Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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mich doch weinen, dann tut der Kopf nicht so weh.« Das war auch eine Erklärung.

      »Tut das noch weh?«, fragte er und tippte auf die Stelle, die von ihrem Fall herrührte und sich bläulich färbte.

      »Nein, drinnen tut’s weh«, sagte sie.

      Es war schon manchmal recht schwer, Dodo zu verstehen. Droben am Meer war es leichter gewesen für Henrik, denn da waren sie immer allein. Doch hier schwirrten die anderen Kinder herum, und er wollte doch lieber spielen als bei einer traurigen Dodo sitzen.

      Sie mochte seine Gedanken ahnen, denn sie sagte: »Spiel doch ruhig, ich muss nachdenken.«

      Es machte ihm fast ein bisschen Angst, sich so von ihr durchschaut zu sehen. Das konnte eigentlich nur seine Mami.

      »Ich würde gern spielen«, sagte er stockend.

      »Ja, geh nur, ich bin dir nicht böse. Die Kinder sind alle sehr nett.«

      »Und warum spielst du nicht mit uns, Dodo?«

      »Weil ich jetzt überlegen muss, warum Onkel Harald nicht mein Vater ist«, erwiderte sie.

      Das brachte Henrik völlig aus der Ruhe. Über so seltsame Reden musste er mit seiner Mami sprechen.

      Auch Denise schien zu ahnen, was in ihm vor sich ging. »Wo ist Dodo?«, fragte sie, als er ins Büro gestolpert kam.

      »Sie muss überlegen, warum Onkel Harald nicht ihr Vati ist«, platzte er heraus. »Wie findet man denn das, Mami?«

      Ja was sollte man davon halten? Auch für Denise war es nicht einfach, sich in Dodos Gedankengänge zu finden.

      »Sie hat ihn eben lieb«, erklärte sie.

      »Früher hat sie aber nie gesagt, dass sie ihn als Vati möchte.«

      »Da hatte sie auch noch ihr Großväterchen, aber vielleicht hat sie sich das auch damals schon so gedacht.«

      Damals! Der Sommer schien so fern zu liegen. Auf den Bäumen färbten sich die Blätter gelb, und der Wind blies sie über die Wege. Und doch waren erst ein paar Wochen vergangen, seit sie mit den Kindern am Meer gewesen war.

      Unwillkürlich dachte sie an jene Nacht, in der Hinnerk gestorben war, und sie vermeinte seine Stimme zu hören, die davon sprach, dass Dodos Mutter wiederkommen würde.

      Aber Julia Pahlen war nicht Frauke. Sollte dennoch etwas Wahres an Hinnerks Worten gewesen sein, und diese fremde Frau Dodo wie eine Mutter in die Arme nehmen?

      Als Harald vor Julias Haus hielt, klopfte sein Herz so heftig, dass es ihm fast den Atem raubte. Er hatte zuvor noch ein Geschenk für sie besorgt und Rosen, herrlich rote Rosen, und nun, da er die Hand auf die Klingel legte, fragte er sich, ob es ein Abschiedsgeschenk sein würde.

      Doch dann stand Julia in der Tür. Ihre Augen weiteten sich, und ein Leuchten ging über ihr Gesicht. Es war ein Augenblick atemloser Spannung und betäubend in seiner beglückenden Gewissheit, als sie in seine Arme fiel.

      Die Rosen fielen ihm aus der Hand, er hielt sie umschlungen, er küsste sie, und sie erwiderte seine Küsse. Seine Sehnsucht ging in Erfüllung, so unbegreiflich ihm das auch erschien.

      Sie wussten, dass sie sich liebten. Es konnte wirklich kein Zweifel daran bestehen.

      Es war ein Wunder, das er nicht zu fassen vermochte. Nichts in seinem Leben hatte so viel Bedeutung wie diese Frau, die er in seinen Armen hielt und niemals mehr verlieren wollte.

      »Julia!« Voller Zärtlichkeit sprach er ihren Namen aus, und allein das war schon eine Liebeserklärung.

      »So gefällt mir mein Name«, sagte sie mit schwingender Stimme.

      »Hat er dir früher nicht gefallen?«, fragte er.

      »Nicht so.«

      »Ich liebe dich.«

      Er dachte es nicht nur. Er hatte es ausgesprochen. Tatsächlich, er hatte diese drei Worte ausgesprochen, er, der seine Gefühle doch so schlecht in Worte kleiden konnte.

      »Wie kann man sich nur so sehr lieben«, sagte Julia nachdenklich. »Es ist wundervoll, Harald. Plötzlich ist die ganze Welt voller Wunder.« Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und küsste ihn gleich wieder in überströmender Zärtlichkeit.

      »Bleib bei mir«, flüsterte sie. »Geh nicht wieder fort. Ich hatte solche Angst, dass du nicht wiederkommen würdest.«

      »Ich komme wieder«, sagte er. »Wir werden einige Entscheidungen treffen müssen, Julia.«

      Sie hatte viel nachgedacht in dieser Nacht, und ihre Gedanken waren bereits in der Zukunft gewesen. Jetzt wurde Wirklichkeit, was in der Nacht noch Träume gewesen waren.

      »Könntest du dir vorstellen, hier, in diesem Haus, mit Dodo und mir zu leben?«, fragte sie. »Weit und breit ist kein Arzt.«

      Er dachte an sein Haus, an Mintje, an die schwerblütigen Menschen, denen er vertraut war.

      »Du könntest dir nicht vorstellen, am Meer zu leben?«, fragte er.

      »Ich weiß es nicht, Harald. Ich müsste wohl immer an Frau Brodersen denken. Ich will, dass Dodo mein Kind ist.«

      »Du willst es wirklich?«

      »Du, Dodo und ich – ich habe in dieser Nacht nichts anderes gedacht. Egal, welche rechtlichen Schwierigkeiten es geben wird, ich werde sie überwinden.«

      »Das brauchst du nicht. Ich bin ihr Vormund. Sie denkt nur an dich.«

      »Muss ich sie in Sophienlust lassen?«, fragte Julia.

      »Für eine Weile«, erwiderte Harald. »Bis ich alles geordnet habe. Wir wollen gemeinsam unser Leben beginnen.«

      »Hier?«

      Er schloss die Augen. Weg vom Meer, von den Menschen, mit denen er gelebt hatte, aber weg auch von den Erinnerungen, von den Toten.

      »Ja«, erwiderte er.

      Er bog ihren Kopf zurück und legte seine Lippen auf ihren Mund.

      »Wir können im Sommer ans Meer fahren«, flüsterte Julia.

      »Nein.« Er sagte es sehr bestimmt. »Es wird ein Abschied für immer sein, Julia. Ein Abschied von allem.«

      Sie ahnte, dass es ein schmerzlicher Abschied für ihn würde, doch jetzt war es für sie ein Beweis seiner Liebe zu ihr.

      *

      Dodo lag in ihrem Bett. Nein, es war nicht ihr Bett. Sie war nur zu Besuch in Sophienlust. Das Bett in Muttis Haus war ihres, es war breiter gewesen, und die Kissen hatten einen feinen Duft verströmt. Diese Kissen rochen nur nach frischer Luft. Nicht nach dem Meer, sondern nach Tannen.

      Hannibal lag vor ihrem Bett. Pünktchen hatte ihr gesagt, dass die Hunde eigentlich nicht im Zimmer schlafen dürften. Es ginge nicht an, dass jedes Kind einen Hund bei sich im Zimmer halten wolle, und weil meistens zwei Kinder in einem Zimmer schliefen, wären das auch zwei Hunde.

      Dodo sah das ein, aber um keinen Preis der Welt wollte sie sich von Hannibal trennen. Er war alles, was ihr jetzt noch geblieben war, bis sie wieder bei Mutti sein konnte.

      »Muttichen«, flüsterte sie, und sofort hob Hannibal den Kopf und spitzte die Ohren.

      »Wir müssen noch warten, Hannibal. Mutti muss noch arbeiten«, sagte Dodo. »Sie wird bestimmt erlauben, dass du immer bei mir im Zimmer schläfst.«

      Es sollte kein Vorwurf für Tante Isi sein oder für Pünktchen oder jemand anderen, der erklärte, dass Hunde nicht in ein Schlafzimmer gehörten. Großväterchen hatte es auch nicht gewollt, dass Hannibal in ihrem Zimmer schlief. Ganz heimlich hatte er sich immer hereingeschlichen und oft erst, wenn sie schon eingeschlafen war.

      Sie sah Großväterchen vor sich, wie er in seinem Lehnstuhl saß und sie sah sich zu seinen Füßen. Bei diesem Gedanken schlief sie ein. Die Traumwelt ergriff Besitz von ihr. Großväterchens


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