menschliche Vernunft, wurde Resli das Glück, in der segensreichen Nähe eines solchen Mannes zu sein, nur zwei Monate lang zu teil? Diese kurze Zeit hatte gerade hingereicht, um ihn die Flüche vergessen zu lassen, die er bei seinen Stiefbrüdern eingeübt. Wie gut hatte ihm nach der Hungerkur beim Stiefvater das Brot des Pflegevaters geschmeckt, der ihn ja nicht nur mit Bibelsprüchen abspies, sondern dem das leibliche Wohl des armen Knaben nicht minder als dessen Seelenheil am Herzen lag. In der kurzen Zeit hatte er solche Fortschritte im Lernen gemacht, dass der Lehrer sagte, zwar nicht zu ihm, aber zum Pflegevater: Aus dem wird einmal etwas anderes als nur ein Taglöhner, wenn du ihn so fleißig zur Schule schickst.


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