DIE SIEBTE SÄULE (Project 3). Alex Lukeman

DIE SIEBTE SÄULE (Project 3) - Alex  Lukeman


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Dabei wurden sie von den Schiiten verachtet. Sie hatten sich der Rückkehr zum wahren Glauben verpflichtet, so wie sie ihn sahen.«

      »Wie wollten sie das anstellen?«

      »Wenn die Zeit gekommen ist, wollte Allah sie zum Sieg gegen alle Feinde des Islam führen, im Inneren wie im Äußeren. Heiliger Krieg. Dschihad.«

      »Und wann sollte die Zeit gekommen sein?«

      »Es gibt keine konkrete Angabe. Es wird nur erwähnt, dass es ein Zeichen geben wird.«

      »Wie in der Offenbarung? Der Mond wird blutrot? Diese Art von Vorzeichen?«

      Selena wechselte das Telefon zum anderen Ohr. »Stand da nicht.«

      »Lass mich nochmal mit Nick reden.«

      Selena gab Nick das Telefon zurück.

      »Nick, die Wanze auf dem Lastwagen hat den Geist aufgegeben.« Er hörte aufmerksam zu. »Die letzte Position, die sie gesendet hat, kam aus dem Grenzgebiet zwischen Algerien und Mali, nördlich von euch, nicht weit von einem Ort namens Taoudenni entfernt.«

      »Wann war das?«

      »Heute Morgen. Er könnte immer noch dort sein, aber wir können ihn auf den Satellitenbildern nicht entdecken. Das Gelände ist sehr zerklüftet. Es gibt eine Menge Orte, an denen sie sich verstecken könnten und es gibt Routen nach Norden und nach Westen. Aber sie fahren immer nur bei Nacht.«

      Carter dachte einen Moment lang nach. »Wir dürfen uns diesen Lastwagen nicht durch die Lappen gehen lassen. Ich denke, Selena und ich sollten danach suchen. Ein bisschen Aufklärung wäre jetzt ganz nützlich.«

      »Ihr könnt nicht einfach hinfahren. Nicht ohne eine bewaffnete Eskorte.«

      »Ich dachte ans Fliegen. Wir könnten hier ein Flugzeug samt Piloten mieten. Wenn wir den Lastwagen lokalisieren, können wir ihn weiter verfolgen. Wenn nicht, kommen wir hierher zurück und überdenken unsere Optionen. Sollten wir ihn finden, dann kehren wir zurück und entscheiden, wie wir ihn aus dem Verkehr ziehen.«

      »Also Nick, ich weiß nicht …«

      »Hast du etwa eine bessere Idee?«

      Er hörte ihren Seufzer. »Nein, hab‘ ich leider nicht. Du bist vor Ort. Es ist deine Entscheidung.«

      So sieht's aus, dachte er. »Wie geht es Ronnie und Lamont?«

      »Bei Lamont ging die Kugel durch den Knochen. Er hat eine Menge Blut verloren. Trümmerbruch im Oberarm. Kann von Glück reden, es überlebt zu haben. Die haben ihn mit Schrauben und Platten zusammengeflickt. Ronnie kann seine Hand nicht benutzen, weil er sie sich zerschnitten hat. Könnte nach der Heilung steif bleiben.«

      »Sag ihnen, dass manche Leute fast alles machen würden, nur um nicht arbeiten zu müssen.«

      Stephanie lachte.

      Carter legte auf.

      Kapitel 12

      Nick fragte sich am Flughafen durch und machte einen amerikanischen Piloten namens Harmon ausfindig. Harmon verabredete sich mit ihnen in einer Bar, seiner Aussage nach die einzige Kneipe in der Stadt, die kaltes Bier servierte. In Mali praktizierte man einen toleranten Islam, die Art von Glauben, der den Fanatikern ein Dorn im Auge war. Muslimische Länder waren generell nicht bekannt für ihre große Auswahl an Bars, aber ein paar gab es schon.

      Der Laden wirkte wie ein Zeitsprung in die Dreißiger. Er war je zur Hälfte mit Einheimischen und Ausländern gefüllt. Der Bartender trug ein weißes Jackett, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. An der Rückwand der Bar waren fleckige Spiegel und etwa ein Dutzend Flaschen in einem hölzernen Regal. Deckenventilatoren bemühten sich vergeblich, die stickige Luft in Bewegung zu versetzen. Zerkratzte Tische waren willkürlich im Raum verteilt. Ein altes Wandpiano stand neben einer kleinen Bühne. Ein fetter Weißer in einem hellen Anzug mit Panamahut lümmelte sich auf einem Barhocker. Das Einzige, was noch fehlte, waren Humphrey Bogart und jemand, der ein Stück von Cole Porter spielte. Hinter der Bühne erkannte Nick einen fadenscheinigen Vorhang. Er erwartete jeden Moment, dass Marlene Dietrich oder Amelia Earhart dahinter hervortraten und einen Song zum Besten gaben. In einer Ecke saßen vier Amerikaner in Zivil, alle mit breiten Schultern und verdächtig kurzen Haaren. Sie unterhielten sich. Er erkannte den Haarschnitt: Spezialkräfte, vermutlich Army Ranger. Die USA hatten Militärberater im Land. Mali war eine der neuen Fronten im sogenannten Krieg gegen den Terror. Französischer Euro-Rock malträtierte die Ohren aus krächzenden Lautsprechern in der Decke.

      Niemand tanzte. Die Bar war bunt. Sie war laut. Sie war exotisch. Sie war deprimierend. Ein Kellner nahm ihre Bestellung auf. Die Getränke kamen an den Tisch. Carter nahm einen Schluck aus der Flasche und sah auf das Etikett. Castel, die selbsternannte ›Königin der Biere‹. »Nicht übel.«

      »Willst du probieren?« Selena hatte einen Amarula, einen afrikanischen Likör, der wie Baileys und Khalua schmeckte, gemischt mit Schokolade. Wie ein alkoholischer Milchshake.

      »Nein, danke. Da kommt auch schon unser Pilot.«

      Ein Mann kam durch die Tür der Bar, nur eine Silhouette im gleißenden Sonnenlicht. Er war nicht groß, aber er strahlte Selbstvertrauen aus. Er hatte kurz geschnittenes, schwarzes Haar und wirkte wie ein Ex-Militär, dessen Dienstzeit noch nicht lange zurücklag. Er trug khakifarbene Kleidung, die aus einem Armeeladen oder einem L.L. Bean stammen mochte. Sein Name war Joe Harmon. Carter hatte Selena gebeten, ihn vorab zu überprüfen. Er war ein Pilot ohne Flugzeug. Das ausgebrannte Wrack, das sie bei ihrer Ankunft auf dem Timbuktu International gesehen hatten, war seine letzte Maschine gewesen. Harmon war in der Army gewesen, ein Hubschrauberpilot, der als WO-3, Chief Warrant Officer Cl. 3, den Dienst quittiert hatte. Kampferfahrung im Irak und in Afghanistan. Ein Mann nach Nicks Geschmack. Er hob die Hand. Harmon kam auf sie zu und setzte sich zu ihnen.

      »Selena, das ist Joe Harmon.«

      »Ist mir ein Vergnügen.«

      Carter bemerkte, wie Harmon sie unauffällig musterte. Es überraschte ihn nicht. Jedes männliche Wesen, das noch etwas Leben in sich hatte, hätte sie abgecheckt. Er winkte den Kellner herbei und Harmon bestellte ein Bier. »War ziemliches Pech mit Ihrem Flugzeug.«

      »Stimmt. Bin direkt in einen Haboob geraten. Die Motoren fraßen Sand und schon ging es abwärts.«

      »Was ist ein Haboob?«, fragte Selena.

      »Ein besonders übler Sandsturm. Der schlimmste, den ich je erlebt habe. Ich kam aus Burkina Faso mit einer Ladung Schweißzubehör. Hatte nicht genug Sprit, um einfach umzudrehen. Hätte es auch beinahe geschafft.« Er zuckte mit den Achseln, als wäre es keine große Sache. Aber Carter wusste, dass Harmon hier gestrandet war.

      »Ihre Versicherung wollte nicht zahlen. Muss ein schwerer Schlag gewesen sein.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Wir haben Sie natürlich überprüft.«

      »Sind Sie von der CIA?«

      »Nein, aber wir haben gute Verbindungen und würden Ihnen gern ein Angebot machen.«

      Harmon trank aus seiner Flasche. »Dann lassen Sie mal hören.«

      »Wir brauchen jemanden, der uns nach Norden fliegt, nach Algerien. Wir wollen uns dort nur etwas umsehen und versuchen, ein bestimmtes Fahrzeug aufzuspüren.«

      »Ist das Gebiet der AKIM.«

      »Das Fahrzeug könnte Teil einer al-Qaida-Operation sein.« Carter wollte Harmon gerade genug Informationen geben, um ihn neugierig zu machen. Er hatte eine saubere Militärakte. Nick vermutete, dass ihm sein Land nicht egal war.

      »Sie sind doch von der Agency«, sagte Harmon.

      »Nein, aber so ähnlich. Es ist wirklich wichtig für uns, diesen Lastwagen zu finden. Wir müssen nichts weiter tun, als versuchen, ihn zu finden. Vom Boden aus geht das nicht. Wir brauchen den Blick aus der Luft. Und wir möchten keinen der Einheimischen einsetzen.«


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