Digitale Medizin. Группа авторов
heraus Daten methodisch reflektieren, kontextuelle einordnen, rechtlich und ethisch grundlegend (nicht auf fachanalytischem Niveau) bewerten und zum Patientennutzen einsetzen können. Also „lesen“. Diese Kompetenzen sind also weiteraus breiter als die reine quantitativ-digitale Forschungsseite (wobei auch jene gewiss die weiteren Kontexte mitzudenken hat, aber nicht in der Versorgung steht).
Abb. 3 Data Literacy Modell als Schnittmenge aus quantitativem Methodenwissen, IT-Skills und dem Verständnis des authentischen Kontextes sowie der Ethik, im hier besprochen Falle der Medizin (Quelle: eigene Darstellung, basierend auf der englischsprachigen Darstellung von Kjelvik u. Schultheis [2019], S. 232 – hinzugefügt wurde die Kompetenzfacette „Ethik“ i.S.v. „Ethical Literacy“ nach Schüller et al. [2019], S. 24)
1.4 Beispielhafte Aspekte agiler Kompetenzen der digitalen Medizin in einer neuen Berufsausbildung
Die VUCA-Welt ist auch in der Medizin angekommen. Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit sind keine Besonderheiten anderer gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Bereiche mehr. „Agile Kompetenzen“ beziehen sich auf die Etablierung und Einübung eines stetig veränderungsbereiten „agilen Mindsets“, welches auf Lernen als erstes Organisations- und persönliches Entwicklungsprinzip setzt. Lernen selber wird zur Schlüsselkompetenz, dass LLL (Life-long-learning), das Lebenslange Lernen wird als tätigkeitsnah gedacht, informelles Lernen schlägt formale Lehr- und Lernstrukturen.
„Agile Kompetenzen sind die Fähigkeit, Herausforderungen in der zunehmend digitalisierten Arbeits- und Lebenswelt, die zum großen Teil heute noch unbekannt sind, mithilfe agiler Arbeitsmethoden selbstorganisiert und kreativ lösen zu können.“33
Im beruflichen Alltag des Arztes werden agile Kompetenzen zunehmend gefragt sein, da Change Prozesse letztlich im Rahmen der digitalen Transformation ein bleibendes, kulturelles Paradigma bilden werden. Denn auch wenn Initiativen wie „Smart Hospital“ der Universitätsmedizin Essen ein deutliche Wirkung in der Community entfalten, zu Forschungsprojekten anregen und vor allem viele konkrete digitale Projekte in der Versorgung initiieren – letztlich liegt Deutschland weiter hinter im EU-Vergleich hinsichtlich der Digitalisierung der Krankenhäuser. „Es ist deutlich geworden, dass die Digitalisierung in den deutschen Krankenhäusern nur langsam Einzug hält. Der Anteil der Krankenhäuser, die im klinischen Bereich noch gar nicht beziehungsweise kaum digital arbeiten (Stufe 0 EMRAM) liegt in Deutschland bei 40 Prozent.“34 Wenn man gleichzeitig in die Betrachtung die zügige technologische Entwicklung einbezieht und die vielen Innovationsfelder von Gamification bis VR die immer weiter in die digitale Medizin im internationalen Kontext vordringen, wird deutlich, dass agile Kompetenzen für den Arzt in der digitalen Medizin wohl notwendig sein dürften.
1.5 Beispielhafte Aspekte ethischer Kompetenzen der digitalen Medizin in einer neuen Berufsausbildung
Medizin ohne Ethik ist keine Medizin. Digitale Medizin ohne Ethik ist keine Medizin. Mithin:
„Medizin ist seit dem Altertum und nicht nur in griechischen, römischen und christlichen Normenkontexten eine Aktivität besonderer Art. Prinzipiell-wesenhaft, methodisch und last but not least ethisch. Ohne hier die differenzierten medizinhistorischen Bezüge aufhellen zu können, sei doch erwähnt, dass der Hippokrates35-Fan Galenos in seinen Definitiones medicae auf der τέχνη aufbaut, in der der ἰατρική die erstrangige Verantwortung für sein immer primär am nicht-schädigenden Wohl des Patienten ausgerichtetes Heilhandeln übernimmt: τέχνη ἰατρική. Mit τέχνη ist dabei sowohl Handwerk, als auch Kunst und Wissenschaft angesprochen – eine nicht nur terminologisch-akademisch relevante Dimensionierung, die bis heute Ärzte und die sie umgebende Superstruktur aus Politik, Gesellschaft, Ökonomie und Technologie in ein nicht immer leicht auszutarierendes Verhältnis stellt.“36
„Die Medizin ruht auf einer breiten theoretischen Basis. Aber sie ist keine exakte Naturwissenschaft; zwar bedient sie sich naturwissenschaftlicher Methoden; sie ist aber auch Philosophie, und vor allem ist sie praktisches Handeln unter ethischen Maximen.“37
Wenn man sich diese grundsätzliche Einordnung des Heilshandelns noch einmal vorhält, wird die digitale Transformation durchaus prima facie zur Herausforderung. Dies deshalb, da das grundlegende Wesensmerkmal des Digitalen im Topos von der Berechenbarkeit der Welt besteht. Auch wenn heute Algorithmen,38 verstanden als formalisierbare Lösungsvorschriften, sicher über kein Modell der Welt verfügen, sind sie doch in vielen Belangen menschlichen Kenntnissen und Fähigkeiten überlegen, in der Anwendungsgestalt der Robotik auch zunehmend vielen Fertigkeiten. Mustererkennung ergibt in der Radiologie als Radionomics eminenten Sinn, der Echtzeit-Wissenzugriff für Forschung und Versorgung mit kluger Kontextuierung, die zunehmende Feinmotorik der OP-Robotik-Systeme wie DaVinci und die entlastenden Assistenzsysteme der Pflege ebenso. Insgesamt sind die Herausforderungen zwar deskriptiv und normativ einschneidend, allerdings ist eben Technologie in ihrer Anwendungsgestalt selten per se „böse“ (es sei denn, jene wäre bad by design, also eine friedliche und begrüßenswerte Anwendung schlechterdings ausgeschlossen da objektiv unmachbar), sondern wird erst im von Personen zu verantwortenden Handlungskontext ein ethisches Thema. Allerdings können Technologien sehr wohl eine ethisch relevante Eigentendenz enthalten, ethische Probleme zu entwickeln. So kann beispielsweise die grundlegende Frage, ob es ethisch akzeptabel ist, eine starke KI zu entwickeln (unterstellt dies ist möglich), durchaus abschlägig beschieden werden mit dem Argument, einerseits die Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf zu verwischen (was theologisch gedacht wäre), andererseits mit einer starken KI vielleicht gar ein auch zur Ethik fähiges Bewusstsein geschaffen zu haben, welches seine Schöpfer möglicherweise für dieses Akt kritisieren würde.39 Apriorische Grenzen dieser technologischen Entwicklungen sind mithin umstritten. Es ist davon auszugehen, dass es keine prinzipiell-apriorisch negativ zu beantwortende Frage ist, ob starke KI machbar ist.40 Umso wichtiger sind die Diskurse um eine Ethik der Künstlichen Intelligenz, beispielsweise in dem Entwurf des Konzeptes der „Explainable AI“ und insgesamt dem richtigen Trend zu Leitlinien zur digitalen Ethik. Das Institute for Digital Transformation in Healthcare der UWH hat die europaweiten Leitlinien für entsprechende Kategorien im Sinne einer „CDR“ (Corporate Digital Responsibility) herausgearbeitet, was eine gute Orientierung ermöglicht:
„Unternehmen
Beratungen
Accenture Plc – Universal Principles of Data Ethics – 12 Guidelines for Developing Ethics Codes
ADEL (Algorithm Data Ethics Label) – Ethical Analysis
Industrie
Deutsche Telekom AG – Die neun Leitlinien der Telekom zum Einsatz von künstlicher Intelligenz
SAP Deutschland SE & Co. KG – SAP’s Guiding Principles for Artificial Intelligence
Telefónica S.A. – AI Principles of Telefónica
Telia Company AB – Guiding Principles on Trusted AI Ethics