Digitale Medizin. Группа авторов

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US-$ bei in der Größenordnung von mind. 100 Mio. Patientendaten – also 26 Dollar Wert pro Datum).51 Diese Wertbemessung dürfte sich allerdings dann verschieben, wenn die Präzisionsmedizin mehr in den Fokus rückt. Spezifische Daten beispielsweise rund um ein bestimmtes Krankheitsbild haben deutlich höhere Werte, vor allem im Bereich der molekulargenetischen Medizin. 2018 hat der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline für 300 Mio. US-$ Dollar Kaufpreis einen Anteil am US-amerikanischen Gen-“Start-up“ 23andMe (gegründet 2007) bezahlt und damit Zugriff auf Gendaten für die Arzneimittelentwicklung erhalten – wogegen sich diverse Datenschutzsorgen vor allem in Europa und Deutschland artikulierten.52 Mittlerweile ist die Big-Data-Drug-Development-Strategie aufgegangen insofern mit der spanischen Almirall in 2020 eine zweite Unternehmung auf spezifische Produkte von 23andMe setzt, in diesem Fall eine Molekül, welches von 23andMe designed Almirall für die Herstellung eines Autoimmunpräparates nutzt.53 Ob diese Tendenz allerdings normativ wünschenswert ist, muss weiter kritisch ebenso diskutiert werden, wie die ökonomischen Folgewirkungen und die Grundfrage der sozialen Entstehung von Daten.

      Abb. 4Reflexionsdimensionen der Digitalisierung und Ethik in Medizin und Gesundheitswesen

      Gleichsam quer zu den Diskursen über Berufsbild und Berufsausbildung von Ärzten liegen gesellschaftliche Diskurse über Größen und Grenzen der Entwicklungen digitaler Medizin von Technologiephobie bis zur Digitaleuphorie. Im aktuellen Diskursdickicht aus medizinisch überzeugenden Use Cases, fehlender Ground Truth und schlechten oder keinen klinischen Daten, überzeugender Patientenwirkungszentrierung, fehlender digitaler Souveränität der Patienten und des medizinischen Personals, gelingenden regulatorischen Initiativen, und datenschutzrechtlichen Komplexitäten, eHealth Pionieren, und einer digital noch immer zu uninformierten Medizinerausbildung (aber auch Weiterbildung konkret vor Ort) zu navigieren, ist durchaus nicht einfach. Eine Navigationsunterstützung im Sinne von beispielhaften, relevanten Fragestellungen einer Ethik der digitalen Medizin und Gesundheitswirtschaft erscheint sinnvoll (s. Abb. 454).

       1.6 Beispielhafte Aspekte interprofessioneller Kompetenzen der digitalen Medizin in einer neuen Berufsausbildung

      Die Interprofessionalität im Konzert der Gesundheitsberufe und Leistungserbringer in einem immer spezialisierteren und daher auch auf mehr Koordination und Kooperation angewiesenen Gesundheitswesen zählt ebenfalls zum Kompetenzset der digitalen Medizin in einer neuen Berufsausbildung. In der Gesundheitsversorgung der Zukunft wird das kluge Miteinander von medizinischen, pflegenden und Therapieberufen ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein, um mit den zunehmend komplexen und nicht selten chronischen Krankheiten fertig zu werden. Fertig zu werden im Kontext einer wie schon gesagt sich deutlich verändernden Patientenanforderung, aber auch einem sich deutlich verändernden gerade digitalen Kenntnis- und Fähigkeitsstand der Patienten. Und doch einer hohen ja sogar steigenden Diversität und ganz unterschiedlichen Hintergründen und Möglichkeiten mit einem Gespräch mit einem Arzt zum Beispiel umzugehen. Man geht sicher nicht fehl, wenn man die interprofessionelle Kooperation der verschiedenen Gesundheitsberufe gerade vor dem Hintergrund der digitalen Transformation als einen wesentlichen Erfolgsfaktor benennt. Denkt man allein an die absolut notwendige Ängste Kooperation zwischen Ärzten und Pflegenden wird deutlich wie wichtig hier Interprofessionalität ist.

      Interprofessionalität ist dabei keine neue Entwicklung im Zusammenhang mit digitaler Medizin. Allerdings ist erst in jüngster Zeit und auch im Zusammenhang mit digitalen Transformation der Medizin noch einmal deutlich geworden, dass die Medizin im Kontext der weiteren Gesundheit Berufe zu sehen ist und entsprechende Kompetenzen für alle aus gestaltenden beruflichen Akteure notwendig sind, wenn die Koordination und Kooperation zwischen den einzelnen Leistungserbringern im Sinne einer patientenzentrierten erfolgreichen Gesundheitsversorgung gelingen soll. Es geht also im Kern darum, „[…] dass Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen […] im Sinne einer […] patientenorientierten Versorgung unmittelbar zusammenarbeiten, damit die spezifischen Kompetenzen jedes einzelnen Berufs für den Patienten nutzbar gemacht werden.“55 in diesem Sinne ist Interprofessionalität ein Begriff der eine neue Initiative in der Ausbildung von Gesundheitsberufen aber auch in dem faktischen Verantwortlichen tun hinterher in der Praxis in den Berufen selbst adressiert. Mit einer hinterlegten Patientenorientierung ist auch eine engere Kooperation der Sektoren verbunden, wenn es gelingt tatsächlich Interprofessionalität zu leben kann gar von einer Patientenzentrierung und einem eruieren der Sektorengrenzen gesprochen werden.56

      Bisher haben so weit zu sehen nicht wirklich viele Hochschulen auf diesen berechtigten Anspruch reagiert, die medizinische Fakultät der Universität Heidelberg ist soweit die bisher einzige Initiative die ganzheitlich auf Interprofessionalität setzt.57 Die entsprechende Initiative bezieht sich dabei auf die beiden einschlägigen Definitionen für die interprofessionelle Ausbildung und Zusammenarbeit in der Praxis: „Interprofessional education occurs when two or more professions learn about, from and with each other to enable effective collaboration and improve health outcomes.“58 sowie „a partnership between a team of health professionals and a client in a participatory, collaborative and coordinated approach to shared decision-making around health and social issues.“59 Der Einschätzung der medizinischen Fakultät Heidelberg was Relevanz und Weiterentwicklung angeht kann man nur zustimmen:

       „Die interprofessionelle Lehre und Forschung hat in den letzten Jahren in Deutschland durch Diskussion im Wissenschaftsrat, im Medizinischen Fakultätentag und anderen relevanten gesundheits- und bildungspolitischen Gremien (z.B. Runder Tisch HRK Konferenz, Robert Bosch Stiftung) an Bedeutung gewonnen. Es wird erwartet, dass durch eine interprofessionelle Ausbildung eine verbesserte Zusammenarbeit erfolgt, welche die aktuell starr voneinander getrennt agierenden Säulen im Gesundheitswesen überwindet und abbaut.“60

      Aber auch Modellvorhaben greifen die Interprofessionalität auf wie beispielsweise im Studiengang Humanmedizin der TU Dresden.61 Die „Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd)“ hat mit dem Projekt „Interprofessionelle Ausbildungsstation (IPSTA)“ eine möglich initiiert, vor Ort konkret für Studierende (und Lehrende) eine IPSTA zu installieren.

       „Interprofessionelle Ausbildungsstationen (IPSTAs) sind Ausbildungseinheiten innerhalb einer Station, in denen Medizinstudierende im Praktischen Jahr gemeinsam mit Auszubildenden verschiedener Gesundheitsfachberufe (zum Beispiel der Pflege, Physiotherapie oder Studierende der Pharmazie) eigenständig die Patientenbetreuung und das Stationsmanagement der Patienten im interprofessionellen Team übernehmen. Dabei werden sie stets durch ausgebildete Lernbegleitende der beteiligten Berufsgruppen betreut und unterstützt.“62

      Dazu wird ein Methoden- und Materialkoffer angeboten, mit Leitfaden, Evaluationskonzeption etc. und die Studierenden sehen sich selber mit Recht als „Changemaker von morgen“.

      Freilich sind viele Herausforderungen bei der Interprofessionalität medizinischer und angrenzender Professionen beachtlich. (Sub-)Kulturelle Unterschiede, Übersetzungsherausforderungen (Jargon), Rollen und Zuschreibungen, gegenseitiges Verständnis für die jeweils andere Profession, Teamwork, etc. erfordern beispielsweise viele Sozial- und Kommunikationskompetenzen. Neben den individuellen Bedingungen sind noch diverse organisatorische Bedingungen wesentlich – Interprofessionalität muss koordiniert werden, um im Versorgungssystem wirken zu können.

      Interprofessionalität kann dabei auch als starker Treiber in Richtung Patientensicherheit63 und einer neuen Geschlechtergerechtigkeit64 gesehen werden. Dem Silodenken tradierter Machtstrukturen in Gesundheitsberufen und insbesondere in ärztlichen Berufen entspricht ein bisher nachgerade monolithischer Monoprofessionalismus65 in der ärztlichen Ausbildung, der negative Konsequenzen für die Patientensicherheit haben66, da ein Denken, welches den Perspektivenwechsel beinhaltet nicht gefördert wird. Für die Genderfrage ist zu bedenken, dass „[f]ür


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