Digitale Medizin. Группа авторов

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heraus zu gewinnen, denn alles zu machen, was möglich ist, erscheint Ärzten mit Recht als unakzeptabel. Andererseits ist der Verzicht auf Heilungschancen kaum attraktiv zu nennen. Es braucht sehr starke, wohlabgewogene und ausgewiesene Argumente, um gegen Heilung und Linderung durch Entwicklung und Einsatz digitaler Technologien zu votieren. Diese Argumente allerdings und das ist durchaus eine gewisse Schwierigkeit lassen sich aus den deskriptiven Wissenschaften nicht ohne weiteres ableiten, mithin lassen sie sich überhaupt nicht aus jenen konsistent ableiten. An dieser Stelle ist der immer noch messerscharfen Analyse des englischen Empiristen David Hume44 ebenso zu folgen, wie der zentralen Einsicht des deutschen Idealisten Immanuel Kant45. Eine überzeugende Ethik der digitalen Medizin wird letztlich auf den Prinzipien einer überzeugenden Ethik der Medizin aufruhen, aber jene mit Blick auf die neuen Chancen zur Heilung und Linderung noch einmal hinterfragen. Denn nicht nur gibt es eine Pflicht genau darüber nachzudenken, ob alles was möglich ist auch wirklich getan werden sollte. Ebenso gibt es die Pflicht, alles was möglich ist genau daraufhin zu überprüfen, ob es nicht legitimerweise zum Einsatz kommen sollte. Sollen impliziert Können, Können impliziert nicht Sollen. Die Ethik der digitalen Medizin wird dem Grunde nach nichts an der normativen Grundausrichtung des Arztberufes ändern, sie wird allerdings darauf abheben, dass es zu den edlen Pflichten des Arztes eben auch gehört, ständig auf der Höhe der technologischen Zeit und damit auf der Höhe der Möglichkeiten zu sein. Das oben skizzierte Besondere des Arztberufes bedingt auch gleichzeitig seine Herausforderung, nämlich einerseits eine realwissenschaftlich-empirische Sorgfalt und Methodensicherheit anzustreben, ohne dabei zu vergessen, dass Menschen keine Maschinen sind, was sie auch im digitalen Zeitalter nicht sind und zwar nicht aus destruktiver Perspektive sondern aus normativer Perspektive. Mit der Digitalisierung wird sich die Beherrschbarkeit der überaus komplexen Naturzusammenhänge im Menschen verschieben in Richtung Klarheit und Machbarkeit. Das eigentliche ärztliche Handwerk wird sich dahingehend verändern, dass Ärzte ihre Kunstfertigkeit im intelligenten und ethisch informierten Wege entwickeln, bewerten und einsetzen digitaler Technologien beweisen. Als Partner des Patienten wird der Arzt in der digitalen Medizin der Zukunft nicht auf Augenhöhe mit dem Patient agieren, sondern seine Partnerschaft in einer nicht-paternalistischen Weise mit einem souveränen Patienten so ausüben, dass es dem vertretbar legitimen Willen des Patienten am ehesten entspricht. Kreative Problemlösung und Empathie werden wesentliche Kompetenzfelder bilden, gemeinsam mit einer geschulten Fähigkeit, ethische Urteilskraft auszubilden und einzusetzen. Und damit auf und in den materialen Feldern der digitalen Medizin wie beispielsweise der digital literacy anzuwenden, als ethical literacy46.

      Ein so wesentliches wie schwieriges Thema sind beispielsweise Gesundheitsdaten. Der Deutsche Ethikrat formulierte 2017 in seiner einschlägigen Stellungnahme „Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung“:

       „Von diesen erwartbaren Dynamiken [in den technischen Anwendungen in der biomedizinischen Forschung und Praxis] sind zum einen ethische Orientierungsmuster betroffen, die normativ und evaluativ die Rolle, Funktion und Stellung des Individuums thematisieren, das Big-Data-Anwendungen nutzt. Zu den in dieser Hinsicht relevanten Begriffen gehören Freiheit und Selbstbestimmung, aber auch Privatheit und Intimität, Souveränität und Macht sowie Schadensvermeidung und Wohltätigkeit, die im Kontext intensiver Datensammlung und -verwertung eine Rolle bei der Gestaltung normativer Schutzkonzepte spielen. Sie alle bringen den Wunsch und den Anspruch des Individuums zum Ausdruck, nicht einfach zum Objekt von Datenströmen und den auf diese angewandten Algorithmen zu werden, sondern ein hinreichendes Maß an Kontrolle, Souveränität und Macht über die eigenen Daten zu behalten oder sich zumindest auf die Wahrung ihrer Interessen durch Dritte verlassen zu können.“47

      Die ethische Bewertung, zudem wie in vorgenannter Quelle im Kontext der Würdigung der rechtlichen Normenquellen, ist hochkomplex und vierschichtig. Ein konkretisierendes materiales Beispiel ist der hochstrittige Begriff des „Dateneigentums“. Was dem Alltagsverständnis durchaus plausibel erscheint, nämlich der persönliche Besitzt insbesondere „meiner“ Gesundheitsdaten, ist zunächst rechtlich differenziert zu bewerten und abzuweisen. Der Ethikrat resümiert hierzu in obiger Schrift:

       „Der umgangssprachlich genutzte Begriff ‚Eigentum an Daten‘ bildet den Ausgangspunkt für zahlreiche Konflikte. Es gibt eine Vielzahl von Personen, die aufgrund der Tatsache, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Erfassung, Analyse und/oder Verknüpfung von Daten leisten, sich als deren Eigentümer bzw. Miteigentümer (miss-)verstehen und deshalb ausschließliche Nutzungsrechte für sich reklamieren. Demgegenüber ist festzuhalten, dass ein Eigentum an Daten im Rechtssinne nicht existiert. Eigentum kann nur an (beweglichen oder unbeweglichen) Sachen bestehen. Daten sind aber gerade keine körperlichen Gegenstände und daher keine Sache. Eine Anwendung der Regelungen für das Sacheigentum auf Daten scheidet daher nach geltendem Recht aus. Daten unterfallen für sich gesehen mangels einer ausreichenden Bearbeitung auch nicht den Regeln des Immaterialgüterrechts und können daher nicht einmal als ‚geistiges Eigentum‘ bezeichnet werden. Die oben beschriebene eigentumsanaloge Ausgestaltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ändert hieran ebenso wenig wie das neue Recht auf Datenportabilität aus Art. 20 DSGVO. Dieses besitzt zwar faktische Auswirkungen auf die Zuordnung von Rechten an Daten, verhält sich aber nicht zur Frage des Eigentums.“48

      Eine Auffassung, die auch die Datenethikkommission der Bundesregierung in ihrem Gutachten von 2019 teilt:

       „Vielfach tragen unterschiedliche Akteure in unterschiedlichen Rollen zur Generierung von Daten bei – sei es als Subjekt der Information, sei es als Eigentümer einer datengenerierenden Vorrichtung, sei es in einer anderen Rolle. Ein solcher Beitrag zur Generierung von Daten sollte nach Auffassung der DEK aber nicht zu exklusiven Eigentumsrechten an Daten führen, sondern vielmehr gegebenenfalls zu Datenrechten in der Form spezieller Mitsprache- und Teilhaberechte eines Akteurs, mit denen korrespondierende Pflichten anderer Akteure einhergehen.“49

      Das bis 2020 amtierende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der deutsche Theologe Peter Dabrock formuliert gemeinsam mit seinen Co-Autoren in einer Untersuchung zu den ethischen Perspektiven des Dateneigentums:

       „Data ownership thus expresses stances on the redistribution of material resources and socio-cultural recognition of data subjects in a datafied and data-driven lifeworld. It is mindful of the fact that the perspective of recognition, even if perceived to be prior, is entangled with distributive conditions, on which it can encode commitments as well. According to some critics, marketability and propertization are instances where this dialectic tips in a one-sided manner towards a kind of economization that can raise tensions with constraints from the cultural sphere in which it is embedded. Informational self-determination requires both redistribution and recognition, and the different dimensions of data ownership overlap with and across these spheres. […] We conclude from the foregoing that the notion of data ownership is rife with tensions and perplexities. They arise independently of whether or not the reasons for or against data ownership prevail, and concern the question of what it would mean to recognize data ownership. […] Data ownership is not restricted to protective rights, but involves much more: to put data owners in a position to enjoy participation and inclusion in societal endeavours. Finally, there is disagreement on whether data is owned by individual data subjects, data processors, and/or collectives like society as a whole.“50

      Die Auffassung, dass Dateneigentum auf der Grundlage der nicht-beschriebenen Eigentumseigenschaft von Daten nicht gegeben sei rechtlich, ist im diesem Sinne nicht entscheidend; im hier angelegten konstruktivistischen Verständnis wäre eine Neuinterpretation und -bewertung des Zusammenhanges angezeigt. Man erkennt, dass solche Reflexionen einen Ausbildungshintergrund erfordern, der wichtig ist, um zumindest dem Grund nach – ohne Philosoph, Theologe, Jurist et al. zu sein – ausreicht um die entsprechenden kontextuellen und bewertenden Einordnungen vorzunehmen oder auch nachzuvollziehen. Gerade im Falle der Gesundheitsdaten wird die Frage der Verteilung möglicher Datengewinne monetärer und auch nicht-monetärer Art noch stärker in den Vordergrund rücken. Bisher sind die Personendaten des Individuums eher von geringem direkten Wert – wie sich leicht aus den beispielsweise Kaufpreisen, die von der Digitalindustrie für Unternehmen


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