Animant Crumbs Staubchronik. Lin Rina

Animant Crumbs Staubchronik - Lin Rina


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aus dem Augenwinkel.

      »Du arbeitest auch?«, erkundigte ich mich und benutzte ebenso wie sie eine vertrautere Art der Ansprache, die sie mir zwar nicht angeboten hatte, aber selbstverständlich zu nehmen schien.

      »Nein«, antwortete sie und grinste. »Ich studiere.«

      Das überraschte mich sehr. Ich war noch keiner studierenden Frau begegnet, aber wahrscheinlich musste sie genau so selbstbewusst sein, wie Elisa es war.

      Die Universität für Frauen war erst wenige Jahre alt und kämpfte immer noch um die vollständige staatliche Anerkennung. Ihre Mittel waren begrenzt, die Studienfächer von dürftiger Anzahl und allein der Ruf, der einer studierenden Frau anhaftete, hätte schon dafür gereicht, um mich abzuschrecken.

      »Das ist jetzt wirklich unglaublich«, entfuhr es mir und ich empfand Bewunderung für sie und ihren Mut.

      »Nicht wirklich«, winkte Elisa ab und tat so, als sei es nichts Besonderes. Doch das winzige Lächeln in ihren Mundwinkeln verriet sie. »Die Universität ist klein und wenn ich einmal fertig bin, ist nicht einmal sicher, ob ich einen echten Abschluss bekomme.«

      »Warum tust du es dann?«, war es nun an mir zu fragen und Elisa lachte heiter.

      »Aus dem gleichen Grund wie du. Um nicht die Frau des Fischhändlersohns zu werden«, gab sie zurück und ich fühlte mich in meiner Vermutung bestätigt, dass ihre Eltern wohl kein großes Vermögen hatten. Meine Mutter würde mich nie mit einem Fischhändlersohn verheiraten. Zumindest nicht, solange sie die Wahl hatte oder ich ihn ihr nicht als Liebe meines Lebens vorstellte.

      Ich lächelte und Elisa war redefreudig genug, mir mehr zu erzählen, ohne dass ich so impertinent sein musste, zu fragen.

      »Ich habe das große Glück, eine Gönnerin zu haben, die mir das Studium finanziell ermöglicht«, erzählte sie und ich nickte. »Doch leider besteht sie darauf, dass ich sie auf diese spießigen Veranstaltungen begleite. Ich tu es, aber ich hasse es. Vor allem diesen Schmuck.« Sie zupfte leicht an dem kleinen Hut, den man ihr an der Hochsteckfrisur befestigt hatte, und schnippte gegen die langen, bunt gefärbten Federn. »Was soll das darstellen? Bin ich ein Papagei?«, fragte sie gespielt schockiert und wir fingen beide gleichzeitig zu lachen an, weil es einfach absurd klang.

      »Ich weiß es nicht. Ich weigere mich, so etwas zu tragen. Wenn meine Tante mich nicht überredet hätte, wäre ich gar nicht hier«, erzählte ich freimütiger, als ich es von mir gewohnt war, aber Elisa schien es nichts auszumachen.

      Sie grinste und beugte sich interessiert zu mir vor. »Und was würdest du jetzt tun, wenn du die Wahl hättest?«, wollte sie wissen und ich brauchte nicht lange zu überlegen.

      »Ich würde in meinem Sessel sitzen und lesen«, sagte ich.

      »So eine bist du also: eine Stubenhockerin«, gab sie zurück und obwohl es direkt war, empfand ich es nicht als Beleidigung.

      »Und was würdest du machen?«, wollte ich daher wissen und sie legte sich den Zeigefinger auf die Lippen, um kurz darüber nachzudenken.

      »Hm. Wahrscheinlich würde ich in einem Pub sitzen und mir von meinen Cousins erzählen lassen, wie undamenhaft ich doch bin und ich so niemals einen Ehemann bekomme«, erzählte sie.

      »So eine bist du also: eine Saufnase«, kommentierte ich mit einem versteckten Lächeln und Elisa kicherte.

      »Touché«, gab sie zu und machte ein albernes Gesicht. »Ich glaube, ich hab’ mich spontan in dich verliebt, Animant«, sagte sie mit einem charmanten Augenaufschlag, den sie selbst nicht wirklich ernst nahm, und plötzlich war ich froh, nicht allein zu Hause geblieben zu sein.

      Das Siebte oder das, in dem ich in die Welt der Maschine eintauchte.

      Als ich an diesem Morgen vor der Bibliothek stand, wunderte sich Mr Reed nicht mehr darüber. Und wenn doch, verbarg er es zumindest besser als am Morgen zuvor. Er grüßte undeutlich, sah mir nicht ins Gesicht und schien auch so sehr schlecht gelaunt zu sein.

      Aber das war mir heute gleichgültig, da ich nicht besonders viel geschlafen hatte und schon seit dem Aufwachen von leichten Kopfschmerzen geplagt wurde. Ich konnte es in diesem Moment nicht gebrauchen, von Mr Reed irgendeinen Kommentar darüber zu hören.

      Still folgte ich ihm die Treppen auf den Rundgang hinauf und sah ihn ohne ein weiteres Wort in seinem Büro verschwinden, dessen Tür er mit mehr Nachdruck schloss, als nötig gewesen wäre.

      Ich legte meinen Mantel in dem kleinen Räumchen nebenan ab, fragte mich, was wohl vorgefallen war und ob es etwas mit dem Gentleman von gestern zu tun haben konnte. War er womöglich deshalb immer noch so verstimmt?

      Ich begann mit den Zeitungen im Foyer, holte sie aus den Verspannungen, immer die Angst vor dem finsteren Archiv in der Magengrube. Doch diesmal wusste ich ja, was mich dort unten erwartete. Es würde also viel schneller gehen. Hoffte ich zumindest.

      Der Junge mit der Zeitung war nicht mehr so verschreckt wie gestern, hielt aber Abstand und blieb übertrieben höflich. Ich gab ihm zwei Schilling und er verriet mir, dass sein Name Phillip Tams war.

      Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihm noch mehr Geld zu geben, damit er für mich ins Archiv runterging. Doch das wäre ein zu großes Eingeständnis meiner Schwäche gewesen und so ließ ich Phillip wieder ziehen, machte meine Arbeit und stellte mich meinen Ängsten.

      Jedenfalls redete ich mir das ein, denn meine Furcht vor diesem schummrigen Ort mit dem immerwährenden Luftzug, der nach meinem Nacken griff und mich immer wieder vor jedem Schatten zusammenzucken ließ, wurde nicht weniger.

      Wieder rannte ich die Treppen nach oben und blieb mit klopfendem Herzen zwischen den Bücherregalen im Seitentrakt der Bibliothek stehen, an dessen Wand sich der Abgang zum Archiv befand.

      Einunddreißig Tage in einem Monat, weniger zwei Tage, die bereits vergangen waren, weniger die vier Sonntage, die ich nicht arbeiten musste, ergab fünfundzwanzig mal hinunter ins grausige Archiv, rechnete ich im Kopf und bekam eine unangenehme Gänsehaut. Noch fünfundzwanzigmal musste ich in dort runter, und das kam mir im Moment wie eine viel zu große Anzahl vor.

      Ich war froh, Cody zu begegnen, als ich zurück in den Lesesaal kam. Besser, als sich nach dem Schreck völlig allein in den großen Räumen aufzuhalten. Er sah mich erst verängstigt an, zog sich dann aber eilig die Mütze vom Kopf und verbeugte sich leicht zum Gruß. Immer noch, ohne ein Wort gesprochen zu haben.

      Eigentlich hatte ich ihn noch nie sprechen hören.

      »Guten Morgen, Cody«, erwiderte ich seine Verbeugung verbal und half ihm anschließend, die Bücher, die im Lesesaal auf den Tischen liegen geblieben waren, zusammenzusammeln und thematisch zu ordnen, damit er sie anschließend wegräumen konnte.

      Ich verzog mich in meine Kammer, als die ersten Studenten ins Foyer getingelt kamen und mich mit großen Augen wie eine Zirkusattraktion beglotzten.

      »Sie ist die neue Bibliothekarsassistentin«, hörte ich jemanden zu seinem Kollegen flüstern, strich mir flüchtig die Bluse zurecht und suchte das Weite.

      Es gab noch einen ganzen Stapel neuer Bücher ohne Etiketten, die darauf warteten, dass ich mich ihrer annahm.

      Gegen halb zehn klopfte es an meiner Tür, was mich überraschte. Es hatte mich noch niemand in der Kammer aufgesucht.

      »Herein«, rief ich gepresst, während ich mich gegen den Hebel des Gerätes stemmte, das die metallenen Etiketten auf die Buchrücken nietete.

      »Miss Crumb«, sprach mich Mr Reed an und ich erkannte ihn nur an der Stimme, weil ich gerade keine Möglichkeit hatte, hinzusehen.

      Drei schnelle Schritte erklangen dumpf auf dem getäfelten Boden und dann griff ein Arm über meine Schulter hinweg. Eine kräftige Hand umschloss den Hebel, drückte mit und das Gerät schnappte ein.

      Ich


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