DIE SIEBTE SÄULE (Project 3). Alex Lukeman

DIE SIEBTE SÄULE (Project 3) - Alex  Lukeman


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      »Lass mich raten«, sagte Nick. »Sie kamen aus dem Iran.«

      »Wieder richtig. Nur hieß er da noch Persien. Sie hatten eine Festung im Nordwesten des heutigen Iran, an einem Ort namens Alamut. Diese Festung steht noch immer, wurde aber im 13. Jahrhundert von den Mongolen erobert.«

      »Was geschah mit ihnen? Du hast gesagt, sie seien einfach verschwunden.«

      »Sie glaubten an eine Herrschaftsfolge geheimer Imame und durchliefen einen Prozess, den sie selbst Auflösung nannten. Sie gingen in den Untergrund, bis ihre Imame sie wieder zum Kampf riefen. Aber das sollte angeblich erst geschehen, wenn Gott ihnen ein Zeichen schickt.«

      »Und was für eine Art Zeichen wäre das?«

      »Da müsste ich raten. Ich nehme an, sie werden es wissen, wenn sie es sehen.«

      »Vielleicht haben sie ihr Zeichen bereits erhalten. Vielleicht sind sie wieder da.«

      »Du denkst, dass es diesen Kult immer noch gibt?«, fragte Steph.

      »Es ist ihr Symbol«, antwortete Selena achselzuckend. »Und der Dolch war ihre bevorzugte Waffe, auch wenn sie hin und wieder Gift einsetzten. Sie wurden von frühester Kindheit an in jeder Art des Tötens ausgebildet. Stell sie dir als muslimische Ninjas vor, dann bekommst du den richtigen Eindruck. Sie waren Fanatiker, eine kleine, isolierte Sekte innerhalb der Schiiten. Sie glaubten, dass sie der einzig richtigen Interpretation von Mohammeds Lehren folgten.«

      »Wie viele von ihnen gab es?«

      »Das weiß niemand.«

      Carter rieb seine pochenden Schläfen.

      »Sie können unmöglich noch existieren«, sagte Stephanie. »Ich denke da an die Lehren von Sherlock Holmes.«

      »Das hier ist kein Spielfilm, Steph.«

      »Sei kein Idiot, Nick. Holmes sagte, dass wenn alle denkbaren Möglichkeiten eliminiert wurden, nur das Unmögliche übrig bleibt. Oder so ähnlich. Wenn es wirklich diese Assassinen sind, dann existieren sie in der modernen Welt, obwohl jeder das für unmöglich halten würde.«

      »Wenn sie noch existieren und sich jahrhundertelang versteckt haben, dann sind sie darin vermutlich ziemlich gut. Wie sollen wir sie finden?«

      Selena runzelte die Stirn. »Wir brauchen mehr Informationen. Und ich weiß, wo wir anfangen könnten.«

      »Wo?«

      »In Mali.«

      »Mali? Was gibt es denn in Mali?«

      »Das Ahmed-Baba-Institut. Es ist eine Bibliothek in Timbuktu, die eine Sammlung von Schriften in arabischer Sprache besitzt, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Wenn du etwas über die muslimische Geschichte im Mittelalter wissen willst, dann ist das die Quelle.«

      Nick kannte diese Begeisterung. Grundlagenforschung an vergessenen Schriften, das war jahrelang ihr Steckenpferd gewesen. Es hatte ihr einen respektablen Ruf in der akademischen Welt verschafft.

      »Du willst also nach Timbuktu?«

      »Wenn es überhaupt historische Referenzen darüber gibt, was mit den Hashashin geschah, dann ist das der Ort, an dem sie zu finden sind. Sonst findest du überall nur die gängige Geschichtsschreibung und die hilft uns nicht weiter.«

      Stephanie schnippte eine Fluse von ihrem dunklen Kostüm. Nick konnte sich noch gut erinnern, wie sie früher in bunten Sportklamotten zur Arbeit erschienen war. Jetzt gab sie sich geschäftsmäßig.

      Selena war noch nicht fertig. »Steph, ich brauche eine Forschungsgenehmigung. Die sind sehr zurückhaltend, wenn es um den Zugang zu uralten Handschriften geht. Aber mit meiner Vita sollte es nicht allzu schwierig werden. Vor zwei Jahren hielt ich bei einer internationalen Konferenz einen Vortrag über islamische Geschichte und arabische Sprachen. Ich wurde bereits für die nächste Konferenz als Rednerin eingeladen. Ich könnte meine wahre Identität nutzen und vorgeben, für den Vortrag zu recherchieren.«

      Stephanie machte sich Notizen. »Das lässt sich arrangieren.«

      »Sie kann doch nicht allein gehen, Steph. Ich begleite sie. Wir haben Militärberater in Mali und die Regierung ist uns freundlich gesonnen. Wir können unsere Waffen mit dem Diplomatengepäck ins Land bringen.«

      »Verdammt, Nick. Du bist jetzt einer der Direktoren. Du solltest nicht einfach losziehen, wo du erschossen oder gekidnappt werden könntest. Außerdem werden jetzt alle Geheimdienste der Welt nach diesen Kerlen suchen. Die werden sie schon finden.«

      »Die anderen Dienste haben aber keine Selena. Es ist eine taktische Entscheidung, und die liegt in meiner Verantwortung. Sie hat noch nicht genug Erfahrung im Außeneinsatz, um allein zu gehen. Ronnie und Lamont sind aus dem Rennen. Also bleibe nur ich.«

      Selena winkte ab. »Entschuldige mal. Ich sitze hier direkt vor dir.« Ihr Gesicht war zornesrot. »Denkst du etwa, ich kann nicht auf mich selbst aufpassen?«

      »Darum geht es nicht. Du bist eine Anfängerin. Es wäre dein erster Einsatz in Afrika. Betrachte es als Teil deiner Ausbildung.« Selena musterte ihn und nickte dann kurz. Er wusste, dass die Sache noch nicht ausgestanden war.

      »Nick …«

      »Ich gehe mit ihr, Steph.«

      Stephanie seufzte. Sie wusste, dass es hoffnungslos war, wenn Nick sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. »In der muslimischen Welt bist du bekannt wie ein bunter Hund. Du brauchst eine glaubwürdige Tarnung, eine andere Identität.«

      Das stimmte. Nach Jerusalem war er mit Sicherheit das bevorzugte Ziel eines jeden Fanatikers. »Wir denken uns etwas aus«, sagte er knapp.

      Kapitel 5

      Carter und Selena verließen das PROJECT und fuhren zurück in die Innenstadt. Sie hatten einen neuen Mercedes bekommen, um den zu ersetzen, den die Chinesen zusammengeschossen hatten. Ein Coupe. Schnell, burgunderrot, beinahe die Farbe von Blut. Innen hatte der Wagen eine Lederausstattung, komfortabel und warm. Draußen hatte es zu schneien begonnen. Das Wispern der Wischerblätter und das leise Hintergrundgeräusch der Klimaanlage konnten Selenas ohrenbetäubendes Schweigen nicht übertönen. Nick behielt diese Erkenntnis für sich. Als sie schließlich etwas sagte, klang ihre Stimme angespannt. »Warum glaubst du, dass ich nicht selbst auf mich aufpassen kann?«

      »Das denke ich gar nicht.«

      »Doch, tust du. Du hast mich da drinnen als Anfängerin bezeichnet.«

      »Weil du noch ganz am Anfang stehst. Afrika ist ein einziges Chaos. Dort kann praktisch alles passieren. Du weißt nicht, wie es ist, dort draußen als Agent zu operieren. Du musst davon ausgehen, dass jeder dich umbringen will.«

      »In Tibet haben sie sich redlich bemüht.«

      »Das war etwas anderes. Ronnie und ich haben Erfahrung mit verdeckten Operationen und es war diese Art von Mission. Genau wie Argentinien. Da hast du dich gut geschlagen, sehr gut sogar. Aber Undercover-Ermittlungen sind etwas anderes. Damit hast du noch keine Erfahrungen.«

      »Du vergisst, dass meine Forschungen mich immer wieder an gefährliche Orte führten, ohne dass ich dabei verletzt wurde. Auch nach Afrika.«

      »Hör mal, da draußen kannst du niemandem vertrauen. Du kannst dich nicht darauf verlassen, dass die Dinge so sind, wie sie scheinen. Du musst immer auf der Hut sein. Du musst alles mit anderen Augen sehen, auf eine verborgene Geste oder ein falsches Wort achten. Auf ein verborgenes Messer. Du musst immer davon ausgehen, dass jemand dir auf den Fersen ist, selbst wenn alles ruhig aussieht.«

      »Es ist doch nur eine Bibliothek.«

      »Eine Bibliothek in einem muslimischen Land voller Terroristen, in der wir nach Hinweisen über eine Gruppe terroristischer Attentäter suchen wollen. Wenn es dort etwas zu finden gibt, dann wissen die es auch. Denkst du, dass sie einen solchen Ort nicht im Auge behalten? Du musst mit so etwas rechnen, denn wenn du es nicht tust,


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