Männerblues. Bernhard Spring

Männerblues - Bernhard Spring


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ist nur für die Rettungsdienste.“

      „Ich habe nach der Einsatzleitung gefragt“, erinnerte Thamm gereizt.

      „Da kann ja jeder kommen“, beharrte der andere. „Los, gehen Sie wieder zurück hinter die Absperrung!“ Damit kam er noch einen Schritt näher an Thamm. Macht hier wohl kraft seiner Wassersuppe einen auf Autorität, schoss es Thamm freudig durch den Kopf, aber nicht mit mir, Freundchen. Mit einer ruppigen Vorwärtsbewegung wamste er dem verdutzten Feuerwehrmann seine Brust vor die Jacke und drängte ihn zurück.

      „Pass mal auf, du halbe Portion“, knurrte Thamm zwischen den zusammengepressten Zähnen raus. „Entweder du bringst mich jetzt zur Einsatzleitung oder ich nehme dich an Ort und Stelle mit. Wegen Ermittlungsbehinderungen. Wenigstens ein Tag Arrest. Was sagst du dazu, Kumpel?“

      Der Kumpel sagte nichts. Wortlos wies er auf den Bahnhofsvorplatz. „Aber ich muss doch hier auf die Schläuche aufpassen“, stammelte er verdattert. Thamm winkte ab und ließ den Kerl einfach stehen.

      Der Bahnhof glich der reinsten Hölle. Die Linienbusse, die Taxen – alle standen kreuz und quer, nur möglichst weit weg von den Flammen, die an der Ecke zur Magistrale zwischen den Häuserblöcken wüteten. Dicke Rauchschwaden hingen über dem Platz, der kaum einzusehen war, trotz der Beleuchtung von all den Einsatzwagen. Sirenen schwollen an, fielen ineinander und klangen ab, Uniformierte brüllten Kommandos durch die Dunkelheit, Schläuche wurden in das Dunkel gereicht. Es stank widerlich nach verbranntem Gummi, nach Benzin und altem Öl, geschmolzener Plastik. Von der Magistrale her dröhnte immer wieder das Geheule vom Martinshorn, Scheinwerfer warfen ihre gleißenden Lichtkegel über die Häuserzeile und blendeten Thamm. Was da genau brannte, war kaum zu sehen vor lauter Rauch und Flammen, nur der beißende Gestank ließ es erahnen. Mülltonnen, ein paar Autos, die Balkone an den Häusern vielleicht auch schon.

      Thamm bahnte sich einen Weg über den Busbahnhof, ließ ein paar Sanitäter durch und machte in all dem Chaos endlich auch ein paar von seinen Jungs aus. Er wollte gerade auf sie zugehen, da packte ihn jemand an der Schulter. Na toll, dachte Thamm, als er sich umdrehte, noch so ein Spacko. Dieser Feuerwehrmann sah aber nicht gerade so aus, als würde er viel Spaß verstehen. „Hey Sie“, brüllte er Thamm durch all den Lärm hindurch an, „sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen. Sie haben hier nichts verloren.“

      Dem stand der Sinn ganz eindeutig nicht nach Spielchen, also rückte Thamm gleich mit der Sprache raus. „Ich bin von der Polizei. Ich muss zur Einsatzleitung.“

      Der Mann sah Thamm verständnislos an. Das mit Holzlack verschmierte Hemd, die abgerissene Hose – Thamm kapierte allmählich, warum ihm hier niemand den Kommissar abnahm.

      „Bringen Sie mich dorthin, dann werden Sie schon sehen! Kommissar Wolff, ich muss zu Kommissar Stefan Wolff, ja?“

      Ein abschätzender Blick traf Thamm, dann aber knickte der Mann ein. „Okay“, sagte er und nahm die Hand von Thamms Schulter. „Sie müssen dort rüber.“

      „Danke“, meinte Thamm, obwohl er den Weg auch so gefunden hätte. Jetzt waren es nur noch ein paar Schritte. Da sah er schon Wolff mit ernstem Blick, den Rücken durchgedrückt – nanu, so förmlich heute, wunderte sich Thamm – und sah auch schon den Anlass dafür.

      „Ah, da sind Sie ja endlich!“, rief der Staatsanwalt, sowie er Thamm erblickte.

      „Was heißt hier endlich?“, gab Thamm zurück, „es brennt ja noch.“

      „Jaja, so ist unser lieber Herr Thamm, immer zu einem Scherz aufgelegt.“ Der angeblich so lustige Thamm kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Wieso säuselte sich denn das Chefchen so einen ab? Und überhaupt: Was machte der hier überhaupt? Bekam doch sonst auch nicht den Arsch hoch.

      „Auf jeden Fall ist es schön, dass Sie es einrichten konnten“, fuhr das Chefchen im freundlichsten Plauderton fort. „Ich möchte Ihnen jemand vorstellen. Das hier“ – er wies auf den Mann zu seiner Rechten – „das hier ist Herr Möllering, ein Kollege vom Bundeskriminalamt, ja.“ Misstrauisch ergriff Thamm die ihm dargebotene Hand.

      „Und das hier“, meinte das Chefchen nun ebenso überschwänglich und deutet auf Thamm, erkannte aber plötzlich die Heimwerkerkleidung, in der sein Aushänge-Kommissar rumlief, und sein Lächeln gerann auf der Stelle zu einer albernen Larve. „Das hier“, setzte er wesentlich nüchterner fort, „ist Herr Thamm, unser fähigster Mann.“

      Thamm nickte Möllering kurz zu. „Na dann – auf gute Zusammenarbeit!“, lächelte der verhalten. Thamm grinste genauso falsch zurück, dann wandte er sich an den Staatsanwalt. „Was macht denn einer vom BKA hier?“, raunte er ihn zu.

      „Das ist ganz einfach“, meinte das Chefchen. „Sie leiten den Fall und arbeiten Ihre Ergebnisse Herrn Möllering zu.“

      „Ich mache was?“, fragte Thamm verdutzt.

      „Sie haben schon verstanden, ja?“, hüstelte das Chefchen. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen … mein lieber Herr Möllering!“

      Und schon schwänzelte der Staatsanwalt wieder um den Mann vom BKA. Thamm sah diesem komischen Turteltanz hinterher. War er wirklich schon wach oder träumte er das alles?

      „Du hättest mich ja auch mal vorwarnen können!“, knurrte Thamm vor sich hin.

      „Kaffee?“, fragte Wolff unbeeindruckt und hielt ihm einen Pappbecher hin. „Zum Glück sind die Jungs vom DRK auf Zack, sonst stünden wir jetzt ganz schön auf dem Trockenen.“

      „Ich mein’s ernst!“, rief Thamm zerknirscht und griff widerwillig trotzdem nach dem Becher.

      Wolff setzte sich neben ihn auf die Bank zwischen Bahnhofsgebäude und Blumenbeet. „Was sollte ich denn machen?“, fing er an. „Reinhardt hat ganz explizit gesagt, ich soll die Klappe drüber halten, dass hier jemand vom BKA rumrennt. Er wollte es dir selber sagen.“

      „Na schönen Dank auch!“

      „Kannst du laut sagen“, stimmte ihm Wolff zu und nahm einen großen Schluck von dem Kaffee. Auch Thamm wagte sich an das Zeug heran, das genauso bitter schmeckte, wie er es vermutet hatte. „Guck dir mal unsere Leute an“, meinte Wolff schließlich spöttisch. „Die gackern da wie die aufgescheuchten Hühner am Wagen rum, nur weil mal so ein Typ aus Wiesbaden hier aufschlägt.“

      „Und den kriegen wir vor die Nase gesetzt. Kannst du mir mal verraten, warum ein BKA-Mann sich hier einfach so breitmacht?“, empörte sich Thamm. „Ich meine, kann der sich überhaupt so ohne Weiteres durch die ganze Hierarchie fräsen?“

      Wolff zuckte mit den Schultern. „Tja, von oben nach unten geht das sicherlich leichter als umgedreht. Und wenn er dann noch Schützenhilfe vom Chefchen kriegt … “

      „Und was will der eigentlich hier? Hab ich was verpasst?“ Thamm sprang auf und warf den halb vollen Kaffeebecher energisch zwischen die Stiefmütterchen. Wolff lachte ironisch auf. „Sehr schön, ich dachte schon, du fragst nie. Siehst du da hinten den Brand?“

      Thamm verdrehte die Augen. „Ach nee! Und?“

      „In einem der Wagen wurde eine Leiche gefunden.“

      „Meine Fresse!“, entfuhr es Thamm.

      „Genau das“, pflichtete ihm Wolff amüsiert bei.

      Bis jetzt hatte Thamm an einen recht harmlosen Fall geglaubt. Brandstiftung vielleicht. Ein paar Jungs kokeln im Hinterhof oder irgend so ein seniler alter Sack hatte immer noch nicht begriffen, dass die heiße Asche nicht in die Mülltonne kommt. Das Übliche halt. Nur dass die Sache hier ein bisschen außer Kontrolle geraten war, das Feuer um sich gegriffen hatte. Ein Fall eher für die Spurensicherung als für die Kriminalpolizei.

      Aber eine Leiche änderte alles.

      „Was wissen wir schon?“, fragte Thamm ruhig. Nun war er ganz bei der Sache, nun zählte nur noch der Fall.

      „Nichts“, gab Wolff trocken zurück. „Irgendein Feuerwehrmann hat in einem der brennenden Wagen die Leiche gesehen und uns


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