Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen

Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman - Christine von Bergen


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kommt gleich«, teilte er ihr mit.

      »Danke.«

      Und dann?, fragte sie sich mit dem Anflug von Enttäuschung. Hier mit diesem Mann auf dem Waldboden zu sitzen, gefiel ihr. Eine ungewöhnliche Situation, etwas Besonderes. Wie ein Licht in dunkler Nacht.

      »Hoffentlich bekommt Dr. Brunner keinen Streit mit seiner Frau«, hörte sie Thomas in ihr Schweigen sagen.

      »Warum?«

      »Na ja, er soll sich schonen. Er war lange krank und hat erst seit ein paar Tagen seine Praxis wieder geöffnet. Aber er ist Arzt aus Leidenschaft.«

      »Was hatte er denn?«

      »Herz. Dazu die Überarbeitung. Er ist der einzige Arzt hier weit und breit. Während seiner Krankheit mussten die Leute in die Klinik fahren. Eine Stunde Fahrzeit. Das ist besonders für ältere Menschen oder Notfälle eine Zumutung.«

      So plauderten sie eine Weile, bis ein dunkler Kombi auf dem geraden langen Weg auf sie zufuhr.

      Thomas verstummte.

      »Ich glaube, der Doktor kommt«, sagte er und stand auf, enttäuscht und zugleich mit einer berauschenden Leichtigkeit in sich. Er hatte Sophie mit allen Sinnen wahrgenommen. Die sinnlichen Lippen, die blonde Locke, die ihr bei einer Drehung des Kopfes immer wieder in die Stirn fiel, sowie den Ausdruck von Trauer in den Augen. Sie hatte einige Male über seine Scherze gelacht, was er wie eine Belohnung empfunden hatte. In ihrem Smalltalk hatte sie nur wenig über sich preisgegeben –, was die Sache für ihn noch reizvoller machte. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die ihr Herz gleich ausschütteten.

      »Danke«, hörte er sie hinter sich sagen, während er dem Arzt entgegensah.

      Er drehte sich um. Noch einmal hielten ihre Blicke einander fest.

      »Wofür?«

      »Für die … Unterhaltung. Das Vergnügen.«

      »Bitte?«

      Welch eine Antwort! Es verwunderte ihn, dass sie das Prickeln zwischen ihnen so direkt ansprach. Schwang in dieser Erwiderung nicht auch ein Ton der Endgültigkeit mit? So, als würden sie nie wieder miteinander sprechen?

      Noch während ihm diese Überlegungen durch den Kopf gingen, hielt Dr. Brunner neben ihnen an.

      Der Landarzt sah die beiden jungen Leute von Weitem mitten auf dem Waldweg sitzen. Ein Schmunzeln spielte um seine Lippen.

      Die Jugend! So unbeschwert. Aber gut war’s. Und schön.

      Thomas stand auf, als er seinen Wagen entdeckte. Verwirrung stand auf seinen Zügen geschrieben.

      Wieder lächelte er in sich hinein. Kein Wunder, diese junge Dame, die dort auf dem Waldboden saß, war eine ausgesprochene Schönheit. Nur ein bisschen blass. Krankhaft blass. Aber dieser Eindruck mochte auch von der Situation herrühren, in der sie sich befand. Bestimmt hatte sie Schmerzen.

      »Ich bin Dr. Brunner«, stellte er sich der Verletzten vor.

      »Sophie Wittmer. Danke, dass Sie sich die Mühe machen …«

      Er winkte lächelnd ab. »Keine Mühe.« Dann kniete er sich neben sie. »Mal sehen, was wir denn da haben …«

      Sophie verzog bei der Untersuchung keine Miene, sagte kein Wort. Tapfer, tapfer, denn seine festen Griffe mussten ihr Schmerzen bereiten bei der starken Verstauchung, die sie sich zugezogen hatte.

      »Sie haben Glück. Nichts gebrochen, kein Bänderriss«, beruhigte er sie. »Umschläge, Salbe, ein paar Tage Ruhe, dann geht’s wieder.« Da fiel ihm ein: »Machen Sie Urlaub hier?«

      Sie nickte.

      »Wo?«

      »Unten im Tal. Hotel Schwarzwaldblick.«

      Er kannte das Hotel. »Die haben Balkone mit herrlichem Ausblick auf die Wälder. Da lässt´es sich aushalten. Ich nehme Sie jetzt mit in meine Praxis und versorge Ihren Fuß.«

      »Und mein Auto? Es steht auf dem Wanderparkplatz.«

      »Wenn es dir recht ist, würde ich es holen und dich von der Praxis ins Hotel fahren«, bot sich Thomas eilfertig an.

      Matthias konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

      »Gute Idee, Thomas«, bestärkte er den jungen Mann in seinem Vorschlag.

      Sophie nickte nur stumm.

      Die beiden Männer stützten sie. Thomas, der sich die Kamera um den Hals gehängt hatte, öffnete die Beifahrertür, fuhr den Sitz zurück und half Sophie, sich zu setzen. Er nahm auf der Rückbank Platz.

      Dann ging’s los in Richtung Wanderparkplatz.

      *

      Aus Karlsruhe kam sie also, dachte Thomas, während er in Sophies rotem Kleinwagen hinter dem Doktorauto her fuhr.

      Immer wieder ließ er einen forschenden Blick über das Armaturenbrett schweifen, um irgendwo einen Hinweis auf Sophies Person, ihr Leben zu erhaschen. Doch der Wagen war blitzblank, aufgeräumt und so schmucklos wie ein Leihwagen.

      Während er auf dem Praxisparkplatz wartete, untersagte er sich, seiner Neugier nachzugeben und ins Handschuhfach zu schauen. Nein, er wollte nicht in ihr Leben dringen, ohne dass sie es ihm erlaubte. Um sich abzulenken, ließ er den Blick über den Schwarzwaldhof schweifen, unter dessen tief herunter gezogenem Dach Dr. Brunner mit seiner Frau wohnte und praktizierte.

      Der Hof stammte aus dem achtzehnten Jahrhundert. Die Vorfahren des Arztes hatten hier einst Landwirtschaft betrieben. Doch das Alter sah man ihm nicht an. Vor den Fenstern prangten rosafarbene Geranien, die Fensterstöcke waren weiß gestrichen, die Holztüren und Läden kunstvoll restauriert, der Garten gepflegt und der gepflasterte Parkplatz sauber gefegt. Das Anwesen lag auf einem Hügel mit Blick übers Tal. Die untergehende Sonne tauchte es in ein sanftes Licht. Sie ließ die Farben ringsherum noch intensiver leuchten als am Tag. Das Gelb der Butterblumen am Wegesrand, das Grün der Wiesen, das Türkisblau des Himmels über den bewaldeten Hügeln … Diese einmalige Lage der Schwarzwaldpraxis mochte dazu beitragen, dass Patienten aus der ganzen Umgebung hierhinkamen, überlegte Thomas. Die landschaftliche Idylle nahm vielen Leuten die Angst vor einem Arztbesuch, den die meisten mit einer sterilen Atmosphäre verbanden, in der der Mensch nur eine Nummer, einen Fall darstellte. Dr. Brunner dagegen entsprach noch ganz dem Bild eines Landarztes, den man von früher kannte, den sich jeder wünschte. Ein Mediziner, der den Menschen vor sich sah, den ganzen Menschen, Körper und Seele. Vielen Patienten war er im Laufe der Jahrzehnte zum Vertrauten geworden, manchen sogar zum Freund.

      Er drehte das Seitenfenster herunter.

      Die Luft duftete nach Tannennadeln und dem schweren süßen Geruch von frisch geschnittenem Gras.

      Mit geschlossenen Lidern lehnte er sich zurück.

      Vor seinem inneren Auge tauchte das Gesicht der Frau auf, die er gerade einmal vor einer halben Stunde kennengelernt hatte. Dennoch glaubte er, sie schon viel länger zu kennen.

      »Sophie.« Er ließ ihren Namen auf der Zunge zergehen. Dabei floss eine heiße Welle durch ihn. Ein Gefühl, das er nicht kannte, das er noch nie zuvor gespürt hatte. Ein Gefühl, das in den Zehenspitzen begann, seinen ganzen Körper erfasste und ihm die Brust groß und weit machte. Welch ein Geschöpf! Er kannte viele hübsche Frauen, aber diese war etwas Besonderes. Sie besaß eine innere Schönheit, etwas Edles, Stolzes, was ihn noch viel mehr reizte als ihr Gesicht.

      Ein Klopfen an der Scheibe riss ihn aus seinen Gedanken.

      »Du kannst Frau Wittmer jetzt ins Hotel bringen«, sagte Dr. Brunner. »Vorher müsst ihr zur Apotheke fahren. Frau Wittmer braucht Salbe und Bandagen. Klopfe an der Hintertür. Ich rufe dort an und sage Bescheid, dass ihr kommt.«

      Sophie sah ihn fragend an. Ihr schien dieser Auftrag sichtlich unangenehm zu sein.

      »Klar, kein Problem«, versicherte er dem Landarzt.

      Je mehr Zeit er mit Sophie verbringen konnte an diesem Abend,


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