Wyatt Earp Staffel 1 – Western. William Mark D.
einen weiteren Verlauf zu ermöglichen. Das Schicksal hatte diesen Wyatt Earp ausersehen, noch eine lange Reihe von Jahren in diesem rauhen Lande zu leben und zu wirken.
Nein, darüber dachte der bedrückte Mann in diesem Augenblick gewiß nicht nach. Der Tod des alten Postfahrers hatte ihn tief getroffen.
Als er wieder in den Sattel stieg und weiter nach Westen ritt, hatte er sich geschworen, nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis er jenen Mann gefunden hatte, der dem alten Jim Duffy die tödliche Kugel in den Rücken geschickt hatte.
Die Kugel, die eigentlich ihm gegolten hatte. Diese Tatsache bestärkte den Vorsatz des Missouriers nur noch.
*
Jeff Collins, der Boß der Overland Company, die zwischen Abilene und Coleman eine Postlinie betrieb, rieb sich den Schlaf aus den Augen, als der Missourier bei ihm eintrat.
»Wyatt! Da sind Sie ja! Was ist passiert? Die Pferde kamen spät abends allein hier auf der Station an.«
Wyatt berichtete, was geschehen war.
Jeff Collins, ein Mann in den Fünfzigern, erhob sich aus seinem Sessel und sah Wyatt mit einem durchdringenden Blick an. Seine braunen Hände stützten sich auf die grüne Schreibtischplatte, während er jetzt sagte:
»Ich habe Sie für einen brauchbaren Mann gehalten, Earp. Für einen Mann jedenfalls, auf den man sich verlassen kann. Ich sehe mich schmählich getäuscht. Sicher, Jim Duffy ist ein alter Fahrer und hätte die Kutsche zweifellos sicher nach hier gebracht. Ja, ich bin sogar sicher, daß er sie überdies noch ein paar Jahre recht ordentlich durch die Gegend geschaukelt hätte. Aber ich habe Ihnen seinen Job gegeben, Earp. Und Sie haben ihn eigenmächtig wieder mit Jim getauscht. Ich will nicht wissen, ob er Sie darum gebeten hat, denn ich weiß, daß er am Kutschbock hing…«
»Das hat er nicht!« unterbrach Wyatt. »Ich habe ihn augefordert, die Overland nach hier zu bringen…«
»Weil Sie nach Ihren Revolvergeschäften sehen wollten!« sagte Collins scharf. »Ich habe es geahnt, Earp. Es ist etwas an Ihnen und in Ihren Augen, das jene Leute haben, die von der Schnelligkeit ihres Colts leben. Vielleicht hat das bis heute nur in Ihnen geschlummert und ist jetzt geweckt worden. Sie sind ein Revolvermann, Earp…«
»Mister Collins!« Wyatt trat dicht an den Schreibtisch seines Chefs heran.
»Doch, Earp. Ich habe es schon längst befürchtet. Sie sind ein hervorragender Schütze, und es macht Ihnen Spaß, zu schießen und andere Menschen zu töten. Sie brauchen sich keine Mühe zu geben. Ich habe Sie durchschaut. Vielleicht können Sie nicht einmal etwas dazu. Es ist eben Ihr Schicksal…«
Wyatts bronzebraunes Gesicht hatte sich jäh verfärbt.
»Sie irren sich, Mister Collins. Die Leute in Ellsworth waren in Not. Ich habe es einfach für meine Pflicht gehalten, Ihnen beizustehen. Das Gesetz…«
»Ach, das Gesetz!« rief der Postmeister dröhnend. »Was schert Sie das Gesetz? Sie sind kein Peace-Officer! Was geht Sie also das Gesetz an? Sie hätten auf dem Kutschbock bleiben müssen!«
»Sicher«, sagte Wyatt dumpf. »Dann läge ich jetzt statt des Alten auf der Straße, mit dem Gesicht nach unten…« Er wandte sich um und ging hinaus.
Mit hartem Gesicht sah Collins hinter ihm her. Erst viel, viel später sollte er einsehen, daß er dem Mann unrecht getan hatte. Jetzt ließ er ihn gehen. Nein, er hätte ihn nicht entlassen, dazu gab es zu wenig brauchbare Leute für den Job. Schließlich hatte er ja jetzt mit einem Schlage zwei Leute verloren.
Wyatt Earp ging von selbst. Er hätte ohnehin jetzt die Verfolgung Abe Clinholms aufgenommen und mit Peshaur abgerechnet, aber er wäre sicher zur Overland zurückgekehrt.
Die harten Worte des Chefs jedoch hatten ihm ein Zurückkehren verleidet. Er brachte Duffys Tupfschimmel in den Stall und holte sein braunweiß geschecktes Indianerpony heraus, sattelte es, schob seine alte Parker-Büchse in den Scabbard und ritt nach Osten zurück.
*
Der Mann, der beim ersten grauen Licht des neuen Tages in Ellsworth einritt, hatte nur noch wenig mit dem Postfahrer gemein, der gestern mittag aus der Stadt gefahren war.
Irgend etwas im Gesicht dieses jungen Mannes hatte sich verändert. Ein harter, scharfer Zug lag um seinen Mund.
Wyatt suchte das Anwesen des kleinen Schneiders Sam Black auf. Er überzeugte sich davon, daß Ben Thompson noch eingesperrt war. Dann, als er von Black gehört hatte, daß sich die Anführer der Treiber im City Hotel einquartiert hatten, zog er sich wieder in den Sattel und ritt auf die Mainstreet zurück.
Oben an der Fassade des großen Holzbaues flammte ein erster orangenroter Sonnenstrahl auf, als Wyatt Earp vor dem gegenüberliegenden Stepwalk abstieg und sich auf die Vorbautreppe der City Hall setzte.
Der erste Mensch, den er gewahrte, war der Schmied. Er kam hemdsärmelig die Straße herunter und blieb stehen; verwundert musterte er den Mann auf der Treppe. Sofort sah der erfahrene Menschenkenner, daß dieser Mann ein anderer geworden war, daß er zurückgekommen war, um abzurechnen.
Als der Schmied sah, daß der Missourier keinen Blick von der Frontfassade des Hotels ließ, ging er weiter.
Gewalttätigkeit lag in der Luft. Der alte Schmied hatte es in der Nase. Er hätte seine abgewetzte Schürze gegen eine goldbraune Flasche Ohio-Rum verwetten mögen, daß es heute morgen Verdruß in der Stadt gab. Schließlich hatte er gestern erlebt, wie dieser Missourier schießen konnte.
Und wenn so ein Mann zurückkam, dann war etwas gefällig. Unwillkürlich zog der Meister des Hammers den Kopf tiefer zwischen die Schultern und schritt eiliger als gewöhnlich seiner Werkstatt zu.
*
Geg Peshaur wußte nicht zu sagen, was ihn zu dieser Stunde ans Fenster gezogen hatte; jedenfalls fuhr er mit einem Ruck hoch, als er erwacht war, und ging noch schlaftrunken auf nackten Füßen zum Fenster.
Als er den Mann mit den harten Augen drüben auf der Vorbautreppe sitzen sah, schob er den Kopf wie ein Raubvogel vor und riß die Augen sperrangelweit auf.
Sah er denn richtig? War das nicht dieser vertrackte Missourier, den Abe gestern abend weggeputzt hatte?
Hell and devils! Kein Zweifel, er war es tatsächlich.
Der Cowboy fuhr zurück, wischte sich durchs verschlafene Gesicht und sah noch einmal hin.
Wirklich, ein Zweifel war ausgeschlossen: Der Mann, der da drüben auf der Treppe hockte und herüberstarrte, war niemand anders als Wyatt Earp.
Der Rindermann George Peshaur hatte plötzlich einen schalen Geschmack im Munde. Er wandte sich zurück ins Zimmer und zog sich langsam an.
Dann ging er hinüber zu Bill Thompson.
Der Spieler richtete sich im Bett auf.
»Was ist los?«
»Er ist unten.«
»Wer?«
»Wyatt Earp.«
»Bist du verrückt?« Thompson stützte sich auf den linken Ellbogen und wischte sich durchs Gesicht.
»Absolut nicht. Geh ans Fenster und überzeuge dich selbst. Er sitzt drüben auf der Vorbautreppe der City Hall und starrt hier rüber.«
Thompson war mit einem Satz aus dem Bett heraus. Aber ehe er zum Fenster ging, blickte er den Cowboy an und fragte:
»Ich denke, Clinholm hat ihn erledigt?«
»Yeah, das dachte ich auch.«
Der Spieler zog sich plötzlich mit Windeseile an.
Peshaur sah ihm nachdenklich zu. Auf einmal meinte er:
»Auf wen er wohl wartet?«
Thompson warf den Kopf herum.
»Hey, du hast doch vor diesem Bastard keine Angst?«
Peshaur