DIE SIEBTE SÄULE (Project 3). Alex Lukeman
»Das kann ich tatsächlich.« Gedankenverloren zeichnete er mit seiner Bierflasche Ringe auf die Tischplatte. Carter wartete ab.
Selena beobachtete die beiden Männer. Sie vermutete eines dieser Männerrituale. Zwei Löwen, die sich umkreisten. Sie hielt sich lieber da raus.
»Hier in der Stadt soll es eine alte französische Maschine geben. Der Mann, dem sie gehört, ist Mechaniker. Hab sie mir noch nicht angesehen. Er sagt, sie sei in gutem Zustand, aber er kann sie selbst nicht fliegen. Er ist durch eine Augeninfektion erblindet, die er sich vor Jahren am Fluss geholt hat. Er würde mir die Maschine vermieten. Ist ein Viersitzer.«
»Ein blinder Mechaniker?«
»Genau.«
»Ein alter französischer Viersitzer?«
Harmon nickte.
Carter dachte nach. Ein altes Flugzeug und ein blinder Mechaniker. Irgendwie passend.
»Was würden Sie zahlen?« Harmon winkte den Kellner herbei.
»Fünfhundert pro Tag, ab heute. Sie fliegen uns da rauf. Wir sehen uns um. Wir fliegen zurück. Das war’s.«
»Euro oder Dollar?«
»Dollar.«
»Wer zahlt für das Flugzeug, die Vorräte und den Sprit? All das kostet Geld.«
»Wir kommen für alles auf.«
Harmon spielte wieder mit seiner Flasche. »Vielleicht könnten Sie mir da bei einer Sache behilflich sein. Mit Ihren Verbindungen.« Carter horchte auf. »Es gibt da einen Bullen namens Samake. Ist beim Sicherheitsdienst, dem hiesigen Geheimdienst, aus Bamako.«
»Wir sind ihm begegnet.«
»Ich hatte zweihundert Flaschen Sauerstoff und Acetylen im Frachtraum, als ich abstürzte. Die Maschine fing Feuer. Ich rannte wie der Teufel und die Maschine ging hoch. Jetzt denkt Samake, ich hätte Material für Terroristen an Bord gehabt. Irgendwelchen Sprengstoff. Er hat meinen Pass behalten. Bis zum Abschluss der Untersuchungen, sagte er. Sie holen ihn mir wieder und mich raus aus diesem Drecksloch, dann sind wir im Geschäft.«
»Ich denke, das lässt sich arrangieren. Aber wir müssten uns zuerst das Flugzeug ansehen.«
»Klingt fair. Wie wäre es, wenn wir uns morgen vor dem Hotel de Colombe treffen und es uns anschauen? Sie wissen doch, wo das Colombe ist?«
»Wir wohnen dort.«
Harmon leerte seine Flasche. »Morgen früh um sieben. Bevor es richtig heiß wird.« Er deutete auf die leeren Flaschen auf dem Tisch. »Die gehen dann wohl auf Sie.«
Kapitel 13
Sie kehrten in ihr Hotel zurück und besorgten sich etwas zu essen. Sie waren in Carters Zimmer. »Ich möchte morgen noch einmal in die Bibliothek.« Selena saß auf einem der Betten. Sie ließ die Finger durch ihr Haar gleiten.
»Willst du dir nicht das Flugzeug anschauen?«
»Dafür brauchst du mich doch nicht. Es gibt dort eine Kopie aus dem 16. Jahrhundert, von einem Handelsjournal, das noch zu Lebzeiten von Mohammed verfasst wurde, die ich mir ansehen will.« Selena prüfte die dünne Matratze, auf der sie saß. »Diese Betten sind ziemlich schmal.« Nick stand dicht neben ihr. In ihren Lenden pulsierte die Erregung. »Aber vielleicht nicht zu schmal.« Sie griff nach seinem Hosenbund und zog ihn zu sich heran. »Komm her«, sagte sie. Selena löste seinen Gürtel und zog ihm die Jeans über die Hüften. Keine Shorts. Nick trug nie Shorts. Sie liebte es, ihn anzuschauen, wenn er erregt war, so ganz nah. Sie genoss die Vorfreude. Sie griff nach oben und nahm ihn in die Hand, knetete und rollte ihn zwischen ihren Handflächen.
Er wollte nach ihr greifen, aber sie schlug seine Hand weg. Nach einer Weile stand sie auf, begann ihre Bluse aufzuknöpfen und legte dann den Rest ihrer Kleidung ab. Er zog sie zu sich heran und ließ seine Hände über ihren Körper wandern. Er hatte raue, starke Hände. Sie spürte das Pochen ihres Herzens, seinen Atem auf ihrer Haut und die Wärme darin. Sie spürte das Narbengewebe an seiner Seite, seiner Hüfte und seinem Rücken. Sie begehrte ihn. »Gib auf meine Rippen acht«, wisperte sie. Sie küssten sich, ein hungriger, verzehrender Kuss. Sie biss in seine Lippe. Sie bewegten sich auf das Bett zu. »Auf den Rücken, Johnny.« Selena stieß ihn rücklings aufs Bett und senkte sich dann auf ihn herab. Sie hielt ihn unten, massierte ihn, setzte sich auf und begann ihn zu reiten. Sie warf den Kopf in den Nacken und ihr Becken tanzte, immer schneller, bis er aufschrie und sich entlud, tief in sie hinein. Sie stieß einen gutturalen Laut aus und kam mit ihm.
Schweißnass rollte sie sich von ihm herunter. Sie schmiegte sich an ihn und wartete darauf, dass ihr Puls sich beruhigte. Ihre Gedanken wanderten und sie begann über die Bibliothek nachzudenken. Sie setzte sich auf. »Dieses Manuskript, das ich mir ansehen will …«
Carter wandte sich ihr im Liegen zu. »Was ist damit?«
»Das Original stammt aus dem siebten Jahrhundert. Mohammed gab einem seiner Feldherren eine Kiste. Er wies ihn an, sie weit wegzubringen und zu verstecken. Das Manuskript spricht von einer großen Höhle im Norden. Könnte der Ort sein, an dem sie den Lastwagen versteckt haben. Wo AKIM vielleicht eine Basis betreibt.«
»Was ist in dieser Kiste?«
»Das ist nicht bekannt. Aber die Dschihadisten würden alles haben wollen, was mit Mohammed in Verbindung steht. Ein solches Artefakt würde ihnen Respekt und Glaubwürdigkeit verschaffen.«
»Dazu müssen sie es erst finden. Wenn es überhaupt existiert.«
»Vielleicht ist es ein Mythos. Doch wenn es gefunden würde, dann wäre es ein Zeichen. Vielleicht ist es gefunden worden. Möglicherweise war das der Grund für die Assassinen, aus der Deckung zu kommen.«
»Wie finden wir diese Höhle?«
»Das Manuskript gibt Hinweise. Es ist von Salzminen die Rede. Das bedeutet, dass sie in der Nähe von Taoudenni sein muss. Steph sagte doch, dass sie dort den Kontakt verloren haben. Wenn wir vor Ort den Hinweisen folgen, dann finden wir womöglich auch die Höhle.«
»Nicht übel. Jedenfalls besser, als im Trüben zu fischen.« Er streckte den Arm nach ihr aus. Sie ließ sich hineinsinken.
Kapitel 14
Auf dem Treppenabsatz wartete Carter auf Harmon. Das Hotel de Colombe lag direkt an Timbuktus Variante des Times Square. Zwei breite Straßen aus festgebackenem Sand formten ein Y und rahmten den ungepflasterten Platz vor dem Hotel ein. Mehrere hohe Bäume wuchsen in dem Dreieck zwischen den Straßen. Flachdachhäuser und Ladenzeilen aus Lehmziegeln reihten sich an den Seiten auf. Eine magere Kuh stand reglos und mit hängendem Kopf mitten auf der Straße. Eine lange Reihe Holzpfosten, die sich in der Ferne verloren, trugen ein einzelnes Stromkabel. Kleine Staubteufel tanzten in der Morgenhitze. Die Sonne brannte auf seinen Kopf herunter. Ein großer, hagerer Mann in einem dunkelbraunen Kaftan und mit weißer Kufi stand wie verzaubert bei einem Haufen Lehmziegel an der Kreuzung. Ein Stück die Straße hinunter lehnte sich ein alter Mercedes schwer in seine durchgeschlagene Federung. Eine echt belebte Gegend. Ein zerbeulter weißer Peugeot hoppelte auf das Hotel zu, eine Staubwolke hinter sich herziehend. Er hielt vor ihm an. Ein junger, dunkelhäutiger Mann stieg aus dem Wagen und lächelte ihn an. Er trug einen langen Kaftan und eine einfache Kopfbedeckung. Carter ging die Treppe hinunter, als Harmon ausstieg.
»Wo ist Ihre Freundin?«
»Sie kommt nicht mit.«
»Das ist Moussa.« Harmon zeigte auf den Fahrer. »Moussa, das ist der Mann, der das Flugzeug deines Onkels mieten möchte.«
»Mein Onkel wird sehr glücklich sein.« Moussas Stimme war tief und freundlich.
Sie zwängten sich gemeinsam in das Auto. Moussa legte den Gang ein. Aus seinem Lächeln wurde ein Grinsen, sein Blick war starr auf die Straße gerichtet. Er sah aus wie ein Kamikaze-Pilot.