Auszeit mit Tine. Bernhard Spring

Auszeit mit Tine - Bernhard Spring


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auf sie und schnappte mir ihre süßen Handgelenke. Dann musste sie sich abküssen und kitzeln lassen, bis wir nicht mehr konnten. Von draußen schien die Sonne durch zwei Fichten zu uns rein, es war so gegen halb fünf und wir dösten etwas weg.

      Als wir wach werden, brummen unsere Bäuche und wir versuchen uns zu erinnern, wann wir zuletzt etwas gegessen haben. Viel zu lange her. Also folgt dringend die erste Bestandsaufnahme. Brot haben wir, aber keine Wurst, wegen der Wärme im Rucksack und in der Reiseluft. Butter auch nicht. Zwei Dosen hatte Tine mir mitzubringen befohlen; mit Bohnensuppe die eine und die andere mit Kartoffelsuppe. Tine liebt Suppen und würde dafür töten und sterben. „Dann können wir ja loslegen“, diagnostiziert sie und macht sich am Herd zu schaffen. Nebenbei knabbern wir trocken Brot und witzeln. Als Kavalier mache ich ihr die Büchsen auf, aber da wird Tine plötzlich nachdenklich. „Sag mal, wo waschen wir uns denn eigentlich, wenn’s nicht mehr auszuhalten ist vor lauter Katzenwäsche?“ Ich bin spontan ratlos. Daran habe ich nicht gedacht und sie wirft mir nun vor, dass ich das Naheliegendste immer aus den Augen verliere. So viel Welt ohne Technik ist uns beiden dann doch nicht so ganz geheuer.

      Weil es uns jetzt aber wirklich interessiert, lassen wir die Büchsen stehen und machen uns auf die Suche nach einer Wasch gelegenheit. Im Haus ist nichts zu finden, nicht einmal ein Wasseranschluss. Auf der Terrasse vor dem Haus bräunen sich ein Tisch und bemalte Klappstühle. Aber unter dem Dachvorsprung neben dem Haus finden sich ein paar Hilfsmittel für das klassische Zeltlager. Die Hauswand ist von außen mit Holzscheiten angestapelt, daneben ein kleiner Steinplattenweg und dort, wo das Dach aufhört, neben den Stützbalken, stehen zwei dicke Regenfässer. Wie wir feststellen, sind sie randvoll, hauptsächlich mit Wasser, ein paar Blätter schippern darin. Tine rümpft die Nase, aber nur kurz. Sie sieht sich weiter um und der Blick zum Himmel bringt die erwünschte Erleuchtung. Unter dem Dach hängen eine Sense, ein Rechen und weitere Gartenpflegeprodukte – und eine Zinkwanne, an ihren Henkeln stranguliert. „Holste die ma runner?“, fragt Tine ganz höflich und zeigt auf den Bottich. Mit einer bereitstehenden Leiter erfülle ich ihren Herzenswunsch und zerre das sperrige Ding bis auf die Terrasse, wo es uns seine gesamte Verdrecktheit schamlos präsentiert. Wir sehen uns und die Wanne kritisch an. Dann beschließt Tine, die immer praktischer als ich ist, dass ich nach Freibach zurückgehen möchte, um Scheuermilch und einen rauen Schwamm zu kaufen. Und noch zwei Flaschen Wein, wo ich schon mal dort unten bin. Und vielleicht auch etwas zum Knabbern, Schokolade für die Zähne und Nerven. Sie gibt mir einen Kuss mit auf den Weg und verspricht mir, während ich weg bin, darüber nachzudenken, was sie gleich noch einmal an mir so liebt, dass sie dieses Höhlenleben mitmacht. Sie meint, ich könne mir ruhig Zeit lassen.

      Ich scheuere den Bottich für Tine und mich, ganz gründlich, damit sie sich wohlfühlt. Tine setzt in der Küche Wassertöpfe auf den Herd, um uns ein Bad einlassen zu können. Aber unser Bad muss getrennt konsumiert werden, weil der Bottich zu klein für uns beide ist. Dafür hat man beim Sitzen im Wasser einen schönen Blick in die Welt hinein, die hier aus Tal und Berg und Burg besteht.

      Als der Bottich sauber ist, dämmert es langsam und eine kleine Brise kommt auf. Ich versuche mich als Prometheus im Wohnzimmer, um noch mehr Wasser heiß zu bekommen. Wir kippen die ganze Wanne voller Wasser, dann stell ich ihr noch ein paar Töpfe daneben, rechts die mit warmem, links die mit kaltem Wasser. Dann muss ich ins Haus und eine viertel Stunde die Bohnensuppe umrühren, während Tine wannt. Wenn ich aus dem Fenster sehe, legt sie mich übers Knie, weil sich das für ein Kind in meinem Alter nicht gehöre, sagt sie.

      Dann bade ich, aus Platzgründen mit angewinkelten Beinen. Das Wasser ist schon feuchte Seife und meine Haare werden struppig. Eine Mückenleiche treibt durch die Chemie. Ich schnipse sie über die Terrasse. Ruhe sanft im Gras!

      Weil es jetzt wirklich langsam frischlich wird und die Sonne in einem lila Wolkenbrei verschwindet, husche ich ins Haus, wo Tine mir am Handtuch zupft und kichert. Sie hat so schön den Tisch gedeckt, dass mir ganz romantisch ums Herz wird. Da sind zwei Teller mit dampfender Suppe, ein Brotbrett und ein paar angegraute Kerzenstumpen, die auf die Tischplatte tropfen. Wir bröckeln Brotscheiben in die Suppe und stoßen mit Wein aus Plastikbechern an.

      „Jetzt sind wir Besitzer eines Hauses ohne fließend Wasser und Strom“, proste ich Tine zu.

      „Und von einem Schuppen“, ergänzt sie, weil sie sich alles merkt.

      „Also, auf den Schuppen!“

      „Und auf uns, Kindchen.“

      Wir kommen aus dem Essen und Weinen gar nicht mehr raus, bis wir bei der Schokolade angelangt sind. Im Ofen knacken die Scheite und kleine Funken hupsen auf das Eisenblech vor der Luke. Wir versuchen Karten zu spielen, aber von der Hitze um uns und vom Weinbechern wird uns ganz schummrig. Auch haben wir eigentlich gar keine Lust, jetzt an Canasta zu denken und Punkte zu zählen.

      Draußen heult irgendein Vogel. „Biste dolle böse, wenn ich jetz schon ma die Oochn zumache?“, flüstert mich Tine an und ich küsse ihre Nasenspitze. „Wollen wir hochgehen?“, frag ich zurück und denke kurz an die drei Matratzen, die da auf uns warten.

      „Nee, lass ma“, gähnt Tine ab. „Da oben is keen Ofen.“ Sie schmiegt sich an mich und ich halte sie ganz nah an meiner Brust. Da merk ich, wie ihr Herz gegen die Außenwände pocht, ganz ruhig und verhalten. Und dann schläft sie auch schon ein, halb auf mir und halb neben mir und ich spüre, dass sie mir eine große Welt bedeutet. Warum kann das nicht immer so sein, frage ich mich. Man hat doch viel zu wenig Zeit füreinander allein. Da komm ich mir ziemlich altklug vor für einen Moment und muss ein bisschen über mich lächeln. Ich rutsche vorsichtig auf den Deckenstapel zurück, ganz langsam, dass Tine mir nicht aufwacht. Das Rückenliegen mag ich nicht so, aber heute ist es schön, weil sie bei mir liegt und träumt. Und ich mag sie, ich mag sie sehr, weil sie so eine Wucht ist. Und weil sie mich auch so lieb hat. Obwohl sie mich kennt.

      Wir frühstücken in aller Ruhe auf der Terrasse, mit Blick in die Weite. Die Sonne guckt uns an und blendet etwas. Wenn die weiter so am Ball bleibt, wird es wohl ein ziemlich ballernd heißer Tag werden.

      Tine kaut ein Marmeladenbrot und reibt ihre Füße an meinem Bein. Wir haben bestens geschlafen, wir sind beide der Meinung, dass das von der wilden Luft kommt. Oder vom Wein, den Tine sonst nicht so süffelt.

      „So. Erster Tag im Freien“, stellt sie jetzt ganz richtig fest. „Dann üben wir das mal mit der Liebe. Und wehe, du strengst dich nicht an!“

      „Was wollen wir zuerst machen?“, frage ich, worauf Tine augenblicklich die Stirn in Falten schlägt und dann auch schon etwas weiß: „Wir gehen erst mal baden, irgendwo da unten. Und dann machen wir gar nichts.“ Ich finde den Vorschlag genial, und weil wir aufgegessen haben und das Brot eh alle ist, ziehen wir uns die Badesachen an. „Immer nackt man hier rum mit dir“, meckert Tine dabei aus der Dachetage. „So schnell kann ich mich gar nicht hübsch für dich machen, wie ich mich wieder umziehen soll. Du bist ein richtiger Leuteschinder.“

      „Und trotzdem hast du mich lieb“, rufe ich nach oben, wo ich durch die Luke ihre Beine rumlaufen sehen kann.

      „Da bild dir ma nüschd droff ein, Kindchen“, rumpelt Tine und hüpft in ihren Mini. „Das ist zum größten Teil mein Verdienst.“

      Wir machen uns auf den Weg. Mit den Resten von Wasser medium und ein paar Handtüchern im Rucksack schließen wir Haus und Gartentür ab und schlendern Hand in Hand den Weg entlang. Wir kommen uns schon richtig einheimisch vor in dieser Gegend: Da verschluckt uns der Wald, da kommt dann die Sonne durch, ein Stück Weizenfeld, dann wieder Wald und dort träumt Freibach im Tal. Die Unstrut gluckert lauter und Tine fragt mich, ob wir darin baden können, was ich nicht weiß. Auf der Karte hatte ich einen Badesee gesehen, den suchen wir jetzt und finden stattdessen den Lebensmittelladen, in dem ich schon am Abend zuvor war. Wir sind ja nicht auf den Kopf gefallen: Wir kaufen nur das Nötigste, was Schokoladenkekse, Orangensaft und ein neues Magazin für Tine ist. Den richtig großen Haufen holen wir erst auf dem Heimweg ab, den


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