Resli, der Güterbub. Franz Eugen Schlachter

Resli, der Güterbub - Franz Eugen Schlachter


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nur Lisi, die Haushälterin, das Spinnen besorgt; ihre Arbeit reichte für die kleine Haushaltung hin. Nun aber war der Flachs gut geraten im verwichenen3 Sommer, sie hatten viel, und die Brüder rechneten aus, wie viel mehr sie lösen könnten aus dem Garn, als aus dem ungesponnenen Flachs. Flugs machten sie für sich und Resli drei alte Spinnräder zurecht, und nun schnurrte es in der Bauernstube den ganzen Tag, während draußen der Sturm die weiße Baumwolle zu einer schneeweißen Decke verwob. Resli wurde in der noch ungewohnten Kunst von Lisi unterrichtet, er zeigte Geschick dazu und hatte auch Freude daran. Bald erhielt er aber die Aufgabe, alle drei Wochen ein ganzes Pfund zu spinnen. Konnte er neben seinen übrigen Hausgeschäften zwischen der Schule damit nicht fertig werden, so blieb ihm eben keine andere Wahl, als das Lernen an den Nagel zu hängen und hinter dem Spinnrad zu studieren, was natürlich nach der Ansicht seiner Meistersleute viel vernünftiger war. Dass er unter solchen Umständen kaum notdürftig schreiben und rechnen lernte, versteht sich von selbst; es fehlte ihm ohnehin am Schreibmaterial, dazu gab ihm niemand Geld, und die Schule verabfolgte4 in damaliger Zeit noch keine Lehrmittel, von wegen sie arbeitete noch nicht unter so hohem Steuerdruck wie heutzutage, was Wunder, dass auch ihre Leistungen damals noch nicht so hoch gestiegen sind wie in einer glücklicheren Zeit, die sich zu der „guten alten Zeit“ ausnimmt wie die fetten Kühe zu den sieben magern Pharaos. Resli suchte sich freilich den Schulbesuch so viel wie möglich dadurch zu sichern, dass er Morgens sehr früh ans Spinnen ging und Abends bis 9 und 10 Uhr bei der Arbeit blieb, was für den kleinen Knaben gewiss keine geringe Leistung war. Überwältigte ihn bei der Nachtarbeit der Schlaf, was sich allemal am Stillstehen seines Spinnrades zu erkennen gab, so zupfte man ihn nicht gar sanft am Haar, dass ihm der Spengler aus den Augen wich.

      Sie begnügten sich nicht etwa mit der Erinnerung an ihre lustigen Bubenstreiche, sie erzählten nicht bloß wie sie einem Bauern Nachts den Heuwagen auf den Dachgiebel gestellt oder einem andern den Pflug in den Baum hinauf gehängt, nein, die schlüpfrigsten Geschichten mussten her, und hatte man keine solchen mehr auf Lager, so wurde eine gemacht, dass der Schmutz davon dem Erzähler über die Maulecken herunter troff. Und das alles wurde natürlich nicht nur vor den Ohren der jungen Haushälterin, sondern auch vor Resli ausgekramt. Dieser hatte anfangs an solchem Schmutz nicht sonderlich Geschmack, er fühlte so etwas dabei, er wusste selbst nicht was.

      Er kam sich wie verlassen von Gott und Menschen vor, als ob er unter eine Räuberbande geraten sei. Das war er auch; denn diese elenden Menschen raubten ihm mit ihrem wüsten Geschwätz die Unschuld weg, die er noch mitgebracht, und traten mit ihren groben Füssen jedes Schamgefühl in den Kot. Der Lichtfunke, der noch in des Knaben Herz wie ein glimmendes Docht geleuchtet hatte, fing allmählich an zu erbleichen, und das junge Herz geriet durch die gewissenlosen Nachtbuben in die Nacht der Sünde hinein. Wehe darum den Menschen, die einen dieser Kleinen ärgern, wie es diese Männer taten mit ihren ungewaschenen Mäulern, wahrlich, es wäre ihnen besser, ein Mühlstein würde ihnen an den Hals gehängt und sie würden ersäuft im Meer, da es am tiefsten ist!

      Wer will nach alledem bestreiten, dass es noch heidnische Familien gibt mitten in der Christenheit? Hier konnte man wirklich sagen: „Wo keine Bibel ist im Haus, da sieht`s gar öd` und traurig aus!“ Doch war eine da, sie stund in der Ecke hinter dem Tisch. Aber wie wurde sie bebraucht! Eines Sonntags, als Resli nach Hause kam, saß einer der Brüder hinter dem Tisch und hatte sie offen vor sich liegen. Jetzt kommt`s gut, dachte Resli, und die Erinnerung an seinen verstorbenen Pflegevater, der immer einige Stunden des Sonntags hinter der Bibel zugebracht, erwachte in ihm. Aber er hatte sich zu früh gefreut. Wie er näher zusieht, bemerkt er, dass der vermeintliche Bibelleser nicht die Wahrheit, sondern die Wanzen in der Bibel sucht. Mit der einen Hand wendete er die Blätter um, in der andern hatte er einen Stift, zog diesen am innern Ende jedes Blattes durch und machte auf diese Weise Jagd auf die genannten Haustiere, von deren Anwesenheit im Hause Resli auch zu erzählen wusste. Es war den Tierlein wirklich nicht zu verargen, dass sie im Kampf ums Dasein in die Bibel krochen, dort hatte sie wenigstens Jahre lang niemand gestört.

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