Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Bub nahm die Leine und legte sie an. Die Hündin wartete geduldig und sprang erst auf ein Zeichen Martins auf die Straße – wofür sie natürlich kräftig gelobt wurde. Unterdessen hatte Peter die beiden Koffer genommen und trug sie zur Haustür hinauf, die im selben Moment geöffnet wurde.

      »Grüß Gott und herzlich willkommen«, rief Ria Stubler. »Der Herr Reinicke aus München, net wahr?«

      »Ja, grüß Gott, Frau Stubler.«

      Er deutete auf den Bub.

      »Das ist mein Sohn, Martin, und das da ist die Biene. Schön, daß wir sie mitbringen durften.«

      »Hunde sind kein Problem«, lächelte die Wirtin. »Und Sie haben ja gesagt, daß Ihre Biene ganz artig ist.«

      »Das ist sie wirklich«, sagte Martin eifrig. »Außerdem beschützt sie uns, wenn Einbrecher kommen, Frau Stubler.«

      »Das ist ganz prima, aber ich kann dich beruhigen; in St. Johann gibt’s keine Einbrecher, und im übrigen kannst’ ruhig Ria zu mir sagen.«

      Der Bub strahlte sie an. Peter kannte diese Reaktion bei seinem Sohn schon. Immer wenn eine ältere Frau nett zu ihm war, dann freute sich der Bub, als stünde der Weihnachtsmann vor ihm. Was vor allem wohl daran lag, daß Martin seine Mutter nie kennengelernt hatte. Nach der Geburt verstarb Petra Reinicke an einer schweren Infektion im Kindsbett.

      »Am besten gehst du gleich mit ihr Gassi«, sagte Peter. »Ich bring’ derweil die Koffer auf das Zimmer.«

      Ria hatte schon den Schlüssel in der Hand.

      »Ein netter Bub«, meinte sie, während sie den Kaufmann durch den Flur führte.

      »Ja«, lächelte der Vater, »er ist auch mein ganzer Stolz.«

      Das Zimmer lag im Erdgeschoß. Eine Tür führte auf die Terrasse hinaus.

      »Dann wünsch’ ich Ihnen und dem Martin einen schönen Aufenthalt«, sagte Ria, nachdem sie erklärt hatte, wann es Frühstück gab.

      Peter packte rasch aus und verstaute die Sachen im Kleiderschrank. Das Zimmer war groß und geräumig, die beiden Betten standen zusammen, dazu Tisch und Sessel. Es gab ein Fernsehgerät und Telefon, und ein Bad gehört ebenso dazu. Er öffnete die Terrassentür und ließ die frische, nach Blumen und wilden Kräutern riechende Luft hereinströmen.

      Endlich Urlaub, dachte der Mann, den haben wir uns aber auch redlich verdient!

      Peter Reinicke betrieb in München ein kleines Computerfachgeschäft. Der studierte Informatiker hatte sich vor sieben Jahren selb­ständig gemacht. Eigentlich in der Hoffnung, mehr Zeit für seinen Sohn zu haben, doch das hatte sich als Trugschluß herausgestellt. Zwölf und noch mehr Stunden war er manchmal in der Firma beschäftigt und konnte von Glück sagen, daß Oma Bruckner, die freundliche Nachbarin aus dem Nebenhaus, es als ihre größte Erfüllung ansah, für Martin da zu sein.

      »Ich wüßt’ wirklich net, was ich ohne Sie anfangen würd’«, sagte er so manches Mal zu ihr, wenn er sich bei der Sechzigjährigen mit einem Abendessen oder einen Ausflug in den Tierpark Hellabrunn bedankte.

      »Das mach’ ich doch gern’«, antwortete Therese Bruckner stets. »Ich selbst hab’ ja keine Kinder und Enkel schon gar net.«

      Und manchmal kam es dann vor, – wenn Martin gerade nicht in der Nähe war – daß die Nachbarin den Zeigefinger erhob.

      »Aber trotzdem kann ich kein Ersatz für eine richtige Mutter sein«, sagte sie dann. »Sie müssen sich nach einer Frau umschauen, Herr Reinicke.«

      Natürlich hatte sie recht. Nur das war leichter gesagt, als getan. Für Peter gab es nichts Schöneres, als die wenige freie Zeit mit seinem Sohn zu verbringen. Die beiden waren wie eingeschworene Freunde und freuten sich auf jede gemeinsame Unternehmung.

      Wie hätte er da eine Frau kennenlernen sollen?

      Freilich – es war nicht so, daß Peter Reinicke überhaupt nie Kontakt zu ihnen hatte. Daß Martin eine Mutter brauchte, war ihm schon lange klar. Nach einer angemessenen Zeit der Trauer hatte er durchaus versucht, eine Gefährtin zu finden, die ihn und den Sohn lieben würde. Und häßlich konnte man ihn nun wirklich nicht nennen. Peter Reinicke war über eins­achtzig groß und schlank. Er hatte ein sympathisches Gesicht, mit blonden, leicht gewellten Haaren, außerdem konnte man sich blendend mit ihm unterhalten. Alles in allem ein Typ, der in weiblicher Gesellschaft Aufsehen erregte.

      Leider stellte sich sehr bald heraus, daß die Frauen wohl an dem Mann interessiert waren, aber einen Rückzieher machten, wenn sie hörten, daß es Peter nur im Doppelpack gab. Irgendwann hatte er es schließlich ganz aufgegeben.

      Martin und Biene kamen von ihrem Spaziergang zurück. Für die Hündin hatten sie den großen Korb mitgebracht, in dem sie zu Hause immer schlief. Dazu Trink- und Freßnapf und ein paar Dosen Hundefutter.

      »Was machen wir denn jetzt?« fragte Peter, nachdem Martin sich die Hände gewaschen hatte.

      Der Bub kratzte sich am Ohr.

      »Irgendwie hab’ ich da was von Eisessen in Erinnerung«, erwiderte er trocken. »Oder, Biene?«

      Biene schlug mit dem Schwanz auf den Boden.

      »Siehst du, sie meint es auch.«

      Peter strich seinem Sohn über den Kopf. Zwar hatte es an der Autobahnraststätte schon ein Eis gegeben. Aber erstens war Urlaub, und zweitens konnte er dem Bub sowieso keinen Wunsch abschlagen.

      »Na, dann los«, lachte er und zog das Jackett über.

      *

      Es war eine Entscheidung aus dem Bauch heraus. Still und ohne viel Aufsehen zu machen, hatte Alexandra einen Brief an Adrian geschrieben und ihm mitgeteilt, daß sie für ein paar Tage verreisen würde. Danach wollte sie ihn nie mehr wiedersehen.

      Der einzige Hinweis auf seinen neuerlichen Betrug lautete: »Du weißt schon, es ist wegen Deines angeblichen Wochenenddienstes…«

      Als sie am Samstagabend nach Hause gekommen war, hatte sie sich gleich hingesetzt und überlegt, welcher der Weg war, den sie jetzt gehen mußte. Noch einmal würde sie auf Adrian nicht hereinfallen. Aber ihr war klar, daß sie ihm auf keinen Fall wieder begegnen wollte. Wenn er erst einmal vor ihr stand und sie bittend anschaute, tausend Ausflüchte und Entschuldigungen hervorbrachte, bestand die Gefahr, daß er sie wieder herumkriegen würde, wie so oft.

      Am Sonntag meldete er sich nicht, aber das war ihr ganz recht. Alexandra hatte lange überlegt. Es war nicht ganz leicht, sich einfach ein paar Tage frei zu nehmen. Aber nach einem Gespräch mit dem Seniorpartner, der Verständnis für ihre Situation zeigte, stand ihrem Urlaub nichts mehr im Wege. Dr. Behringer hatte sich bereit erklärt, die anstehenden Prozesse für sie zu übernehmen.

      Natürlich war ihr bewußt, daß es eine Tortur für sie sein mußte, wenn sie ausgerechnet dorthin fuhr, wo sie und Adrian so schöne Tage verlebt hatten. Auf der anderen Seite würde diese Radikalkur eine heilende Wirkung auf sie haben und ihr helfen, sich nicht nur räumlich, sondern auch innerlich von ihm zu trennen. Allerdings wollte sie nicht im Hotel wohnen, sondern sich ein Zimmer in einer Pension nehmen.

      Aus Erfahrung wußte sie, daß St. Johann ein begehrtes Urlaubsziel war, und fürchtete schon, keine Unterkunft mehr zu finden. Doch zumindest in diesem Punkt schien das Schicksal es gut mit ihr zu meinen, gleich bei ihrem ersten Anruf hatte sie Glück und konnte ein Zimmer für vierzehn Tage buchen. So fuhr sie am Montagmorgen mit einem lachenden und einem weinenden Auge los – nachdem sie den Brief an Adrian eingeworfen hatte.

      St. Johann hatte ihr schon bei ihrem ersten Besuch gefallen. Es war ein beschaulicher Ort, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Alexandra erinnerte sich an die Tage, die sie mit Adrian hier verbracht hatte, und plötzlich überkam sie Wehmut.

      War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, hierher zu fahren?

      Allerdings war es jetzt zu spät, diese Frage zu stellen. Sie hatte die Straße erreicht, in der die Pension Stubler stand, und stieg aus. Als


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